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tempusgebrauch

Regeln über die Zeiten im Satz

Dieser Text beschreibt den Tempusgebrauch (die Verwendung von grammatischen Zeiten) in der deutschen Sprache.
In anderen Sprachen pflegen die Einzelheiten abzuweichen - aber wenn man den Sachverhalt verstanden hat, begreift man die Unterschiede rasch!

Im Deutschen kann die Satzaussage (das Prädikat) in verschiedenen Zeiten (Gegenwart, Vergangenheit, …) stehen. Dies dient drei verschiedenen Zwecken:

- Erstens kann ausgedrückt werden, zu welcher Zeit das beschriebene Ereignis stattfand, stattfindet oder stattfinden wird, ob also in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft. Diese Zeitangabe heißt „absolute Zeit“.

- Zweitens kann ausgedrückt werden, wie eines der beschriebenen Ereignisse sich in der Zeit zu einem anderen beschriebenen Ereignis verhält, ob also die beiden Ereignisse gleichzeitig stattfinden oder welches von beiden vor oder nach dem anderen. Diese Zeitangabe heißt „relative Zeit“.

- Drittens ist es mitunter möglich, die Umstände eines Ereignisses, ob also oft vorgekommen, dauernd, plötzlich usw., durch die Zeit auszudrücken. Diese Zeitangabe heißt „Verlauf“.

Um in den Regeln und Beispielen hierfür Klarheit zu haben, wollen wir zunächst die möglichen Zeiten bilden:

1. Gegenwart (Präsens)

In diesem Absatz stehen alle Satzaussagen im Präsens, gleichviel, ob in der Tatform: Ich laufe, du schwimmst, er hobelt, ob in der Leideform: Er wird geschlagen, ihr werdet unterrichtet, gleichviel auch, ob als Aussage: Er liest, er wird gefüttert, ob als Möglichkeit oder Wunsch: Er lese, er würde gefüttert, als Befehl: lies! Werde gegrüßt!

2. Vergangenheit (Imperfekt, Präteritum)

In diesem Absatz standen alle Satzaussagen im Imperfekt, gleichviel, ob in der Tatform: Ich lief, du schwammst, er hobelte, ob in der Leideform: Er wurde geschlagen, ihr wurdet unterrichtet.
(Formen aus dem Präsens-Absatz, die hier und später nicht übernommen worden sind, gibt es entweder nicht oder sie sind sehr unüblich.)

3. Zukunft (Futur, Futur I)

In diesem Absatz werden alle Satzaussagen im Futur stehen, gleichviel, ob in der Tatform: Ich werde laufen, du wirst schwimmen, er wird hobeln, ob in der Leideform: Er wird geschlagen werden, ihr werdet unterrichtet werden.

Diese drei Zeiten heißen Hauptzeiten. Sie werden vor allem im Sinne der absoluten Zeit verwendet und geben also an, ob die beschriebenen Handlungen (vom Standpunkt des Erzählers aus) jetzt stattfinden, vorbei sind, erst stattfinden werden.
Ihnen werden drei Nebenzeiten an die Seite gestellt:

4. Vollendete Gegenwart (Perfekt)

In diesem Absatz haben alle Satzaussagen im Perfekt gestanden, gleichviel, ob in der Tatform: Ich habe gelaufen, du bist geschwommen, er hat gehobelt, ob in der Leideform: Er ist geschlagen worden, ihr seid unterrichtet worden, gleichviel auch, ob als Aussage: Er hat gelesen, er ist gefüttert worden, ob als Möglichkeit oder Wunsch: Er habe gelesen, er sei gefüttert worden, als Befehl: Habe gelesen! Sei gegrüßt!
(Wann „haben“ und wann „sein“ verwendet wird, richtet sich nach der Bedeutung - siehe unten in der Übung!)

5. Vollendete Vergangenheit (Plusquamperfekt)

In diesem Absatz hatten alle Satzaussagen im Plusquamperfekt gestanden, gleichviel, ob in der Tatform: Ich hatte gelaufen, du warst geschwommen, er hatte gehobelt, ob in der Leideform: Er war geschlagen worden, ihr wart unterrichtet worden, gleichviel auch, ob als Aussage: Er hatte gelesen, er war gefüttert worden, ob als Möglichkeit oder Wunsch: Er hätte gelesen, er wäre gefüttert worden.

6. Vollendete Zukunft (Futur II, Futurum exactum)

In diesem Absatz werden alle Satzaussagen im Futur II gestanden haben, gleichviel, ob in der Tatform: Ich werde gelaufen haben, du wirst geschwommen sein, er wird gehobelt haben, ob in der Leideform: Er wird geschlagen worden sein, ihr werdet unterrichtet worden sein.

Diese drei Nebenzeiten werden vor allem im Sinne der relativen Zeit eingesetzt, um klarzumachen, wie das Zeitverhältnis der Ereignisse in Ober- und Untersatz ist.

Steht beispielsweise ein Obersatz im Imperfekt, so stellt man eine gleichzeitige Handlung auch ins Imperfekt: Als es neun Uhr war, kam er.

Eine zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossene Handlung („vorzeitige Handlung“) steht aber im Plusquamperfekt: Nachdem er aufgegessen hatte, kam er.

Dieses Zusammenspiel der Zeiten in Ober- und Untersatz wird „Zeitenfolge“ genannt.

Seit einiger Zeit macht sich vor allem in der Umgangssprache ein Hang zur Vereinfachung bemerkbar: Das Futur I wird selten benutzt (und meistens durch das Präsens ersetzt), das Futur II noch weniger (dafür Perfekt), auch die Möglichkeitsformen und die komplizierteren Leideformen treten nur noch selten auf. Diese „Vereinfachungen“ sorgen aber leider dafür, dass die Regeln zum Gebrauch der Zeiten komplizierter werden, weil sie ja eigentlich Ausnahmen darstellen.

Außerdem müssen wir noch auf den „Verlauf“ der Zeiten eingehen. Deswegen gehen wir die Möglichkeiten nacheinander durch:

a) Obersatz in der Gegenwart

Die Handlung spielt sich jetzt, also in der Gegenwart ab. Gleichzeitige Handlungen stehen auch im Präsens, vorzeitige im Perfekt, nachzeitige im Futur:

Ich esse gerade. Gegenwart
Ich esse, während ich fernsehe. Gleichzeitigkeit
Ich esse, nachdem ich das Brot geholt habe. Vorzeitigkeit
Ich esse, bevor ich den Teller wegstellen werde. Nachzeitigkeit

(Ich esse, bevor ich den Teller wegstelle - leider schon übliches Deutsch!)

Verlauf: Das Präsens wird auch für „zeitlose“ Aussagen verwendet, also für solche, die immer oder doch für längere Zeit gelten sollen:
Die Insel Elba liegt im Mittelmeer.
Zweimal zwei ist vier.

b) Obersatz in der Vergangenheit

Hier kommt es meist auf den „Verlauf“ an: Der normale Bericht von Ereignissen und Vorgängen in der Vergangenheit wird im Imperfekt wiedergegeben. Abgeschlossene Handlungen (mit Bezug zur Gegenwart) stehen aber im Perfekt:

Schnee lag auf den Bäumen. Der Vater betrat das Haus und legte den Mantel ab.
: Ereignisse in der Vergangenheit.

Er ist nach Amerika gereist.
: Abgeschlossene Handlung (Nebenaussage zur Gegenwart: … und ist jetzt nicht da)

Er reiste nach Amerika.
: Handlung in der Vergangenheit, Abschluss ist offen (keine Nebenaussage: Es ist unbekannt oder unwichtig, ob er jetzt da ist.)

Vorvergangenheit (Plusquamperfekt) ist in Obersätzen selten. Es beschreibt Ereignisse in der Vergangenheit, die bereits abgeschlossen wurden, bevor die Haupthandlung stattfand:

Der Bauer fuhr zum Fluss.
: Ereignis in der Vergangenheit
Das Hochwasser hatte aber die Brücke weggerissen.
: Ereignis, das „damals“ bereits vorbei war.

Zeitenfolge: Steht der Obersatz in einer Vergangenheit (Perfekt, Imperfekt oder Plusquamperfekt), steht bei Vorzeitigkeit das Plusquamperfekt, bei Gleichzeitigkeit die gleiche Zeit wie im Obersatz, bei Nachzeitigkeit die nach Verlauf passende Zeit.

Ich ging nach Hause/bin nach Hause gegangen/war nach Hause gegangen, nachdem ich meinen Mantel angezogen hatte.
: Vorzeitigkeit

Sobald er ankam, öffnete er die Tür.
Sobald er angekommen ist, hat er die Tür geöffnet.
Sobald er angekommen war, hatte er die Tür geöffnet.
: Gleichzeitigkeit

Die Bürger hatten das Tor geschlossen, bevor das Heer angekommen war. Es lagerte daher davor.
: Nachzeitigkeit, aber die Nebensatzhandlung war auch schon abgeschlossen.

Die Bürger hatten das Tor geschlossen, bevor das Heer ankam. Die heranrückenden Soldaten waren daher …
: Nachzeitigkeit, die Nebensatzhandlung ist aktuelle Erzählhandlung in der Vergangenheit.

Manchmal wird eine Erzählung in der Vergangenheit begonnen, aber der Erzähler springt ins Präsens, sobald es spannend wird. So etwas sollte man Berufsschriftstellern überlassen; anderen wird lediglich vorgeworfen werden, sie würden nicht genügend Abstand zu ihrer eigenen Erzählung haben.

c) Obersatz in der Zukunft

Korrekt wäre: Obersatz im Futur

- Vorzeitigkeit im Futurum exactum, Präsens oder Perfekt, je nach Zeitverhältnis zur Gegenwart des Erzählers:
Ich werde fortgehen,
nachdem ich diese Aufgaben gemacht haben werde.
weil ich gerade in der Zeitung lese, dass …
nachdem ich gestern gelesen habe, dass …

- Gleichzeitigkeit in der gleichen Zeit wie im Obersatz:
Ich werde fortgehen, während du hierbleiben wirst.

- Nachzeitigkeit verlangt im Obersatz Futur II:
Ich werde fortgegangen sein, bevor du nach Hause gekommen sein wirst.

Üblich ist Präsens statt Futur I, Perfekt statt Futur II:
Ich gehe, nachdem ich diese Aufgaben gemacht habe.
usw.

Wörtliche Rede wird von der Zeitenfolge nicht beeinflusst! Sie gibt ja das Gesagte unverändert wieder:
Er sagt/sagte/hat gesagt/hatte gesagt/wird sagen/wird gesagt haben: „Diese Blume ist schön!“

Bilde alle sechs Zeiten (Indikativ Aktiv/Wirklichkeitsform Tatform) von „ich …(tragen)“!

Bilde die Formen im Passiv (Leideform)!

Bilde die sechs Tatformen von „verreisen“! Was ist mit den Leideformen?

Wie steht es mit „ich/er (sein)“?

Füge die richtige Form ein:

Als ich gestern Schularbeiten (machen), (klingeln) das Telephon. Ich (abheben) den Hörer, nachdem ich das Telephon unter einem Haufen von T-Shirts (hervorkramen), und (sagen):„ Wer (sein) dort?“ Es (sich melden) aber niemand. Deswegen (ich mich so ärgern), dass ich die Aufgaben nicht (fertigstellen). Das (merken) erst heute morgen und nun (mich fragen), was wohl der Lehrer (sagen), wenn er den Grund (erfahren).

Und das Ganze in der Leideform: (Außer in dieser Übung bitte niemals so ein Deutsch verwenden!)

Als gestern die Schularbeiten von mir (gemacht werden), (angerufen werden). Der Hörer (von mir abgehoben werden), nachdem das Telephon von mir unter einem Haufen von T-Shirts (hervorgekramt werden), und es (von mir gesagt werden):„Wer (verlangt werden)?“ Es (sich gemeldet werden) von niemandem. Dadurch (ich so gereizt werden), dass die Aufgaben nicht von mir (fertiggestellt werden). Das (mir mitgeteilt werden) erst heute morgen und nun (ich gefragt werden), was wohl vom Lehrer (gesagt werden), wenn ihm der Grund (mitgeteilt werden).

HIERNACH FOLGEN DIE LÖSUNGEN DER AUFGABEN!

Richtig:

Präsens ich trage ich werde getragen
Imperfekt: ich trug ich wurde getragen
Futur I: ich werde tragen ich werde getragen werden
Perfekt: ich habe getragen ich bin getragen worden
Plusquamperfekt: ich hatte getragen ich war getragen worden
Futur II: ich werde getragen haben ich werde getragen worden sein
Präsens ich verreise
Imperfekt: ich verreiste
Futur I: ich werde verreisen
Perfekt: ich bin verreist
Plusquamperfekt: ich war verreist
Futur II: ich werde verreist sein

Die Leideformen gibt es nicht, abgesehen von den unpersönlichen Formen wie „es wurde verreist“. Das ist praktisch bei allen Tätigkeitswörtern so, die die vollendeten Zeiten mit „sein“, nicht mit „haben“ bilden.
(für Fachleute: Das sind die „intransitiven Verben“! Sie können kein Direktes Objekt im Akkusativ (im 4. Fall) bei sich haben, weil sie sich auf einen selbst beziehen. (Ich schlage jemanden - ich habe geschlagen / ich gehe - ich bin gegangen)
- Leider gibt es verwirrenderweise viele Ausnahmen von dieser Grundregel, wie z.B. die Verben, die scheinbar intransitiv sind, weil ihr Objekt nicht genannt wird: Ich habe geschlafen (nämlich: einen Schlaf). Dagegen aber auch: Ich bin einen Weg gegangen (ausnahmsweise mit Objekt)! Und mit Wechsel: Ich bin geradelt/ ich habe die Etappe geradelt oder der Bedeutungswechsel von: Ich bin die ganze Strecke abgefahren (= und nicht abgelaufen, Betonung auf der Tätigkeit) / ich habe die ganze Strecke abgefahren (= und nicht nur einen Teil von ihr, Betonung auf dem Objekt)!)

Präsens ich bin er ist
Imperfekt: ich war er war
Futur I: ich werde sein er wird sein
Perfekt: ich bin gewesen er ist gewesen
Plusquamperfekt: ich war gewesen er war gewesen
Futur II: ich werde gewesen sein er wird gewesen sein

Als ich gestern Schularbeiten machte, klingelte das Telephon. Ich hob den Hörer ab, nachdem ich das Telephon unter einem Haufen von T-Shirts hervorgekramt hatte, und sagte:„ Wer ist dort?“ Es meldete sich aber niemand. Deswegen ärgerte ich mich so, dass ich die Aufgaben nicht fertigstellte/fertiggestellt habe [Perfekt möglich, weil (laut Folgesatz) ein Bezug zur Gegenwart besteht ]. Das habe ich erst heute morgen gemerkt und nun frage ich mich, was wohl der Lehrer sagen wird, wenn er den Grund erfahren haben wird. [oder Futur I, wenn Gleichzeitigkeit ausgedrückt werden soll]

Als gestern die Schularbeiten von mir gemacht wurden, wurde angerufen. Der Hörer wurde von mir abgehoben, nachdem das Telephon von mir unter einem Haufen von T-Shirts hervorgekramt worden war, und es wurde von mir gesagt: „Wer wird verlangt?“ Es wurde sich von niemandem gemeldet. Dadurch wurde ich so gereizt, dass die Aufgaben nicht von mir fertiggestellt wurden/worden sind. Das ist von mir erst heute morgen bemerkt worden und nun werde ich gefragt, was wohl vom Lehrer gesagt werden wird, wenn ihm der Grund mitgeteilt worden sein wird/mitgeteilt werden wird.

tempusgebrauch.txt · Zuletzt geändert: 2020/12/08 19:49 (Externe Bearbeitung)