Mit Bildungsdünkel hat die Verwendung von lateinischen Originalzitaten, die in deutsche Sätze integriert werden, oder geläufigen Termini wie etwa orbis Romanus, die man ja nicht einfach übersetzen kann, ohne Bedeutungsverlust und begriffsgeschichtliche Verwirrung zu riskieren, nicht zwingend etwas zu tun. Es ist lediglich unüblich geworden, besagte grammatische Anpassung vorzunehmen, das gilt selbst für die Kasusforderung an eine Nominalphrase, weshalb man heute etwa meist Für den gebildeten Reichsbewohner der Kaiserzeit stellen Vergils Georgica eine entscheidende identitätsstiftende Schrift für die Beschreibung und Deutung des orbis Romanus dar formuliert. Bei dem Versuch, solchermaßen Zitate in die lateinische indirekte Rede zu setzen, als hätte der deutsche Matrixsatz deren vom Deutschen erheblich abweichenden Regeln aktiviert, handelt man sich überdies eine Menge Schwierigkeiten und Fragen nach der Konsistenz (Ist die Subjunktion beispielsweise nicht überflüssig? Gibt es Bedeutungsverschiebungen durch Abgehen von finiten Formen? Warum werden deutsche Tempora im Matrixsatz in ihrer Wirkung wie lateinische behandelt? …) ein und greift ohne klaren Gewinn in den originalen Wortlaut ein. Laut Kapitel 6 der Vita Severini gehörte es zum guten Ton, daß quidam barbari, cum ad Italiam pergerent, promerendae benedictionis ad eum intuitu deverterunt stellt daher eine heute eine durchaus gängige Vorgangsweise dar.
Re: Lateinische Textstellen in deutschen Text einbauen (Fortsetzung)
Das ist irgendwie seltsam:
Warum nicht AcI oder explikatives ut/ quod?
Wäre das nicht konsequenter? Warum so mischen und nicht das verwenden, wie es der
Lateiner sagen würde?
Ist das völlig unüblich? Wer Latein kann, sollte damit m.E. kein Problem haben.
Warum hü und hott zugleich?
d.h. dass es auch schon mal anders gehandhabt wurde, oder?
Hast du Beispiele für diesen Fall?
Re: Lateinische Textstellen in deutschen Text einbauen (Fortsetzung)
Der Sprachwechsel im Satz erzwingt unvermeidlich allerlei hybride Vorgangsweisen. Ist die Anwendung der Regeln der lat. oratio obliqua in Abhängigkeit von einem deutschen Matrixsatz denn wirklich konsequenter? Ist das Setzen der Subjunktion bei einem in den AcI gesetzten Hauptsatz zwingender oder das Weglassen? Usw. Die zitierte Lösung macht sich den Umstand zunutze, dass im Deutschen die indirekte Rede durch den folgenden Indikativ in der Übersetzung nicht gestört wird, und punktet damit, den Wortlaut nicht zu verändern. Dass möglichst wortgetreues Zitieren zur akademischen Kardinaltugend aufgestiegen ist, mag neben dem Niedergang der Diglossie und dem Aufstieg von Volkssprachen zu Wissenschaftssprachen eine zusätzliche Rolle gespielt haben beim Paradigmenwechsel in dieser Frage. Die Anpassung von lateinischen Nominalphrasen war jedenfalls noch bis weit ins 19. Jahrhundert verbreitet.
Re: Lateinische Textstellen in deutschen Text einbauen (Fortsetzung)
Herzlichen Dank für deine wie immer exzellente Erklärung.
Schön, dass du immer wieder vorbeischaust.
Du bist jetzt der einzige Vollprofi im Forum.
Bitte bleib ihm treu! Du bist klasse! Chapeau! :)))