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ortsbezeichnungen

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Lateinische Ortsbezeichnungen

In Kirchenbüchern, Heiligenkalendern und ähnlichen Texten kommen – oft abgekürzt – Ortsnamen in lateinischer Form vor. Bei der Deutung soll dieser Beitrag helfen.

Hauptbestandteil ist eine Liste, in der von einigen Orten die wichtigsten grammatischen Formen verzeichnet sind, nämlich
Nominativ: Tusculum Frascati
Genetiv: Tusculi des Frascati
Ablativ: Tusculo für Formeln wie „ex, de, in Tusculo“: „aus, von, in Frascati“
(Der lateinische Lokativ (auf die Frage „wo?“) wird nicht extra wiedergegeben, soweit er äußerlich dem Genetiv oder Ablativ gleicht.)

Die vierte Form ist die moderne Ortsbezeichnung. (Orte, von denen die Lage und damit die moderne Ortsbezeichnung unbekannt ist, sind meist nicht in die Liste aufgenommen worden.)

Als fünftes stehen die Adjektive (Eigenschaftswörter)
Wenn nichts anderes angegeben wurde, beugen Adjektive auf –us dann
Tusculus oder Tusculanus - frascatisch, der Frascatiner (Nominativ)
Tusculi oder Tusculani - des frascatischen, des Frascatiners (Genetiv)
Tuscula (Tusculana) - frascatisch (weiblich), die Frascatinerin (Nominativ)
Tusculæ (Tusculanæ) - der frascatischen, der Frascatinerin (Genetiv)

Bei Adjektiven nicht auf –us ist ein Kürzel für die Endung des Genetivs angegeben. Hier lauten die männlichen und weiblichen Formen regelmäßg gleich:
„Tusculanensis,-is“ steht dann für
Tusculanensis - frascatisch, der (die) Frascatiner(in)
Tusculanensis - des, der frascatischen, des Frascatiners, der Frascatinerin,

oder mit einem anderen Typ des Nominativs
„Aquinas,-atis“:
Aquinas - der (die) Aquinat(in) (aus Aquino),
Aquinatis - des Aquinaten, der Aquinatin

Die beiden Adjektiv-Serien auf -us und mit -is werden (wenn sie beide auftauchen) meistens gleichberechtigt verwendet. Der klassische feine Unterschied liegt allenfalls darin, dass die Form auf -us jemanden, der aus dem Ort stammt, bezeichnet („aus Frascati“); die Form mit -is eher jemanden, der dem Ort zugehört („von Frascati“):
Firminus episcopus Ambianensis: Firmin, Bischof von Amiens –
Firminus episcopus Ambianus: Firmin, Bischof aus Amiens (der Sohn des erstgenannten, in Amiens geboren).

Eine dritte Serie von Endungen tritt bei gewissen Bezeichnungen aus dem Griechischen auf:
Studita (oder Studites) - der Studite, der von Studion (dem Studios-Kloster in Byzanz),
Studitæ - des von Studion
Die Form auf -es (Studites) ist hier männlich, Studita und die übrigen Formen werden für beide Geschlechter verwendet.

Für manche Orte ist nur eine adjektivische Form belegt; entsprechend enthält die Tabelle Lücken.
Einer der Gründe hierfür ist, dass klassisch Völker (Stämme) mit Adjektiven bezeichnet werden, damit dann auch Landschaften und Hauptsiedlungen. „Arverni“ ist eine Volksgruppe; die von ihnen besiedelte Gegend ist „ad Arvernos“ (bei den Arvernern) oder „in Arvernis“ (in der Auvergne - man beachte den Übergang vom Volk zur Landschaft). Ihre Hauptsiedlung heißt dann auch „Arverni“ („die Arverner“, heute Clermont-Ferrand) oder „civitas Arvernorum“ („Bürgerschaft der Arverner“ - ein politischer Begriff) oder „oppidum / urbs Arvernorum“ („Stadt der Arverner“ - eine eher geographische Bezeichnung). So kommt es übrigens, dass viele Orte Bezeichnungen tragen, die grammatisch Mehrzahlformen sind! Auch im Wilden Westen ritt man als Weißer zu „den Apatschen“ und bezeichnete ihr Lager als „die Apatschen“ und nicht mit dem einheimischen Eigennamen.

Tatsächlich ist die Arbeit mit Adjektiven manchmal sehr spitzfindig, weil feinste Bedeutungstönungen möglich sind. Prinzipiell wäre ja bildbar (nicht alle Formen von jedem Ort belegt!):
Arverni, Arvernorum - die Arverner, davon
Arverni, Arvernorum - „die Arverner“, also Clermont-Ferrand, und
Arverni, Arvernorum - „die Arverner“, also die (Einwohner der) Auvergne. Daher
Arvernus - arvernisch, bei Personen „der aus Clermont-Ferrand“. Davon
Arvernum, Arverni - als Einzahl „das Arvernische“*): die Auvergne als Gegend.
(Als „Land“ hätte sie eine weibliche Form gehabt:
Arvernia, Arverniæ - „Arvernia“, Land (Fürstentum …) Auvergne)
Arvernanus - arvernisch, der Avernane, Auvergner oder
Arvernas, Arvernatis - der Auvergner oder
Arvernatus - in der Auvergne geboren, der Arvernat, oder noch pathetischer
Arvernigenus - aus der Auvergne stammend, davon das Substantiv
Arvernigena, -æ - (so auch männlich!) der Auvergnestämmige - im Gegensatz zu
Arverniensis, -is - zu Clermont-Ferrand oder zur Auvergne gehörend (nicht „geboren in“) oder
Arverninus - arverninisch, der Averniner, oder
Arvernicola, -æ - (so auch männlich!) in der Auvergne wohnend, Einwohner von…
usw.
*) wie Wandergesellen zu sagen pflegte: „Und dann machte ich über die Grenze ins Arvernische hinüber.“

Solche adjektivischen Bezeichnungen werden aber als Eigenname des Ortes in der Tabelle nur geführt, wenn die Bezeichnung für den Ort selbst (und nicht nur für seine Einwohner) belegt ist.

Da manche Orden und Kongregationen nach ihrem Gründungsort benannt sind (Kamaldulenser, Karnotenser, Zisterzienser, Kluniazenser, Grammotenser, Praemonstratenser, Salesianer, Theatiner, Vallombrosaner…) kann übrigens hier die adjektivische Form bei einer Person auch nur die Ordenszugehörigkeit meinen!

Andere Orte haben Bezeichnungen, die nicht gebeugt werden können: Ad Flexum („An der Biegung“). Klassisch wird notfalls mit einem Hilfswort gebeugt: oppidi Ad Flexum („der Ortschaft An der Biegung“), ex oppido Ad Flexum („aus der Ortschaft An der Biegung“) oder dergleichen.

Bei alledem ist zu beachten, dass viele Orte im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Namen führten: Byzantion (Byzanz), Konstantinopel, Istanbul (Stambul)… Bei einer mittelalterlichen Latinisierung kann man daher nie wissen, ob der Autor seine klassische Bildung bewies - episcopus Lutetiæ - oder vom ihm gegenwärtigen Namen ausging - episcopus Parisiensis (Parisiacus) für einen Pariser Bischof. Daher enthält die Liste neben mittelalterlichen auch antike Namen (und eventuell auch bei dem „modernen“ Namen nicht nur den aktuellen); es wurde nicht zwischen „echten“ antiken Namen und solchen, bei den ein fremdsprachiges Wort latinisiert wurde, unterschieden.
„Moderne“ Städte (mit Gründungszeiten lange nach der Antike) können ja keinen antiken lateinischen Namen führen und - wichtiger - manche Bezeichnungen wurden im Mittelalter wörtlich übersetzt: Regiomontanus „aus Königsberg“, manche erhielten nur lateinische Endungen: Bremensis „von Bremen“, bei manchen griff beides: Salisburgensis „von Salzburg“. In der katholischen Kirche ist es seit gewisser Zeit üblich, Ortsbezeichnungen bei Bedarf möglichst wenig zu verändern und nur eine Endung anzubringen. An sich bildet man so Adjektive, aber weil in der entsprechenden Beugung Nominativ und Genetiv gleich lauten, gibt es einen fließenden Übergang von Lincolniensis „des Lincolnischen“ in Formeln wie episcopatus Lincolniensis „Bistum von Lincoln“ über den Nominativ Lincolniensis „die Lincolnische (Stadt)“ - und dann bedeutet durch Weglassen des Bezugsworts Lincolniensis einfach „Lincoln“.

Die üblichen Variationen in der mittellateinischen Rechtschreibung (i-y-j oder c-ch-h-k-z oder u-v-w oder æ-e usw.) treten als Problem hinzu.

Die Auswahl enthält themengemäß vor allem Ortschaften in Westeuropa und solche, bei denen der lateinische Namen vom modernen stark abweicht.
Einige geographische Bezeichnungen, die nicht Ortschaften benennen, stehen im Anschluss in einer zweiten Tabelle.

ortsbezeichnungen.1272921142.txt.gz · Zuletzt geändert: 2020/12/08 19:45 (Externe Bearbeitung)