Aus einer Bittschrift des späten 17. Jahrhunderts:
Es hat der Pastor verwundert vernommen, dass der Küster der Gemeinde sol angeklaget sein, doch weiß er [der Pastor] nicht, von wem, ausgenommen es sei jemand, der vielleicht aus heimlichen Neid dem Küster nachgehet, dem er auch in allem nicht gefallen mag, welcher denn noch sol geboren werden, der es allen zugefallen machen kan, iuxta illud: omnibus placere est nulli placere; besonders was diese Gemeinde anlanget, expecto uno vel altero, ist der seine dienste pro posce gebührlich versiehet mit dem Glockengeläut, Orgelspiel, uhr zu stellen etc.
Der Satz enthält drei neulat. Wendungen, die grammatikalisch nicht zwangsläufig korrekt sein müssen, aber vom Schreiber in dieser Form notiert worden sind:
1.) iuxta illud: omnibus placere est nulli placere
=> das 2. Wort „illud:“ ist gekürzt, hier anscheinend als „illudere“ aufzulösen?
Ich fand eine ähnliche Wendung in der 1890 edierten Chronik des Jocelyn de Brakelond (Jocelin de Braklonda, dat. 1173-1202):
„Qui omnibus placere nititur, nulli placere debet“
Soweit ich sehe, soll der Satz in der Bittschrift ungefähr ausdrücken:
durch Nachahmen jedem zu gefallen, gefällt niemandem.
Was ist genau ist hier mit dem „iuxta illudere“/„durch Nachahmen“ gemeint?
Kann es in diesem Kontext beeuten „jdn. nach dem Munde reden“?
Vorschlag:
Wer nach Gefallen redend jedem gefallen will, gefällt niemandem
2.) expecto uno vel altero
Vorschlag:
..., ich erwarte von dem einen (genauso) wie auch von dem anderen...
3.) pro posce
Vorschlag:
so gut wie gefordert, verlangt
Ich weiß nicht, ob sich die Satzelemente überhaupt 1:1 übersetzten lassen?
Am Ende sollte der Satz nur dem Sinn nach erschlossen sein.
Vielen Dank im Voraus
Re: Neulateinische Wendungen in einer Supplik von 1685
filix am 28.1.19 um 21:29 Uhr, überarbeitet am 29.1.19 um 1:18 Uhr (Zitieren)
1. „iuxta illud: omnibus placere est nulli placere“ - „daneben/nebenbei <gilt>: allen zu gefallen, heißt keinem zu gefallen“
2. Es sollte m.E. „expectato uno vel altero“ heißen: „in Erwartung des einen oder anderen“
3. Steht da nicht eher „pro posse“, d.h. „nach Können“/„so gut er kann“?
Re: Neulateinische Wendungen in einer Supplik von 1685
Die in dem Gebrauch des Infinitivs als Subjekt bzw. Objekt schon im klassischen Lat. angelegte substantivische Qualität baut das Mlat. aus und behandelt den Inf. flexibel als indeklinables Substantiv, wobei meist Präpositionen oder ergänzende Possessivpronomen diese Verwendung anzeigen („pro posse“, „pro tuo velle“, „contra meum velle“ ...).
Re: Neulateinische Wendungen in einer Supplik von 1685
Vielen Dank für die Hilfe!
Es hilft manchmal, die betreffenden Stellen einer Handschrift noch einmal zu prüfen, bevor man den Satz ins Forum stellt; ich hatte mich zweimal verlesen. Entschuldigung...
2. es muß heißen „excepto uno vel altero“, also: „außer dem einen oder anderen“.
3. es muss richtig „pro posse“ heißen!
Die Fügung in lat. Schreibschrift gesetzt, enthält die Verbindung aus Schaft-s und rundem s, was mich irrtümlicherweise „posce“ lesen ließ.
Nun ist es klar, also nochmals besten Dank! :O))
Re: Neulateinische Wendungen in einer Supplik von 1685