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der_accusativus_cum_infinitivo

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der_accusativus_cum_infinitivo [2010/07/08 22:24]
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der_accusativus_cum_infinitivo [2015/08/15 19:10]
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-Wie schon der Name sagt ,ist diese Satzkonstruktion eine mit einem 4. Fall (Akk.) und einem Infinitiv. Diese Konstruktion wird durch ein sogenanntes Kopfwort (z.B.: dico [ich sage], sentio [ich fühle], credo [ich glaube] etc.) eingeleitet. Nun zur Übersetzung: Im Deutschen übersetzt man den AcI mit einem ..., dass + 1. Fall (statt Akk.) + passender Indikativ (Personalform). 
- 
-Bsp.: Video Iuliam hic non esse. 
-Ich sehe, dass Julia nicht hier ist. 
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------------------------------------------ 
- 
-====== AcI, NcI ====== 
- 
-===== Grundlagen ===== 
- 
-Sowohl im Deutschen als auch im Lateinischen gibt es transitive Verben, bei denen die Funktion des direkten Objekts durch eine Konstruktion aus einem Akkusativ und einem Infinitiv wahrgenommen werden kann:\\ 
-Ich sehe __ihn kommen__ – video __eum appropinquare__\\ 
-Diese Konstruktion heißt AcI, Accusativus cum Infinitivo.\\ 
-Die Zahl der lateinischen Verben, die mit AcI stehen können, ist viel größer als die Zahl der deutschen. Und damit haben wir das grundlegende Problem: In den weitaus meisten Fällen muss bei der Übersetzung der lateinische AcI in eine passende, aber andersartige deutsche Form gebracht werden.\\ 
- 
-Zu beachten ist außerdem: Die Bestandteile eines AcI können (wie ja grundsätzlich alle Satzteile) erweitert werden: Der Akkusativ kann Attribute haben, der Infinitiv kann adverbielle Bestimmungen oder Objekte haben usw.\\ 
- 
-Unter diesen Erweiterungen ist eine besonders tückisch: Wenn das im Infinitiv stehende Verb wiederum transitiv ist, kann es ein Akkusativobjekt zu diesem Verb geben:\\ 
-Ich sehe einen Wolf __einen Hasen__ fressen – video lupum __leporem__ devorare\\ 
-In diesem Fall treten also zwei Akkusative auf, aber mit vollständig unterschiedlicher Funktion! Den Unterschied sieht man gut, wenn man den AcI in einen Nebensatz überführt:\\ 
-Ich sehe, wie (oder: dass) ein Wolf einen Hasen frisst.\\ 
-Bei dieser Überführung in einen Nebensatz wird also der Infinitiv zum Prädikat, derjenige Akkusativ, der dem AcI den Namen gab, zum Subjekt und der zweite Akkusativ bleibt Objekt.\\ 
-Wenn man über den AcI spricht, braucht man daher treffende Bezeichnungen für diese beiden auseinanderzuhaltenden Akkusative. Da tun sich die Fachleute allerdings etwas schwer.\\ 
-Der Akkusativ, der im Nebensatz zum Subjekt wird, heißt Akkusativ des Handelnden (der Wolf ist es, der das devorare durchführt) oder Akkusativ der Person (als ob nicht – wie hier – auch Tiere oder Gegenstände etwas tun könnten) oder aktiver Akkusativ. Wir wollen ihn hier den „Subjekts-Akkusativ“ nennen.\\ 
-Der Akkusativ, der im Nebensatz Objekt bleibt, heißt Akkusativ des Leidenden (der Hase ist es, der das devorare dulden muss) oder Akkusativ der Sache (als ob nicht auch Personen gefressen werden könnten) oder passiver Akkusativ. Wir wollen ihn hier den „Objekts-Akkusativ“ nennen.\\ 
- 
-Betrachten wir also: Ich möchte einen Pfannkuchen essen.\\ 
-Gibt es da einen AcI ?\\ 
-Akkusativ und Infinitiv sind da. Aber wie würde die Nebensatzdarstellung heißen? Doch wohl\\ 
-Ich möchte, dass ich einen Pfannkuchen esse.\\ 
-Aha! „einen Pfannkuchen“ //bleibt// Akkusativ, es war also ein Objekts-Akkusativ. Der Beispielsatz enthielt also einen Infinitiv mit Akkusativobjekt, //aber keinen AcI//! Das deutsche Verbum „ich möchte“ kann nicht mit AcI konstruiert werden, wohl aber mit (u.U. erweitertem) Infinitiv.\\ 
-Anmerkung: Jetzt soll keiner kommen mit „Ich möchte den Faulpelz arbeiten sehen!“ Ja, da ist ein AcI, aber nach „sehen“... „ich möchte“ steht hier mit dem einfachen Infinitiv „sehen“ – von dem allerdings kann ein AcI abhängig sein, das hatten wir schon.\\ 
-Kommen wir zu den Einzelheiten: 
- 
-===== Infinitiv im Passiv ===== 
- 
-Ein AcI kann ohne weiteres den Infinitiv im Passiv haben:\\ 
-video domum aedificari – ich sehe ein Haus gebaut werden.\\ 
-Der „Nebensatz-Test“ zeigt, dass ein echter AcI vorliegt: Ich sehe, dass ein Haus gebaut wird.\\ 
-Tatsächlich ist es ja eine Eigenart des Passivs, dass neben ihm ein direktes Objekt nicht vorkommt und der „leidende“ Gegenstand zum Subjekt wird.\\ 
-Das wird im Lateinischen ausgenutzt: Prinzipiell kann es vorkommen, dass bei dem darzustellenden Sachverhalt nur die Tätigkeit und der Objekt-Akkusativ eine Rolle spielen. Im Deutschen kann man dann ohne weiteres einen Infinitiv und einen Objekts-Akkusativ einsetzen (also //keinen// AcI!):\\ 
-Ich befehle das Haus zu bauen (von wem auch immer).\\ 
-So ein Infinitiv mit Objekt ist auch dem Lateinischen nicht unbekannt. Aber im Gegensatz zum deutschen „ich befehle“ kann „iubeo“ grundsätzlich mit AcI auftreten – und dann hätten lateinisch Sprechende eventuell das Problem, entscheiden zu sollen, ob der vorgefundene Akkusativ nun der Subjekts-Akkusativ eines AcI ist oder der Objekts-Akkusativ zu einem Infinitiv.\\ 
-Daher gilt als Regel:\\ 
-1. Grundsätzlich muss der Akkusativ eines AcI explizit genannt werden.\\ 
-2. Wenn er nicht genannt werden soll oder kann, dann wird ein AcI mit Infinitiv im Passiv verwendet – der ist aus den genannten Gründen eindeutig (was der Infinitiv Aktiv mit Objekt nicht ist). Die Rolle des Subjekts-Akkusativs übernimmt ja dann der ehemalige Objekts-Akkusativ.\\ 
-Die lateinische Form obigen Satzes lautet also:\\ 
-iubeo domum aedificari - ich befehle, dass das Haus gebaut wird\\ 
-Ein bekanntes Beispiel dafür, was sonst passieren kann, ist der Orakelspruch\\ 
-Aio te Romanos vincere posse. – Ich bekräftige, dass … (na, was?) \\ 
-Man vergleiche mit \\ 
-Aio Romanos a te vinci posse – was das Orakel wohlweislich nicht gesagt hat...  
- 
-===== Übereinstimmendes Subjekt ===== 
- 
-Ein AcI vertritt zwar inhaltlich oft einen Nebensatz, aber er ist tatsächlich direktes Objekt eines Verbs und gehört zum gleichen Satz wie dieses. Wenn nun das Subjekt dieses Satzes und der Subjekts-Akkusativ die gleiche Person oder Sache beschreibt, dann muss der AcI rückbezüglich konstruiert werden.\\ 
-Auch sonst steht im AcI bei Bezug auf das übergeordnete Subjekt suus und nicht eius: 
-videt __se__ in __sua__ re impediri – Er(sie) sieht __sich__ in __seiner(ihrer)__ Angelegenheit behindert.\\ 
-Das trifft nicht für die deutsche Übersetzung zu, wenn der AcI in einen Nebensatz aufgelöst wird:\\ 
-Er(sie,es) sieht, dass __er(sie)__ in seiner(ihrer) Angelegenheit behindert wird.\\ 
-Also, was bedeutet  „Felix narrat Gaium semper secum esse” ?\\ 
-Felx erzählt, Gaius sei immer bei __ihm__.\\ 
-„se“ ist Felix (das Satzsubjekt), nicht Gaius! 
- 
-===== Zeitenfolge ===== 
- 
-Bekanntlich hat das Lateinische den Infinitiv in den Zeiten Infinitiv Praesens, Infinitiv Perfekt und Infinitiv Futur zu Verfügung. Beim Einsatz in einem AcI drücken diese drei Zeitstufen immer die Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit und Nachzeitigkeit aus, also ob die Handlung des AcI während, vor oder nach der Handlung des Grundverbs abläuft – und zwar unabhängig davon, in welcher Zeitstufe dieses steht:\\ 
-scio te appropinquare – ich weiß, dass du (gerade) kommst\\ 
-sciebam te appropinquare – ich wusste, dass du kamst\\ 
-scio te appropinquavisse – ich weiß, dass du kamst (gekommen bist)\\ 
-sciebam te appropinquavisse – ich wusste, dass du gekommen warst\\ 
-scio te appropinquaturum esse – ich weiß, dass du kommen wirst\\ 
-usw.\\ 
-Das Ganze geht natürlich auch mit Infinitiv Präsens/Perfekt/Futur //Passiv//. Man kann allerdings Jahrzehnte lang Latein treiben, bevor einem ein Infinitiv Futur Passiv in freier Wildbahn begegnet!\\ 
-spero litteras missum iri -  ich hoffe, dass der Brief zugestellt werden wird\\ 
-Wieso „missum“ nicht nach „litteras“ gebeugt wird?? Weil hier nicht ein Partizip steht! Der Infinitiv Futur Passiv besteht aus iri „gegangen werden“ und dem //ersten Supinum//. Wer noch nicht weiß, was ein „Supinum“ ist – nun, hier ist jedenfalls wichtig, dass diese sehr seltene Verbform nicht gebeugt wird, sondern unverändert auf –um geht.\\ 
-Noch eine Besonderheit: Es ist möglich, in einem AcI so etwas wie einen „Infinitiv Futur II Passiv“ zu konstruieren, indem „fore“ (= futurum esse) mit dem Partizip Perfekt Passiv kombiniert wird:\\ 
-dicebant omnia parata fore – sie sagten, alles werde bereitgestellt worden sein\\ 
-Bei Deponentien hat diese Kombination natürlich die Bedeutung eines Aktivs: ...me adeptum fore „dass ich erreicht haben werde“\\ 
- 
-Und noch eins drauf: „meminisse“ (sich erinnern) ist ein Verbum mit Formen im Perfekt, aber Bedeutung im Präsens. Gretchenfrage an meminisse: „Sag’, wie hältst du’s mit dem tempus?“ „In jedem Falle Präsens, schließlich kann man mich mit „vergegenwärtigen“ übersetzen!“ Tatsächlich ist hier Inf. Perf. die ganz große Ausnahme: 
-memini te heri studere – ich erinnere mich daran, dass du gestern __gelernt hast__ 
- 
-===== Nominalerweiterungen ===== 
- 
-Ein Prädikatsnomen im AcI richtet sich nach dem Subjektsakkusativ, wie man oben an „dicebant omnia __parata__ fore“ sieht.\\ 
-Im AcI kann auch ein Prädikativum auftreten:\\ 
-lupum __vivum__ capi accipio – ich erfahre, dass der Wolf __lebendig__ gefangen wird\\ 
-Schließlich stehen auch Adjektivattribute, Appositionen usw. zum Subjekts-Akkusativ natürlich ebenfalls im Akkusativ:\\ 
-rem __publicam__ conservatam esse iuro – ich schwöre, dass der Staat bewahrt wird\\ 
-Hier gibt es einen Spezialfall: Der Akkusativ wirkt auch noch auf Nomina, mit denen der Begriff im Subjekts-Akkusativ verglichen wird (mit quod, quam oder dergleichen):\\ 
-rem publicam cariorem quam __te ipsum__ tibi esse spero – ich hoffe, der Staat ist dir wichtiger als __du selbst__\\ 
-te idem quod __me__ videre puto – ich glaube, du siehst dasselbe wie __ich__ 
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-===== AcI mit esse ===== 
- 
-Wir hatten schon Beispiele mit esse (fuisse, fore) als Infinitiv im AcI.  Wenn esse Copula ist (also nur Bestandteil eines Inf. Perfekt Passiv oder Inf. Futur Aktiv ist oder bei Gerundivum steht), fällt es gelegentlich aus:\\ 
-scelus ulciscendum puto – ich glaube, das Verbrechen muss gerächt werden\\ 
-me iturum aio – ich betone, dass ich gehen werde 
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-===== AcI im Fragesatz, im Relativsatz ===== 
- 
-Ein lateinischer AcI kann Teil eines Fragesatzes sein, auch mit einem Fragepronomen als Akkusativ, und auch im Relativsatz auftauchen. Solche Strukturen sind im Deutschen schwer nachzubilden:\\ 
-quem id ignorare putas? –  Wer, glaubst du, weiß das nicht?\\ 
-ubi naves esse sperat? – Wo, hofft er, sind die Schiffe? oder Er hofft, die Schiffe seien wo?\\ 
-nonne te emere coegit? – Hat er dich etwa nicht zu kaufen veranlasst?\\ 
-ad flumen Nilum veni, quod esse in Aegypto demonstratum est – Ich kam zum Fluss Nil, („der in Aegypten zu sein gezeigt wurde“), von dem gezeigt wurde, dass er in Aegypten liegt.\\ 
- 
-===== AcI nicht als Objekt ===== 
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-In praktisch allen bisher vorgestellten Beispielen war der AcI direktes Objekt eines gewissen Verbums. Nun vergleiche man\\ 
-rem publicam conservatam esse spero – ich hoffe, dass der Staat bewahrt wird\\ 
-mit\\ 
-rem publicam conservatam esse necesse est – es ist nötig, dass der Staat bewahrt wird\\ 
-Im zweiten Fall täuscht die deutsche Übersetzung darüber hinweg, dass der AcI //Subjekt// zu „necesse est“ ist - //Wer oder was// ist nötig?\\ 
-Auch im Satz über den Nil am Ende des vorigen Abschnitts kann man das „quod esse“ als Subjekt zu „demonstratum est“ auffassen.\\ 
- 
-Ein kompletter AcI als Satzbestandteil kann also als Subjekt auftauchen, wenn das Prädikat des Satzes ein unpersönlicher Ausdruck ist.\\ 
- 
-Das hat zu zwei Entwicklungen geführt:\\ 
-Erstens kommt es vor, dass (in Umgangssprache oder im Affekt) das Prädikat ausgelassen wird (weil es als selbstverständlich vorausgesetzt wird). Dann haben wir einen AcI //als Satz// (nicht nur als Satzteil):\\ 
- 
-gloriam ludibrio esse! (fehlt spero oder ähnliches) – Dass der Ruhm zum Gespött werde!\\ 
- 
-An einem –ne hinter dem ersten Wort erkennt man die rhetorische Frage:\\ 
-mene desistere? – Ich soll aufhören?\\ 
-tene haec posse ferre – kannst du das etwa ertragen? oder Dass du dass ertragen kannst! 
- 
-Die zweite Entwicklung auf diesem Gebiet knüpft daran an, dass ein Akkusativ als direktes Objekt bei einem transitiven Verb ganz regelmäßig zum Subjekt wird, wenn das Verb ins Passiv gesetzt wird:\\ 
-video lupum – ich sehe den Wolf\\ 
-lupus videtur (a me) – der Wolf wird gesehen (von mir)\\ 
-Und das führt folgerichtig zum... 
- 
-===== NcI, Nominativus cum Infinitivo ===== 
- 
-Einige Verben, die bei aktiver Konstruktion mit AcI stehen, können bei passiver Konstruktion als Subjekt einen NcI, einen Nominativus cum Infinitivo, haben:\\ 
- 
-Felicem fidum esse puto – Ich halte Felix für treu (Ich glaube, dass Felix treu ist)\\ 
-Felix fidus esse putatur – Felix wird für treu gehalten\\ 
- 
-tu fida esse putaris, Caecilia – („Du wirst treu zu sein geglaubt“) Du wirst für treu gehalten, Caecilia\\ 
-Abgesehen davon, dass dies einer der seltenen Fälle ist, wo man mal im Lateinischen den Nominativ eines Personalpronomens erlebt (denn die Regel 1 von oben, „Subjekt muss explizit genannt werden“, gilt auch für den NcI), tut man sich im Deutschen hier insbesondere mit der 2. Person Passiv offensichtlich etwas schwer.\\ 
-Der Nominativ des NcI ist ja offenbar Subjekt zu beiden Verben, dem im Passiv und dem im Infinitiv. Die Konstruktion mit NcI heißt daher auch „persönliches Passiv“ – im Gegensatz zum „unpersönlichen Passiv“, dem AcI bei einem Verb im Passiv.\\ 
-Auch beim NcI kann die Copula „esse“ fortfallen: Caecilia, tu fida putaris\\ 
-Die Konkurrenz zwischen NcI und AcI geht so aus:\\ 
-NcI steht bei den Verba sentiendi, cogitandi und dicendi (des Fühlens, Denkens und Mitteilens – siehe unten) bei allen Passivformen.\\ 
-Typische Übersetzungen des persönlichen Passivs sind dabei videor – es scheint, dass ich; dicor – ich soll (angeblich)\\ 
-„mihi videor“ mit NcI bedeutet „ich bilde mir ein, traue mir zu“; „mihi videtur“ mit AcI aber „es scheint mir gut, ich beschließe“.\\ 
-videtur mit NcI Futur (gern auch ohne esse) bedeutet „es droht“ oder „es verspricht“, je nachdem, ob etwas Positives oder Negatives ausgesagt wird:\\ 
-Res publica peritura videtur – Der Staat droht unterzugehen\\ 
-NcI steht bei der 3. Person Passiv bei traditur, traduntur, fertur, feruntur.(„man überliefert, es wird überliefert“). traditum est steht aber immer mit AcI.\\ 
- 
-Auch bei den anderen Verba sentiendi und dicendi ist der NcI insbesondere bei den nicht zusammengesetzten Passivformen des Präsensstammes anzutreffen, dort ist die Trennung aber nicht so streng wie bei tradere.\\ 
- 
-Bei den Formen mit Partizip oder Gerundivum und esse, bei Konstruktionen aus Hilfsverb und Passiv („dici potest“ – man kann sagen) oder Adverb und Passiv („recte putatur“ – zu Recht wird vermutet) überwiegt AcI.\\ 
- 
-Weitere typische Verben mit NcI sind die des Veranlassens und Verhinderns - cogere (zwingen), iubere (befehlen), vetare (verbieten), prohibere (hindern) -, wenn sie im Passiv stehen. Für das Passiv von docere (lehren) tritt aber discere (lernen) mit AcI ein. 
- 
-===== Verwendungsbereiche und Übersetzungsmöglichkeiten des AcI ===== 
- 
-Ein AcI als Objekt kann auftreten bei folgenden Gruppen von Verben: 
- 
-==== Verben der Wahrnehmung (Verba sentiendi) ==== 
- 
-Verba sentiendi sind z.B. Verben wie videre (sehen), audire (hören), animadvertere (sich hinwenden, bemerken), cernere (wahrnehmen), accipere (vernehmen), comperire (erfahren) und natürlich sentire (fühlen)\\ 
-Hier haben wir die größte Palette an Übersetzungsmöglichkeiten ins Deutsche. Wir nehmen sie daher als Beispiel. Bei den anderen Verbgruppen wird genauso übersetzt, wenn das deutsche Verb die entsprechende Konstruktion zulässt. 
- 
-audio eum appropinquare\\ 
- 
-=== Übersetzung mit deutschem AcI === 
- 
-Die entsprechenden deutschen Verben gehören eventuell zu den wenigen, die auch im Deutschen einen AcI zulassen. Daher gibt es hier den seltenen Fall, einen AcI mit AcI übersetzen zu können: Ich höre ihn kommen. 
- 
-=== Übersetzung mit Verbalsubstantiv === 
- 
-Wenn die im Infinitiv wiedergegebene Handlung das Wesentliche an der Aussage enthält, wird der Infinitiv durch deutsches Akkusativobjekt wiedergegeben, der Subjekt-Akkusativ durch Attribut: Ich höre sein Kommen. 
- 
-=== Übersetzung mit eigenem Satz ohne Konjunktion === 
- 
-Der Subjekts-Akkusativ wird zum Subjekt, der Infinitiv zum Prädikat: Ich höre, er kommt. 
- 
-=== Übersetzung mit eigenem Satz mit Konjunktion === 
- 
-Ebenso, aber mit einer Konjunktion kann eventuell etwas Nebensinn verdeutlicht werden. Die „neutralste“ Konjunktion ist „dass“: Ich höre, dass er kommt. 
- 
-=== Übersetzung mit Vertauschung der Aussagen des AcI und des Grundverbums === 
- 
-Wenn das transitive Verbum „blass“ in der Bedeutung ist, kann man dieses statt des AcI im Nebensatz unterbringen: Er kommt, wie ich höre. 
- 
-=== Übersetzung mit dem Grundverbum als Verbalsubstantiv oder Adverb === 
- 
-Und auch dieser Nebensatz kann „substantiviert“ oder „adverbalisiert“ werden: Nach meinem Vernehmen kommt er.\\ 
-(Das geht bei einigen anderen Verben besser als ausgerechnet bei audio: video „sichtlich“, sentio „nach meiner Meinung“, spero „hoffentlich“, fama est „angeblich“ ...) 
- 
-=== Übersetzung mit einfachem Infinitiv === 
- 
-Der Spezialfall bei zusammenfallendem Subjekt: 
-audio me obligatum esse – Ich höre, dass ich verpflichtet bin – Ich höre verpflichtet zu sein. 
- 
-Bei Verba sentiendi kommt statt AcI auch ein Akkusativ mit Partizip Praesens vor:\\ 
-Felicem dicentem audiam – ich möchte Felix reden hören\\ 
-Felicem dicere audio – Felix redet, höre ich\\ 
-Beim Partizip liegt die Betonung bei der Wahrnehmung („möchte hören“), beim AcI eher auf der durch den Infinitiv beschriebenen Handlung („Felix redet“). 
- 
-==== Verben des Denkens und Mitteilens (Verba cogitandi und dicendi) ==== 
- 
-Das sind Verben wie z.B. cogitare (denken), scire (wissen), nescire, ignorare (nicht wissen), cognoscere (erkennen), intellegere (einsehen), credere, putare (glauben), sperare (hoffen), discere (lernen), existimare (einschätzen), confidere (vertrauen), meminisse (sich erinnern), den Deponentia oblivisci (vergessen), suspicari (vermuten), arbitrari (meinen), opinari (dafür halten)\\ 
-und dicere (sagen), negare (verneinen), respondere (antworten), contendere (behaupten), declarare (erklären), affirmare (versichern), nuntiare (verkünden), narrare (erzählen), docere (lehren), persuadere (überzeugen), simulare (vorspiegeln), tradere (überliefern), promittere (verheißen), scribere (schreiben), iurare (schwören), arguere (anklagen) und den Deponentia fateri (gestehen), profiteri (öffentlich bekennen), polliceri (versprechen), gloriari (sich rühmen), minari (drohen)\\ 
-sowie auctorem esse (berichten), certiorem facere (benachrichtigen).\\ 
- 
-Die entsprechenden deutschen Verben lassen meistens den AcI nicht zu (abgesehen von „ich lehre dich tanzen“). Möglich sind damit die übrigen der oben genannten Übersetzungsmöglichkeiten.\\ 
-Bei den Verben, die eine Verneinung enthalten, kann diese in die Aussage des AcI hinübergenommen werden, Das passiert bei negare fast immer:\\ 
-nego eum advenire – ich sage, dass er nicht kommt\\ 
-Bei den Verben, die auf eine noch nicht eingetretene Handlung hinweisen (sperare, confidere, promittere, polliceri, minari, iurare bei entsprechender Bedeutung), setzt man im Lateinischen sehr sorgfältig einen Infinitiv Futur oder einen Infinitiv, der das „noch nicht Sein“ unterstreicht (velle, posse):\\ 
-sperat amicum rediturum esse – er hofft, dass der Freund zurückkehren wird (im Deutschen oft: „...zurückkehrt“)\\ 
-Wenn ein Verbum keinen Infinitiv Futur bilden kann, z.B. paenitere, steht statt des AcI eine Konstruktion mit fore, ut:\\ 
-spero fore, ut id te paeniteat – („ich hoffe, dass sein wird, dass es dich reut“) ich hoffe, dass du das bereuen wirst\\ 
-Anmerkung: Wenn ein Verbum dicendi nicht mit AcI steht, sondern mit ut (verneint ne) und Konjunktiv, dann haben wir es nicht mit einer Aussage, sondern mit einer Aufforderung zu tun!\\ 
-dico id factum (esse) – ich sage, dass das geschehen ist\\ 
-dico, ut id facias – ich sage, dass du das tun mögest. 
- 
-==== Verben des Affekts (verba affectus) ==== 
- 
-Das sind Verben (viele davon Deponentien oder Semideponentien) wie gaudere, laetari (sich freuen), delectari (sich erfreuen an), mirari (sich wundern), lugere (trauern), dolere (Schmerz empfinden), gemere (klagen), queri (sich beklagen), indignari (unwillig sein), angi (sich ängstigen) und aegre (moleste, graviter) ferre (ungehalten sein).\\ 
-Bei ihnen steht der AcI in Konkurrenz zu einem Nebensatz mit quod und Indikativ:\\ 
-gaudeo te advenire – ich freue mich, dass du kommst (einfache Tatsache)\\ 
-gaudeo, quod advenis – ich freue mich, weil du gekommen bist (Grund)\\ 
-In seltenen Fällen ist für den Sinn wichtig, dass die Aussage mit quod das tatsächlich eingetroffene Faktum beschreibt, der AcI aber eher den Sachverhalt:\\ 
-quod victis parcis laetor – dass du die Besiegten schonst, freut mich (= ist eine erfreuliche Handlung)\\ 
-te victis parcere laetor – dass du die Besiegten schonst, freut mich (= ist eine erfreuliche Haltung) 
- 
-==== Verben des Wollens (Verba volendi) ==== 
- 
-Das sind die Verben iubere (befehlen), vetare (verbieten), sinere (zulassen), pati (dulden). Sie sind besonders häufig Kandidaten für einen AcI mit Inf. Pass., weil das Subjekt nicht genannt werden soll:\\ 
-iubeo pontem rescindi – ich befehle, die Brücke abzureißen (= dass die Brücke abgerissen wird).\\ 
-In diese Gruppe gehören auch velle (wollen), nolle (nicht wollen), malle (lieber wollen), cupere (begehren). Sie stehen mit AcI, wenn es einen eigenen Subjekts-Akkusativ gibt oder wenn zwar die beiden Subjekte zusammenfallen, aber entweder der Subjekts-Akkusativ betont werden soll, von ihm ein Prädikatsnomen abhängig ist oder der Satz mit Inf. Passiv konstruiert wird:\\ 
-Caesar hieme Romae esse voluit – Caesar wollte im Winter in Rom sein (kein AcI, da gemeinsames Subjekt)\\ 
-Caesar Germanos Rhenum transire noluit - Caesar wollte nicht, dass die Germanen den Rhein überqueren (AcI bei verschiedenem Subjekt)\\ 
-__me__ a te amari volo neque eum – Ich will von dir geliebt werden, aber nicht er (AcI bei betontem gemeinsamem Subjekt)\\ 
-me sapientem esse volo – ich will weise sein (AcI trotz gemeinsamem Subjekt zur Befestigung von „sapientem“)\\ 
-Andere Verben wie studere (sich bemühen) können bei nicht zusammenfallendem Subjekt gelegentlich mit AcI stehen, tun dies aber nicht regelmäßig. 
- 
-==== Unpersönliche Ausdrücke ==== 
- 
-Bei unpersönlichen Ausdrücken, insbesondere solchen, die eine Feststellung treffen, steht der AcI. Wie schon betont wurde, ist der AcI hier in vielen Fällen eher Subjekt als Objekt.\\ 
-Solche Ausdrücke sind 
-| constat | es ist bekannt | apparet | es ist offensichlich | 
-| perspicuum est | es ist deutlich | manifestum est | es liegt auf der Hand | 
-| verisimile est |es ist wahrscheinlich | apertum est | es ist offenbar | 
-| opinio est | es besteht die Meinung | spes est | es besteht die Hoffnung | 
-| proverbium est | es besteht das Sprichwort | me fugit | es entgeht mir | 
-| me fallit | „es ist mir versagt (zu wissen)“ – ich weiß nicht ||| 
-| me praeterit | „es hat mich gemieden“ - es ist mir unbekannt ||| 
-| fama est | es geht das Gerücht | fas, nefas est | es ist Recht, Unrecht | 
-| iustum est | es ist gerecht | credibile est | es ist glaubhaft | 
-| mirum est  | es ist verwunderlich | || 
-Bei weiteren unpersönlichen Ausdrücken steht der AcI, wenn das Subjekt genannt werden soll, sonst der bloße Infinitiv. Das betrifft 
-| piget me | mich verdrießt | pudet me | ich schäme mich | 
-| interest | es ist wichtig | refert | es ist wichtig | 
-| opus est | es ist nötig | necesse est | es ist erforderlich | 
-| oportet | es gehört sich | libet | es beliebt | 
-| decet, dedecet | es geziemt sich (nicht) | mihi placet | ich beschließe | 
-| mihi videtur | es scheint mir (...gut) | iuvat | es hilft, es erfreut | 
-| prodest | es nützt | expedit | es ist vorteilhaft | 
-| conducit | es kommt zupass | praestat | es ist besser | 
-| facile est | es ist leicht | tempus est | es ist Zeit | 
-| mos est | es ist Sitte | operae pretium est | es lohnt sich (ist der Mühe wert) | 
-| stultum, sapientis, laus, scelus est || es ist dumm, klug, löblich, ein Verbrechen || 
-| turpe, indignum, par, utile est || es ist schändlich, empörend, angemessen, nützlich || 
-| non ferendum est | es ist unerträglich | aequum est | es ist billig (= gerecht) | 
-| fas, nefas putatur || es gilt als Recht, Unrecht || 
-| fas, nefas habetur || es wird für Recht, Unrecht gehalten || 
-| consentaneum est | es ist natürlich | || 
-und andere „est“, „habetur“, „putatur“ mit Prädikatsnomen 
- 
-stultum est pugnare – es ist dumm zu kämpfen (einfacher Infinitiv)\\ 
-stultum est Felicem pugnare – es ist dumm, dass Felix kämpft (AcI) 
- 
-Bei oportet und necesse est steht gelegentlich statt AcI ein einfacher Konjunktiv:\\ 
-vis dominetur necesse est, si... – Die Gewalt gewänne notwendig die Oberhand, wenn... 
- 
-===== AcI versus einfacher Infinitiv ===== 
- 
-Einige Verben haben mit AcI eine etwas andere Bedeutung als mit einfachem Infinitiv:\\ 
-^ Verb ^ mit Infinitiv ^ mit AcI ^ 
-| contendere | versuchen | behaupten | 
-| cogitare | gedenken, vorhaben | meinen, glauben | 
-| statuere, constituere, decernere | beschließen | feststellen | 
-| scire | verstehen (= können) | wissen | 
- 
-===== Schlusswort ===== 
- 
-Alle diese Regeln gelten für "Standardlatein". In poetischer Sprache wird mitunter abgewichen. Auch in der gesprochenen Alltagssprache wird oft vereinfacht konstruiert. Und dann gibt es noch Sondersprachen wie z.B. Militärlatein - dort wird der Subjektsakkusativ gern fortgelassen:\\ 
-imperator iussit tubas canere - Der Feldherr befahl "Trompeten blasen"\\ 
- 
-Der AcI ist also immer für eine Überraschung gut! 
- 
  
der_accusativus_cum_infinitivo.txt · Zuletzt geändert: 2020/12/08 19:49 (Externe Bearbeitung)