Ich kann nicht sagen, was mich an der Übersetzung stört. Vielleicht, weil die beiden Glieder völlig unverbunden nebeneinanderstehen. Ich würde es etwas umformen:
Imitare deum, qui homo factus est
Re: Tattoo
filix am 29.7.20 um 13:02 Uhr, überarbeitet am 29.7.20 um 13:05 Uhr (Zitieren)
Klassischer Pointenkiller. Imperative sind „Satztypmacher“, nichts spricht gegen eine asyndetische Reihung von Imperativsätzen (Plautus „Indica, fac pretium!“), deren vage Beziehung ja gerade diesen Überraschungseffekt in der Aussage begünstigt. Es stören also andere Dinge.
Statt des Kommas würde m.E. in Kolon (mehr?) Sinn machen.
Re: Tattoo
filix am 29.7.20 um 14:54 Uhr, überarbeitet am 29.7.20 um 15:07 Uhr (Zitieren)
Der Doppelpunkt forciert allenfalls den Erläuterungscharakter auf der Ebene der Zeichensetzung. Das unterschiedliche Extension/Intensionsverhältnis der Imperative erzeugt diesen in dem Parallelismus aber schon so und in Verbindung mit dem Weltwissen, welche spezifischen Tätigkeiten dem christlichen Gott zugeschrieben werden, in der Adressierung an einen Menschen die Pointe. Oder hast du Schwierigkeiten, den Satz zu verstehen, wenn du ihn hörst?
Es geht hier nicht um die Inkarnation des Logos als einmaliges Geschehen und
Handeln Gottes, sondern um den Begriff Mensch.
Es ist m.E. primär eine Aufforderung an den Menschen, Mensch zu werden i.S. eines
homo vere humanus, letztlich eines (wie Gott bedingungslos) liebenden Menschen,
der in der Liebe den Sinn und das Ziel seines Lebens und seine Vollendung findet (nach christlichem Verständnis und Vorstellung).
Wörtlich genommen ist der Satz Unsinn, weil jeder Mensch schon Mensch ist.
„Mensch“ ist eine Metonymie für eine bestimmte Form des Menschseins,
das sich über den Mann aus Nazareth und seine Lehre definiert und auf ihn beruft.
Werde Mensch = werde ein Mensch i. S. des christlichen Menschenbildes („Proexistenz“),
unbhängig von dessen Verzerrungen und Pervertierungen in der (Kirchen)Geschichte.
Der Satz ist geballte Theologie und muss mMn weit mehr ausdrücken, um
einen (tieferen) Sinn zu enthalten, ohne den er unverständlich bzw. sinnfrei bleibt.
Der Autor ist kath. Theologe und Priester.
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Re: Tattoo
filix am 29.7.20 um 15:52 Uhr, überarbeitet am 29.7.20 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Die Pointe spielt offensichtlich mit der Menschwerdung Gottes einer- und der moralischen oder sonstigen Vervollkommung im Zeichen eines Ideals andererseits, aber das war nicht unmittelbar Gegenstand der Betrachtung, die der Frage nachgegangen ist, wie die semantische Beziehung der asyndetisch verknüpften Imperativsätze funktioniert und ob der Doppelpunkt irgendeinen Unterschied macht.
Du hast mich nach meinem Verständnis gefragt. Auf diese Frage wollte ich antworten.
Das Satz ist sinnfrei, wenn man ihn nicht „weiterdenkt“.
Ich würde ein Kolon setzen, weil der 2. Teil als typische Präzisierung und
Pointe ein ganz bestimmtes Handeln des christlichen Gottes zum
Gegenstand notwendiger Interpretationen macht.
Dass der Satz nur für Christen Sinn machen kann und für Andersgläubige, Atheisten etc.
sinnfrei bis absurd klingen mag, will ich damit nicht bestreiten.
PS:
Es gibt Leute, die behaupten, das Christentum sei die radikalste Form von Humanismus,
wenn man es „richtig und konsequent zuendedenkt“ und von allen Schlacken befreit, die es wohl schon unmittelbar nach dem Tod seines Urhebers anzusetzen begann
mit der„Domestizierung“ einer revolutionären Grundidee, die im evolutionären Weltbild einzuordnen eine noch nicht gelöste oder vlt. nicht lösbare Aufgabe der modernen
Theologie ist, obwohl es auch dafür interessante Ansätze gibt (z.B. Drewermann,
Jesus von Nazareth, u.a.).
Dass es letztlich eine Glaubensfrage bleiben wird, wird kein seriöser Evolutionstheologe
jemals bestreiten, ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Atheismus wohl die
vernünftigeren Argumente hat, die Annahme eines Schöpfergottes oder gar
eines solchen, der „die Liebe ist“, als infantiles, absurdes, ... Wunschdenken massiv zurückzuweisen.
Bitte viator = observator löschen, danke! Sind nur Multinamen!
Re: Tattoo
filix am 29.7.20 um 21:13 Uhr, überarbeitet am 29.7.20 um 21:25 Uhr (Zitieren)
Da liegt ein Missverständnis vor, meine Nachfrage galt nicht der theologischen Ausdeutung des Satzes, sondern der von dieser vorausgesetzten grundlegenden semantischen Beziehung zwischen den zwei asyndetisch verknüpften Imperativsätzen, wodurch der zweite expliziert, wie die Aufforderung des ersten zu verstehen ist. Das Problem stellt sich auch bei Sätzen, in denen Gott gar nicht vorkommt: „Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.“ Die Zeichensetzung (Doppelpunkt oder Komma) spielt dafür m.E. keine Rolle, weshalb auch die Frage unter der Bedingung „wenn du ihn hörst“ gestellt wurde.