Spruch („in sacco croci dormivit“) und „Zustand unbeschwerter Heiterkeit“ verweisen m.E. weniger auf die Freuden mit Safranfäden bestreuter Hochzeitsbetten, mehr auf mittelalterliche/neuzeitliche Anekdoten zur Rauschdrogenwirkung des Safrans, die durch die medizinische und botanische Literatur geistert, auch wenn Gebrauch und die Diskussion über diverse (Heil)wirkungen der Pflanze selbst bis in die Antike zurückreichen. Peter Lauremberg (1585 - 1639) schreibt beispielsweise in seinem
Apparatus plantarius -
http://books.google.de/books?id=PjRAAAAAcAAJ&pg=PA44 - im Kapitel „CROCVS“:
„De hilaritudine in pectus concitanda, a croci esu, res est apud Medicos & Botanicos celebratissima, apud quos experimento comprobatum est, drachmas circiter tres, cum vino haustas, tanta laetitia homines perfundere, ut iis contingat nimio risu exsolvi, ebriis similes reddi, saepe etiam dejici de bona mente, & ridendo aut finire vitam, aut vehementer periclitari.
Amatus Lusitanus citat ad Testimonium exemplum Mercatoris, qui plus nimio assumens, tam profuse in risum solutus est, ut fere illi prae cachinno rupta fuerint ilia. Idemque scribit se observasse
in alio sacco croci pleno indormierat. Hoc est quod
Galenus annotavit
Lib. II Med. Loc. Crocum caput opplere, & perturbare arcem rationis ...“
„Die Sache von der in der Seele hervorgerufenen Heiterkeit durch die Aufnahme von Safran ist bei Medizinern und Botanikern sehr bekannt, bei denen im Versuch bewiesen wurde, dass circa drei Drachmen Safran (= 13,5 bis 18 g) mit Wein <vermischt> getrunken die Menschen mit so großer Fröhlichkeit erfüllen, dass es diesen geschieht, dass sie in exzessives Gelächter ausbrechen, sie Betrunkenen gleich werden, oft sogar ihren Verstand verlieren und unter Gelächter entweder sterben oder in große Gefahr geraten.
Amatus Lusitanus zitiert als Beweis das Beispiel eines Händlers, der mehr als zu viel zu sich nahm und in so maßloses Lachen ausgebrochen ist, dass ihm beinahe vor schallendem Gelächter die Eingeweide zerrissen. Und er schreibt, dasselbe bei einem anderen beobachtet zu haben, der auf einem Sack voll Safran eingeschlafen war. Folgendes merkt
Galen im
Lib. II Med. Loc an: (Nämlich dass) der Safran den Kopf überflute und den Sitz der Verstandes verwirre ...“
Bei dem Arzt und Botaniker Amato Lusitano (1511 - 1568) finden sich die beiden „Fallgeschichten“ in dessen
In Dioscoridis Anazarbei de medica materia libros quinque enarrationes Lib. I Cap. De croco Ennar. XXV:
„Vidimus enim nos apud Mitinam a Campo , totius Hispaniae celeberrimum emporium, mercatorem quendam, qui cum plures Croci sarcinulas sive involucra emeret, ut in Lusitaniam portaret, multum ex illо in olla carnes iurulentas pro coena continente iniecit: qui post earum esum in tam intensum ac vehementem risum prorupit, ut non multum abfuerit, quin risu et cachinno tunc e vita discederet [...] Proinde non mirandum, si agaso quidam apud Pisaurenses, super duabus Croci sarcinulis dormiens, eadem nocte obierit, ut superioribus annis accidit, ut testantur omnes Pisaurenses ...“
„Bei Medina del Campo, Spaniens berühmtestem Handelsplatz, sah ich nämlich einen gewissen Kaufmann, der, als er mehrere Safran-Bündel oder Packungen kaufte, um sie nach Portugal zu bringen, eine Menge davon in einen Topf, der Fleisch in einer Brühe für ein Mahl enthielt, werfen: Er brach nach dem Verzehr desselben in ein so heftiges und stürmisches Lachen aus, dass nicht viel fehlte, dass er durch das schallende Gelächter aus dem Leben geschieden wäre [...] Daher ist es nicht verwunderlich, dass ein Stallknecht aus Pesaro, der über zwei Bündeln Safran schlief, noch in derselben Nacht starb, wie es vor einigen Jahren geschah, wie alle Einwohner Pesaros bezeugen ...“
Dafür, dass es sich um eine
medical legend handeln dürfte, sprechen auch kursierende Varianten der Geschichte. In des Petrus
Borelli Historiarum, et observationum medicophysicarum centuriae IV etwa, in der Mitte des 17. Jhdts. publiziert, findet sich eine solche als
Observatio XXXV in
Cent. III unter dem Titel „Mors a croci vaporibus“ (Tod durch Ausdünstungen des Safrans) abgedruckte, in der dieses Mal ohne Quellenangabe der „famulus mercatoris
juxta magnam copiam croci decumbebat et dormiebat“ (der Diener eines Kaufmanns neben einer großen Menge Safran sich niederlegte und einschlief) und bald solche Kopfschmerzen und Herzschwäche entwickelte, „ut vitam cum morte commutarit“ (dass er das Leben mit dem Tod vertauschte).
Mit anderen Worten : die Bedeutung von „dormivit in sacco croci“ geht in dieser Perspektive in Richtung „jmd. verhält sich sehr ausgelassen/verrückt/übergeschnappt“ Vgl. auch „Le safran contient une substance éthérée, abondante, subtile, qui, agissant fortement sur les nerfs, excite le rire, produit la gaieté, et peut même causer des accès de folie dans les personnes qui en respirent trop longtemps le parfum. De cette propriété du crocus, sur laquelle la médecine moderne s’accorde sans réserve avec l’ancienne, est dérivé le proverbe:
Croco stultus non eget (le fou n’a que faire du safran), et l’expression :
crocum edisse (avoir mangé du safran)“
„Safran enthält eine flüchtige Substanz, ausgiebig und subtil, die, sehr stark die Nerven anregend, Lachen auslöst, Heiterkeit hervorbringt und auch Anfälle von Wahnsinn bei Personen verursacht, die dessen Duft zu lange einatmen. Von dieser Eigenschaft des Safrans, über die moderne und alte Medizin sich ohne Vorbehalt einig sind, rühren das Sprichwort:
Croco stultus non eget (Der Narr/Dummkopf braucht keinen Safran) und der Ausdruck
crocum edisse (Safran gegessen haben) her.“ ((Alfred Canel: Recherches historiques sur les Fous des Rois de France, sur l’emploi du Fou ...)
„Croco stultus non eget“ dürfte als Redewendung in der frz. Volkssprache des Mittelalters aufgekommen sein:
Caroli Bouilli samarobrini Prouerbiorum vulgarium: libri tres -
http://books.google.at/books?id=Ygw8AAAAcAAJ&pg=PT245: „Croco stultus non eget. (Le fol na que faire de saffren). Croco permagna vis adest cordis
dilatandi.cordis autem dilatatio risum gignit. At qui stulti: maxime omnium rident. Et caeteris a risu suo oblectationi esse
solent.Non igitur stulti vt rideant croco egent ...“ - „Der Narr/Dummkopf braucht keinen Safran. (Le fol na que faire de saffren) Der Safran besitzt eine sehr große herzerweiternde Kraft. Die Erweiterung des Herzens aber bringt Lachen hervor. Die Narren jedoch lachen von allen am meisten. Und die Übrigen pflegen sie durch ihr Gelächter zu ergötzen. Daher brauchen die Narren, um zu lachen, den Safran nicht ...“ Das bedeutet in diesem Fall wohl auch, dass der Narr, der andere zum Lachen bringt, keinen Safran dafür benötigt - sein Lachen wirkt ansteckend.
Für „crocum edisse/edit“ bzw. die bei Einnahme entsprechender Dosen hervorgerufenen Lachanfälle nennt
Adagiorum Medicinalium Centuria : Quam Recensuit Variisque Animadversionibus Illustravit Jo. Jac. Baierus Philos. Et Med. D. Huiusque Primarius In Acad. Altorf. Professor -
http://books.google.de/books?id=U3dVAAAAcAAJ&pg=PA89#v=onepage&q&f=false - als ältere Quelle Simeon Seth(i), einen byzantischen Autor des 11. Jhdts. -
https://archive.org/stream/simeonissethisy05sethgoog#page/n70/mode/2up
Im Österreichischen existiert übrigens eine Art Pendant: „narrische Schwammerln gegessen haben.“