Ich suche für eine Geschichte, die im Mittelalter spielt, eine lateinische Form für den Beinamen „von Stella“ für eine Person, die aus einem Ort namens „Stella“ in Italien stammt, ALTERNATIV zu „de Stella“ und „Stellensis“. Wäre „Stellius“ plausibel? Analog zu „Silvius“ für „da Silva“ oder „Vincius“ für „da Vinci“?
Schön klänge für mich: Stellana (die Stellanerin) in Analogie zu Romana.
Ob das geht?
Warte auf eine Expertenmeinung und Erklärung des Sachverhalts.
Re: Latinisierung Nachname gesucht
filix am 14.4.18 um 13:17 Uhr, überarbeitet am 15.4.18 um 12:53 Uhr (Zitieren)
„Stell-ius“ ist als Ausdruck der Herkunft aus einem bestimmten Ort m.E. ungeeignet, das Suffix „-ius“ drückt in der Antike gewöhnlich Zugehörigkeit aus, insbesondere bei Namen die zu einer bestimmten gens. „Stell-ius“ wäre demnach einer, der zur (fiktiven) „gens Stellia“ gehört, sozusagen ein Stellier (Eine Ausnahme bilden gr. Ortsnamen - z. B. „Rhod-ius“). Auch unter Berücksichtigung des Funktionswandels der Endung in der neuzeitlichen Imitation lat. Namen („Bock-ius“, „Wald-ius“ & c.) kann von einer ausdrücklichen Bezugnahme auf eine örtliche Herkunft des Genannten, die hier angestrebt werden soll, nicht die Rede sein. Bei „Leonardus Vincius“ überlagert diese Strategie zufällig einen Herkunftsnamen („da Vinci“), das bedeutet jedoch nicht, dass das Suffix dasselbe leistet wie das ital. „da“.
filix am 14.4.18 um 16:05 Uhr, überarbeitet am 15.4.18 um 2:01 Uhr (Zitieren)
Im Mittelalter hat „-ensis“ als Suffix, das Ortsadjektive hervorbringt, „-anus“ bei Neubildungen weitgehend verdrängt (siehe dazu Stotz: Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters: Bedeutungswandel und Wortbildung, §§ 79 bzw. 82), Man wird also wohl „Stellensis“ oder „de Stella“, nicht „Stellanus“ (wie die von auf -a auslautenden Orten gebildeten „Albanus“, „Romanus“, „Spartanus“ & c.) wählen.
filix am 14.4.18 um 16:44 Uhr, überarbeitet am 15.4.18 um 12:12 Uhr (Zitieren)
Solche Adjektive werden offensichtlich mit erheblichen Einschränkungen von Orten, die auf -um („Arpinum“ - „Arpinas“, „Aquinum“ - „Aquinas“, „Urbinum“ - „Urbinas“) und -a („Ardea“ - „Ardeas“, „Ravenna“ - „Ravennas“) enden, gebildet. Ob das für im Mittelalter angesiedelte Neubildungen auch gilt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Das Suffix sagt nichts über die Art der Verbindung mit dem Ort aus, Herkunft ist also im weitesten Sinn zu fassen, es muss nicht unbedingt der Geburtsort sein. Lanfrancus Mediolanensis wurde in Mailand geboren, wirkte aber lange Zeit als Arzt in Frankreich, wo er auch starb. Anselmus Laudunensis hieß so, weil er aus Laon stammte, Martinus Laudunensis, der in Irland geboren wurde, hingegen, weil er dort wirkte.
Als Gegenbeispiel fällt mir gerade Nikolaus Cusanus ein - ganz spätes Mittelalter.
Nun, „weitgehend“ bedeutet natürlich nicht „vollständig“.
Re: Latinisierung Nachname gesucht
filix am 15.4.18 um 1:55 Uhr, überarbeitet am 15.4.18 um 20:20 Uhr (Zitieren)
Es werden sich gewiss einige finden lassen (Stotz klammert Bildungen auf „-politanus“ übrigens aus), für den Humanismus des ausgehenden 15. Jhdts. etwa fällt mir Angelus Politianus (Angelo Poliziano), der mit seinem Freund und Liebhaber, dem berühmteren Pico della Mirandola, 1494 vergiftet wurde, ein. Ob es eine Neubelebung gegeben hat, ist eine gute Frage. Ich vermute jedenfalls, dass mit der Durchsetzung des uns vertrauten neuzeitlichen Namenssystems im 15. und 16. Jhdt. derartige Namensbestandteile überhaupt zurückgedrängt wurden (sonstige Anwendungsfälle des Herkunftsadjektivs sind davon natürlich zu unterscheiden). Selbst wenn Ortsbezeichnungen in den Namen eingegangen sind, wird dieser nicht selten nach anderen Latinisierungsregeln behandelt. Dafür scheint mir „Leonardus Vinc(i)-ius“ ein typisches Beispiel zu sein.
Die Humanisten haben ja gerne ganze Namen latinisiert, sofern sie für eine Übersetzung geeignet waren: Schwarzerd, Reuchlin etc.
Aber das paßt nicht mehr zu Leonardos Anfrage.
filix am 15.4.18 um 20:17 Uhr, überarbeitet am 15.4.18 um 20:52 Uhr (Zitieren)
Unter den humanistischen Latinisierungen tauchen doch einige Ortsadjektive auf „-anus“ auf, wobei teilweise eigentlich die Lehnübersetzung des gesamten Namens das Suffix erhält: Johannes Aesticampanus (J. Sommerfeld), Regiomontanus (Johannes Müller aus Königsberg) Beatus Rhenanus (Beat Bild aus Rheinau), Petrus Mosellanus (Peter Schade aus Brittig an der Mosel) ...
Das ist ja nur eine Methode, die „unübersetzbaren“ Namen wurden mit lat. Suffixen versehen, die u.U., wie am Beispiel „(da) Vinci“ -> „Vincius“ abzulesen, einen Herkunftsnamen der Ausgangssprache nicht mehr als solchen nachbilden.