kann mir vllt jmd sagen, ob man den Spruch sinngemäß als „Zu leben, heißt zu kämpfen“ übersetzen kann oder sollte man da eine andere Formulierung wählen??
entilmonterus am 11.11.13 um 17:45 Uhr (Zitieren) I
Militare heißt Kriegsdienst leisten, i.e. als Soldat arbeiten, in den Krieg ziehen, „fürs Vaterland sterben“, etc. (ich hoffe mal nicht, dass du das als deinen Lebensinhalt siehst).
Wenn du allerdings das tägliche Ringen mit den Schwierigkeiten des Lebens meinst, wäre vermutlich „certare“ besser (oder, wenn’s echt mühselig ist, vielleicht sogar (de)luctari).
„Vivere militare est.“ (deutsch: „Zu leben heißt zu kämpfen.“) - nach Seneca, Moralische Briefe an Lucilius, XVI, XCVI, 5
Re: „Vivere militare est“ Übersetzung
entilmonterus am 11.11.13 um 21:24 Uhr (Zitieren) I
Na, die Worte der großen Väter will ich ja dann doch nicht in Frage stellen. Vor allem dann nicht, wenn sie schon längst zum Zitat geworden sind (und aus den Epistulae morales, die sind ja teilweise echt witzig zu lesen, speziell was Seneca zu den Saturnalien schreibt.) Ich fand’s nur irgendwie komisch.
Meinte Seneca nun mit „militare“ Kriegsdienst zu leisten oder das Kämpfen an sich?
Re: „Vivere militare est“ Übersetzung
entilmonterus am 11.11.13 um 21:24 Uhr (Zitieren) II
...aus den Epistulae morales stammen...
Wieder mal schneller gedacht als geschrieben.
Auch unser „täglicher Kampf im Alltag“ stammt doch metaphorisch aus dem Kriegsdienst. So auch bei Seneca.
Wir sind die Soldaten. Die Aufgaben sind die Feinde. Der Alltag das Schlachfeld. Und die Munition - ja die könnte bspw. Geduld, Mut, Tatenkraft etc. sein.
Naja, „zu leben heißt zu kämpfen“ und „zu leben heißt Krieg zu führen“ sind ja schon zwei unterschiedliche Dinge, oder täusch ich mich da?
Krieg ist schließlich der Zwist, in dem beide Seiten für die gute Sache kämpfen, aber was ist im Leben die andere Seite, die sich ein für allemal bezwingen lassen können müsste?
Nun ja ..... Die verblasste Kriegsmetapher lässt ja gerade wegen ihrer Nichtmehrfrische die Übersetzung „kämpfen“ zu.
„Kampf“ ist sicher nicht Synonym mit „Krieg“. Also zögert man, „militare“ mit „Krieg führen“ zu uebersetzen.
Und dennoch: eine mehr oder weniger darwinistische Auffassung vom Leben als Kampf aller gegen aller mit und ohne Alliierte, das lässt sich durchaus meinen.
So erlaubt also der Kontext sicher nicht selten eine Formel wie „Leben heißt Krieg führen“.
Zum Glück sind wir aber alle zivilisierte Europäer (bei uns würde man Mitteleuropäer sagen, aber ich will etwaige Norddeutsche ja nicht ausgrenzen) und müssen nur mit sogenannten „First-World-Problems“ kämpfen und nicht mehr den darwinistischen Krieg ums Überleben führen.
Hm, geht es jetzt um eine sittliche Uebersetzung, orientiert am ethischen Sollzustand mitteleuropäischer Provenienz , oder um Senecas römischen Hintergrund oder gar darum, dass auch ein Mitteleuropäer und ueberhaupt ein Zivilisierter den Satz ohne „Krieg“ zu formulieren hat, obwohl der Lateiner nicht von „pugnare“' sondern von „militare“ spricht? :-)
Durchaus vorstellbar, dass im Imperium Romanum das Leben mit dem Kriegführen gleichzusetzen war. Da drängt sich mir nun die Frage nach dem Kontext des Gesagten auf, und ebendiese habe ich ja bereits schon einmal gestellt.
Meinte Seneca nun, dass das Leben ein ständiger Kampf sei oder dass man, wenn man leben will, nun auch mal Krieg zu führen/Kriegsdienst zu leisten hätte?
Vermutlich ist dir der Kontext der Passage im Lucilius-Brief 96 bekannt. Und dass das Metaphorik ist.
Und dass Fußballer, den Ball ins Tor schießen oder das Mittelfeld verteidigen oder kämpfen bis zum Umfallen oder Fussball nicht nur in exotischen Gegenden und anderen Zeiten als Krieg mit anderen Mitteln verstanden und modelliert wird, das belegt, wie auch unser Sprachgebrauch kriegerische Metaphorik treibt, man mag es nun bedauern oder nicht.
Die Metapher ist bei Seneca etwas breiter angelegt und auf die soldatische Mentalität bezogen. Das Kämpfen selbst gerät hierbei überhaupt nicht ins Blickfeld.
Der erste Aspekt besteht im Vertrauen auf die Entscheidungskompetenz des Oberbefehlshabers, der, übertragen aufs Leben, Gott heißt (decernuntur ista, non accidunt.)
Den zweiten Aspekt bildet der Gehorsam, der beim gut konditionierten Soldaten nicht nur in einem unwilligen Sichfügen, sondern in freudiger Zustimmung besteht. (non pareo deo, sed assentior; ex animo illum, non quia necesse est, sequor.)
Als weitere Aspekte des Vergleichs werden 3. das tributum und 4. die Widrigkeiten des Feldzugs (in longa via et pulvis et lutum et pluvia) dargestellt als unausweichliche Gegebenheiten.
Es folgt als fünfter Aspekt ein Hinweis auf das soldatische Männlichkeitsideal und das dedecus, das jede Form von effeminare bedeutet.
Dieser Punkt wird im Abschluss ausgebaut in der Gegenüberstellung der fortes viri und der turturillae.