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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Julians Reskript über christliche Lehrer (186 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 27.12.2023 um 14:41 Uhr (Zitieren)
Julian, Brief 36 Wright / 55 Weis:

Ohne Angabe des Adressaten. Vermutlich Sendschreiben an alle Lehrer des Reiches.
Rechte Bildung besteht, so meinen wir, nicht im anspruchsvollen Ebenmaß der Satzgefüge und der Sprache, sondern in der gesunden Verfassung eines vernünftigen Denkens und in richtigen Anschauungen über Gut und Böse, Schön und Häßlich. Wer also seine Schüler anders lehrt als er denkt, scheint mir von Bildung ebensoweit entfernt zu sein wie von der Wesensart eines redlichen Mannes. Sofern die Diskrepanz zwischen Denken und Äußerungen nur Kleinigkeiten betrifft, ist das zwar auch ein Übel, aber doch noch irgendwie erträglich; lehrt aber jemand in den wesentlichsten Fragen das Gegenteil von dem, was er denkt, ist das dann etwa nicht die Handlungsweise von Krämerseelen, die am lautesten die Ware empfehlen, die sie für minderwertig halten, indem sie mit ihren Anpreisungen jene betören und ködern, an die sie, so meine ich, ihre liederliche Ware loswerden wollen?

Daher sollten alle, die Unterricht irgendwelcher Art anbieten, untadelig in ihrer Haltung sein und keine Ansichten in ihrer Seele tragen, die ihrem öffentlichen Auftreten widerstreiten; doch weit mehr als bei allen anderen sollte das bei denen zutreffen, die zur Behandlung literarischer Werke mit der Jugend zusammenkommen, als Erklärer des Schrifttums der Alten, seien sie Rhetoren, Grammatiker oder gar erst Sophisten; denn von anderen abgesehen wollen sie nicht nur Lehrer sprachlicher Stilgesetze, sondern auch sittlicher Grundsätze sein, und sie behaupten, die politische Wissenschaft sei ihr Spezialgebiet.

Ob das zutrifft oder nicht, sei hier dahingestellt; wenn ich sie aber schon für ihr Streben nach einem so schönen Beruf lobe, so könnte ich sie noch mehr loben, wenn sie nicht lügen und sich nicht selbst damit bloßstellen wollten, daß sie ihren Schülern anderes vortragen als das, was sie denken.

Wie sieht es nun damit aus? Für Homer und Hesiod und Demosthenes und Herodot und Thukydides und Isokrates und Lysias waren die Götter Führer zu jeglicher Bildung. Hielten sich nicht die einen für die Geweihten des Hermes, die anderen für die der Musen? Ein Unding ist es deshalb nach meiner Auffassung, daß die Interpreten ihrer Werke den von ihnen verehrten Göttern die Ehre verweigern. Wenn ich diesen Zustand auch für abwegig halte, so fordere ich damit keineswegs, daß diese Lehrer zunächst ihre Gesinnung ändern und erst dann die Jugend unterrichten sollen; aber ich stelle sie vor die Wahl, entweder nicht zu lehren, was sie nicht ernst nehmen, oder, wenn sie schon unterrichten wollen, zuerst durch die Tat zu lehren und so ihre Schüler zu überzeugen, daß weder Homer noch Hesiod noch sonst einer der Schriftsteller, bei denen sie bisher als ihre Interpreten Ehrfurchtslosigkeit, Torheit und Verwirrung in ihren Vor-stellungen von den Göttern angeklagt und verurteilt haben, Toren gewesen sind. Denn da sie sich von den Schriften jener Autoren durch honorierte Arbeit ernähren, geben sie zu, daß sie schmählicher Gewinnsucht frönen und für wenige Drachmen zu allem bereit sind.

Bisher gab es ja nun der Gründe viele, die heiligen Stätten zu meiden, und der allenthalben drohende Schrecken machte es verzeihlich, wenn man auch die zutreffendsten Anschauungen von den Göttern verbarg; nachdem uns jedoch die Götter die Freiheit gegeben haben, scheint es mir nicht mehr angebracht, die Menschen zu lehren, was man nicht für richtig hält. Halten sie aber die für Weise, deren Interpreten sie sind und als deren Propheten sie sozusagen thronen, dann sollten sie zuerst ihrer Ehrfurcht vor den Göttern nacheifern; nehmen sie hingegen von ihnen an, daß sie in ihrer Auffassung von den verehrungswürdigsten Wesen geirrt haben, dann sollen sie in die Kirchen der Galiläer gehen, um den Matthäus und Lukas auszulegen, deren Weisung folgend euer Gesetz die Teilnahme am Opfermahl untersagt.

Es ist mein Wille, daß sowohl euer Ohr, wie ihr euch wohl ausdrücken würdet, wiedergeboren werde als auch eure Zunge, frei von dem, woran dauernd teilzuhaben ich mir wünsche und jedem, der denkt und tut, was mir lieb und wert ist.

Somit ist für die Dozenten und Lehrer ein allgemeines Gesetz erlassen. Wer von den jungen Leuten zur Ausbildung kommen will, ist dadurch nicht ausgeschlossen. Es wäre ja weder angemessen noch sinnvoll, wollte man den Knaben, die noch nicht wissen, welche Richtung sie einschlagen sollen, den besten Weg versperren, aus Sorge, man werde auch Widerstrebende zum Väterglauben führen; berechtigt wäre es allerdings, wie die vom Verstand Gekommenen so auch diese trotz ihres Widerstrebens zu heilen, wobei man freilich allen für diese Art Erkrankung Nachsicht zubilligen muß; belehren nämlich, so meine ich, nicht bestrafen soll man die Unvernünftigen [καὶ γάρ, οἶμαι, διδάσκειν, ἀλλ‘ οὐχὶ κολάζειν χρὴ τοὺς ἀνοήτους].

(Julian, Briefe. Hrsg. v. Bertold K. Weis. München 1973, S. 176-181)

1. Der letzte Satz wird häufig zitiert.
2. Ich verstehe den Erlaß so, daß den christlichen Lehrern das Lehren der heidnischen Autoren verboten wird, nicht hingegen das der eigenen, also christlichen Schriften.
3. Christliche Schüler sind zum Studium der heidnischen Autoren zugelassen, dann aber nur (s. 2.) bei heidnischen Lehrern.
4. Mich erinnert das an die kirchliche "missio canonica", derzufolge nur approbierte Christen an den Schulen die christliche Religion lehren dürfen. Also kein Grund, sich über Julian zu empören.
 
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