Wie kann ich ein Gerundium von einem Gerundivum unterscheiden? Gubt es vielleicht eine unkomplizierte Möglichkeit, wie ich mir das merken kann? Und ist bspw. der Ausdruck bellandi cupidus ein Gerundium oder Gerundivum?
Schon wieder absurde „Fehldiagnose“, die jeder Logik entbehrt.
Wie du darauf kommst, ist mir unerklärlich. Wenn du als Arzt sonst auch so oft bei Diagnosen danebenliegst, ...
Vllt. meldet sich Robert ja noch, um das zu bestätigen. Ist aber eher unwahrscheinlich.
Sich zu bedanken ist heutzutage nicht mehr so selbstverständlich, wie man auch im Forum oft sehen kann.
Den „Stecker“ würde ich auch gern kennen. Er scheint ebenfalls gewaltige Probleme mit der Logik zu haben.
Sofern Du Schüler/Student und kein alter Mann bist, kannst Du bei deinem Lehrenden damit prahlen und bemerken, dass das Gerundiv die Funktion eines Partizip Präsens/Futur Passiv vertritt.
Eine Frage habe ich noch: Das Gerundivum ist also ein VerbalADJEKTIV. Ich habe gelesen, dass „legendo“ in „Libros legendo multa utilia perfeci“ ein Gerundivum ist. Der Übersetzung nach müsste „legendo“ jedoch ein Substantiv sein (durch wen/was habe ich ... bewirkt). Wie ist das zu erklären?
Vielen Dank im Voraus!
Re: Gerundium vs. Gerundivum?
ONDIT am 30.4.16 um 15:44 Uhr, überarbeitet am 30.4.16 um 15:45 Uhr (Zitieren)
Noch eine Frage: ad effeminandos animos = Gerundivum wegen der KNG-Kongruenz von „effeminandos“ zu „animos“ oder Gerundium, da es die im Satz Funktion eines Substantivs erfüllt?
Re: Gerundium vs. Gerundivum?
gastmitkleinemg am 30.4.16 um 16:16 Uhr (Zitieren)
Muss nach Präpositionen immer ein Gerundivum stehen?
Aber in, z. B., ad librum legendum, zum Lesen des Buches ist legendum/Lesen doch ein Substantiv. Warum dann Gerundivum und nicht Gerundium?
Prinzipiell richtig, wenn ein Objekt dabei steht.
Legiones ad liberandam patriam (nicht: ad patriam liberandum). Siehe MBS § 516.
Nach Präpositionen kann natürlich ein Gerundium alleine stehen: in vivendo...oder auch durch ein Adverb ergänzt sein: in beate vivendo...MBS § 509 (1)
Das bezieht sich auf das vorliegende Beispiel „ ad effeminandos animos“.
Re: Gerundium vs. Gerundivum? Zielsprache und Startsprache
Willimox am 1.5.16 um 11:36 Uhr, überarbeitet am 22.3.19 um 14:49 Uhr (Zitieren) I
@Robert
1. Das Problemfeld
Ad librum legendum
Libros legendo
Libris legendis
Das Problem in (a) war zwar schon mal klar (siehe b) ........
aber ...
2. Durchleuchten
... aber der Sachverhalt ist nun einmal recht komplex. Da kann dann eine Erkenntnis flöten gehen/wegsacken.
Hier drei Punkte:
1. ad legendum wird in vielen Grammatiken als Gerundium bezeichnet, Das Gerundium ist ein substantivierter Infinitiv. (vgl die Freiburger Seite bei Ailourofilos).
In der Zielsprache Deutsch: zum Lesen, zur Lesung, eine Präposition+ Substantiv,
damit starke Ähnlichkeit mit der Startsprache Latein.
2. ad libros legendos zeigt im Lateinischen KNG-Kongruenz, ist also eine adjektivische nd-Form.
Im Deutschen würgt nun aber eine startsprachliche Entsprechung entsetzlich: zu den zu lesenden Büchern/für die zu lesenden Bücher .
Die Zielsprache wechselt also, um Misstöne zu vermeiden, die Wortart und erzeugt so eine Verbindung Präposition+Substantiv :
Durch das Lesen der Bücher/durch Lektüre von Büchern.
Damit liegt vor: eine sehr starke Abweichung von der Startsprache.
Und hier wird dann rückwirkend die Ursache der Fehlinterpretation deutlich:
3. Umgekehrt gilt:
Wählt man Deutsch als Startsprache und übersetzt bestimmte Phrasen (s.u., Dativ- oder Präpositions-Ausdruck,) ins Lateinische, dann
wähle im Lateinischen eine Gerundivkonstruktion.
Zum Lesen von Büchern hast du mich angetrieben.
Ad libros legendos tu me impulisti.
(3) Für Hochmotivierte
3.1 adjektivische nd-Form
Es gibt noch einen Punkt, der Konfusion erzeugt beim Lernen und Analysieren. Wir sind nun mal gewohnt, dass das Gerundiv gern eine Notwendigkeit ausdrücken, einen Zwang gar, eine Müssen-Interpretation verlangt. Plötzlich aber ist diese Müssen-Interpretation in den Hintergrund zurückgetreten in solchen Ausdrücken wie „libris legendis prudentior homo fit“.
Vielleicht ist es nützlich, eine deutsche gerundivnahe Konstruktion zu beachten:
S 1 Die bis morgen zu lesenden Bücher kann man im Apparat der Bibliothek finden.
Der Satz und der fette Satzteil (mit „zu+Infinitv+nd+Flexionsendung“)weisen auf den ersten Blick eine doppelte Interpretation auf:
Die Bücher müssen bis morgen gelesen werden, sie finden sich im Bibliotheksapparat.
Die Bücher können bis morgen gelesen werden, sie finden sich...
Allerdings macht es der Kontext (Studiumindiz, gewisser Kontrast zu kann man finden) wahrscheinlich, dass hier eine „Müssen-Aussage“ vorliegt.
Wie sieht es hier aus?
S2
Die Großbuchstaben des Beipackzettels liefern dem Senior eine (leicht) zu lesende Anweisung .
Hier tritt die Müssen-Bedeutung kontextmäßig gesteuert zurück. Die Kann-Interpretation tritt in den Vordergrund.
S3
Die derzeit nur mit Winterreifen zu befahrenden Bergstraßen sollten Wegunkundige möglichst vermeiden.
Hier sind wohl beide Interpretationen möglich:
Die Bergstraßen sollten nur mit Winterreifen befahren werden und Die Bergstraßen können nur mit Winterreifen befahren werden.
3.2 Was man sich nun für das lateinische „Äquivalent“ merken sollte:
Ein Gerundiv wie „libro legendo“ mag vielleicht eine gewisse Doppeldeutigkeit (Müssen/Können) besitzen. Aber der Lateiner setzt die Können-Interpretation primär.
Nur (oder fast nur) in einer besonderen Kombination mit esse wird die „Müssen-Interpretation“ des Gerundivs aktiviert, hier drei solcher Kombinationen, die häufigsten.
a) Libri mihi legendi sunt.
b) Libros mihi legendos esse scio.
c) Mihi legendum est. Legendum est. Pauperibus succurrendum est.
Auf eine, naja, Kurzrezeptur und Suchlauf gebracht:
nd-Forum + esse?
V (= weiter zu)
nd-Form kongruiert mit einem Nominativ oder AcI-Akkusativ?
V
Die Form von „esse“ passt zu dem Nominativ- oder Akkusativ-AcI
(a) (b): NecESSEtyp, Müssen-Übersetzung
V
Latentes „es“ als Subjekt?
V
(c) NecESSEtyp, Müssen-Übersetzung
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Restmenge:
Gerundium, deutsches Substantiv
Valete
willi wamser
Re: Gerundium vs. Gerundivum? Für Didaktikinteressierte