1. Der Fall
Tja, mal jenseits von gladiatorischer K(r)ampfeslust,
Sandale und Randale:
In der medizinischen Fachterminologie findet sich die Unterscheidung von
angeborenen und erworbenen Herzfehlern („congenital and acquired heart disease“). Und: Es ist richtig, dass der Terminus
Herzfehler/vitium cordis in der technischen Nomenklatur als Oberbegriff/Hypernym fungiert.
Attamen: Bei aller partiellen Verwandschaft der beiden Untertypen und ihrer Therapie: Will man den Spezialfall zum Thema etwa einer Diss. machen, so empfiehlt sich durchaus ein spezifizierendes Beiwort. Dabei hat sich medizinintern der Terminus „vitium cordis congenitum“ eingebürgert (man befrage auch unseren Medicus Noricus dazu), nicht unbedingt gängig ist ein deponensbasiertes Adjektiv wie „innatus“. Aber siehe (3).
http://tinyurl.com/jxb7tfc
2. Autopsie des Herzens
Vielleicht ist ein kalmierender Rückgriff in die Medizinhistorie von Nutzen.
Zu diesem Behufe sei verwiesen auf einen gewissen Eduard Sandifort (1742-1814). Bei der Autopsie eines Herzens - das eines zwölfjährigen toten Knaben(s?) – fällt ihm die Dicke der Herzwand auf und so meint er: „Es wird vielleicht zufällig jemand fragen, ob das Leiden angeboren oder erworben sei - quaeret forte quis, quin, an vitium hoc acquisitum, an vero congenitum, sit dicendum.“ (Der Übersetzer hat hier den quin-Satz nicht korrekt wiedergegeben)
Medicus Sandifort neigt zur Ansicht, es handle sich um eine angeborene Missbildung: „co-natum (sic!) fuisse vitium“
http://tinyurl.com/jh4wqgb
3. „innatus“ bei Cicero
Zur weiteren Kalmierung sei noch angemerkt, dass sich „innatus“ als deponensbasiertes Adjektiv in einer Dativkombination bei Cicero findet, wenn auch in einer prädikativen Verbindung mit „esse“ und ohne jedes „cordi“: „sunt ingeniis nostris semina innata virtutum“ Tusc, 3, 2 – „qui (sermo) innatus est nobis off 1, 111“.
Also keinesfalls (?) eine stark belastbare Analogie zu dem heftig kritisierten „vitium cordi innatum“.
Aber doch ein wenig hilfreich. Außerdem ein Hinweis auf
Tugendsamen in aller menschlichen Natur: Wir besitzen in unserer anthropologischen Ausstattung ethologisch-ethische Virtus-Module.
Nutzt man sie, so ist trotz des
cognaten vir in virtus ein zeitweiliger Verzicht auf Machoverhalten, Ellenbogenhau, Untergriffigkeit und juveniles Rumpelpumpel möglich. Wo Beiß-Reflexe sind, kann Reflexion werden.
4. Conclusio:
Es mögen Hinweise
- auf das Ciceronische „in-natus“ und auf eine mögliche Ellipse (scil. von esse),
- auf das Sandfortsche „congenitum“ und „co-natum“,
- der Hinweis, dass klassisch-römische Ärzte wohl nicht zwischen angeborenen und erworbenen Herzfehlern unterschieden
- und der Hinweis auf spätlateinische Modalitäten in der Terminologiesetzung
es mag all das so manchen Übersetzungsvorschlag, der da im Forum forensisch-schmähend abgeurteilt wurde, vom Vorwurf strohdummer und/oder Latinitas sprengender Ruchlosigkeit
wenn nicht zu befreien, so doch spürbar zu entlasten. „vitium cordi innatum“ ist keine frevelhafte Phrase.
Oder? Nein.
http://tinyurl.com/jldojtw
willi wamser