Niemand ist hoffnungsloser versklavt als jene,
die fälschlicherweise glauben,
frei zu sein.”
--> Nemo servus pauperior est quam illis, qui fingunt liber esse.
Ich bin mir ziemlich sicher, daß man „kopflos“, „hirnlos“ u.ä. nicht steigern darf (eine Hydra ist weder bei zwei noch bei drei abgeschlagenen Köpfen kopflos), wohl aber in der Umgangssprache, die es logisch nicht so genau nimmt, steigert, wie man da ja auch „voll“ steigert.
filix am 7.11.18 um 15:57 Uhr, überarbeitet am 8.11.18 um 10:39 Uhr (Zitieren) II
Wer hier hat jemals einen Anenzephalen Hirnloses äußern hören? Will sagen, sobald Bildungen auf „-los“ nicht das faktische Fehlen des in der Basis genannten Objekts konstatieren, sondern den Charakter einer Wertung (oder vergleichenden Zustandsbeschreibung) annehmen, werden sie auch gesteigert - und nicht nur in der Umgangssprache.
Ist jemand imstande, mir einen klassischen Text der deutschsprachigen Literatur zu nennen (Autor, Titel, Kapitel - kein bloßer Link), in dem „hirnlos“ o.ä. gesteigert wird?
„Ihr einstiges Engagement blieb weithin unvergessen: Die einen preisen sie als eine der raren wahren Idealistinnen, andere sagen ihr noch heute nach, sie sei im mexikanischen Exil unter hirnlos treuen Stalinisten eine hirnlosere treuere Stalinistin gewesen.“[2]
Michael Frank: Eine Epoche in Person: Die Prager Schriftstellerin Lenka Reinerová erhält in Weimar den Schillerring. In: Süddeutsche Zeitung. Nummer 257, 6. November 1999, ISSN 0174-4917, Seite 19.
filix am 8.11.18 um 11:15 Uhr, überarbeitet am 8.11.18 um 11:42 Uhr (Zitieren) I
Das Wort eignet sich m.E. aufgrund seiner Bildungsweise nicht dafür. „Re publica nihil desperatius ...“ schreibt z.B. Cicero, man sollte jedoch klären, ob im Lat. derlei Ausdrücke überhaupt adverbial wie in „hoffnungsloser versklavt“ gebraucht werden, was ich eher bezweifle.
Re: Freiheit
filix am 8.11.18 um 11:20 Uhr, überarbeitet am 11.11.18 um 23:48 Uhr (Zitieren) III
Ich weiß ja nicht, was dir alles als klassischer Text gilt, ein solcher nun genau beweisen sollte, aber vielleicht tun es vorerst Stellen, die zeigen, dass auch große Namen gesteigerte Hirnlosigkeit im Repertoire haben, wenn es darum geht, grob zu werden:
Es handelt sich zunächst um eine Frage der Sprachebene, die mit dem diskutierten Problem wenig zu tun hat. Außerdem kann man, versteift man sich auf eine wörtliche Bedeutung und die Ansicht, „-los“ drücke schon im Positiv stets totale Privation aus, fast jede dieser Bildungen kritisieren.
2. Adjektive, bei denen Vergleichsformen nicht üblich sind
a) Einzelne Gruppen
3. Adjektive, mit denen das Fehlen des im Stammwort Genannten ausgedrückt wird:
kinderlos, bargeldlos, obdachlos, fleischlos
Vergleichsformen sind aber möglich bei Adjektiven, die weniger konkreten Inhalt
haben:
die fruchtloseste Diskussion. Eine zwanglosere Diskussion war nicht vorstellbar.
Lieblosere Briefe gab es wohl nicht.
Quelle: DER GROSSE DUDEN - Grammatik Band 4 Seite 269, 636
filix am 8.11.18 um 14:35 Uhr, überarbeitet am 8.11.18 um 14:38 Uhr (Zitieren)
Auch „fleischlos“ kann z.B. einen Sinn annehmen, der vom konkreten Objekt absieht und die Basis übertragen auffasst, sodass eine Steigerung nicht ausgeschlossen ist („Und er irrte sich gleich doppelt, indem er als Bezug statt anderer, die möglich gewesen wären, die strukturale Linguistik wählte, also die formalistischste, die fleischloseste, die alles ausschließt, was nicht Sprache im strengen Sinn ist.“). Eine Klassifikation, die abstrakt den Bedeutungsspielraum der Basis mancher Ausdrücke aufs Konkrete festlegen möchte, wird sich so nicht durchführen lassen.
An filix:
Die klassischen Belege sind völlig ausreichend. Selbstverständlich handelt es sich um einen metaphorischen Gebrauch, aber ich wußte nicht, daß der sich so weit von der eigentlichen Bedeutung entfernen kann.
Mit schwebte eher sowas vor wie bei der von HOMO IMPRUDENS genannten Duden-Angabe.
Ich würde ja sagen, dass die metaphorische Verwendung die eigentliche ist, wenn man darunter die dominierende Gebrauchsweise versteht. Eine Gelegenheit, in der man „hirnlos“ außerhalb von (älterer) Fachliteratur nutzt, um das konkrete Fehlen einer solchen Struktur des Zentralnervensystems festzustellen, wird sich eher selten bieten.
Interessanterweise begegnet mir die Bezugnahme auf Hirnlosigkeit am ehesten in der Form von Witzen, wie z.B.: „Bei dir möchte ich keine Hirnzelle sein - ich hasse Einsamkeit.“
Hirnlosigkeit zeichnet sich durch folgende, besondere Merkmale aus:
Der/die/das hirnlose Wesen neigt zu stupiden Aussagen und Handlungen
Selbst einfachste Sachverhalte werden nicht verstanden und in Folge dessen:
Verdreht dargestellt, oder
Als absolute Wahrheit angenommen
Der/die/das Hirnlose neigt zu extremen Handlungen, häufig zu unbegründeter Gewalt oder Fremdenhass (wobei „fremd“ alles das ist, was er nicht versteht, was bei Hirnlosigkeit eben fast alles ist)