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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Zur Deutung der Trajanssäule (253 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 07.01.2024 um 15:50 Uhr (Zitieren)
In der Reihe "Auftstieg und Fall großer Völker" wurde an einer Stelle behauptet, die Darstellungen auf der Trajanssäule, die Frühform einer Bildergeschichte, diene einem propagandistischen Zweck: den oft analphabetischen Bewohnern Roms die Heldentaten Trajans vor Augen zu führen.

Das klingt einleuchtend. Aber wer einmal vor dieser Säule gestanden hat (oder vo der Säule des Marc Aurel), der weiß, daß man in der oberen Häflte gar nichts erkennen kann, es sei denn, man besäße einen damals noch nicht erfundenen Feldstecher.

Vom propagandistischen Standpunkt aus wäre m.E. eine Bildwand allemal besser. Warum also eine Säule?
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Johannes schrieb am 07.01.2024 um 16:17 Uhr (Zitieren)
In der Kunst des Kaiserlichen Roms war die Säule eine schockierende Neuheit und wurde zum herausragenden Element des skulpturalen Reliefs jener Zeit. Als erste Form der römischen Kunst entstand eine völlig eigenständige künstlerische Formulierung, auch wenn sie die natürliche Fortsetzung der griechischen und etruskischen Kunst war.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
filix schrieb am 07.01.2024 um 18:20 Uhr (Zitieren)
Erstens sollte man die visuelle Strukturierungsleistung einer möglichen Bemalung nicht unterschätzen (auch wenn die einem klassizistischen Auge widerstrebt), zweitens steht und fällt die propagandistische Wirkung, die Vermittlung der Größe der Leistungen usf. doch wohl nicht mit der Erkennbarkeit von Details in 30 Metern Höhe.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Γραικύλος schrieb am 07.01.2024 um 18:27 Uhr (Zitieren)
Gut, mit Farbe 5 Meter mehr.

Vielleicht bin ich kein typischer Beobachter; doch mich haben über den Gesamteindruck hinaus die Details neugierig gemacht ... aber ich konnte nichts mehr erkennen.
Etwas so detailverliebt darzustellen, was gar nicht zu sehen ist, erscheint mir befremdlich.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Γραικύλος schrieb am 07.01.2024 um 18:29 Uhr (Zitieren)
Man denke nur an das berühmte Detail des Regenwunders auf der Säule des Marc Aurel.
Es steht ja nicht so, daß es da auf Einzelheiten nicht ankäme.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
filix schrieb am 07.01.2024 um 19:09 Uhr (Zitieren)
Wenn man z.B. die Heere farblich auseinanderhalten, bestimmte Gruppen und den Kaiser selbst an die sechzig Mal als wiederkehrende Elemente noch in den oberen, der Detailbetrachtung unzugänglichen Abschnitten identifizieren kann, dessen Leistungen sich spiralförmig himmelwärts arbeiten, bis er endlich oben noch einmal als überlebensgroße Statue steht, ist das auch eine Art Erzählung, die irgendwo zwischen Gesamteindruck und Details liegt. Ist es nicht Sache der Propaganda, mehr ahnen als im Detail wissen zu lassen?

Wie soll man sich nebenbei den vermeintlichen prototypischen Adressaten, den analphabetischen Römer, der die heute verlorenen Commentarii Trajans nie gelesen hat, vorstellen, wie das Wissen rekonstruieren, welches er in die Betrachtung einfließen lässt, vielleicht gerade dort, wo sein Auge fast versagt? Der steht ja nicht mit unserer rekonstruktiven Neugier an der Säulenbasis, die fast zweitausend Jahre überbrücken möchte, sondern mit seiner zeithistorischen Kenntnis und dem Erfahrungswissen seiner Lebenswelt, nicht zuletzt auch einer unmittelbaren Haltung zu der Macht, die ihm so ihre Größe vor Augen führen möchte.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Γραικύλος schrieb am 07.01.2024 um 19:33 Uhr (Zitieren)
Was ein Zeitgenosse dort gesehen und wie das auf ihn gewirkt hat, kann man nur erahnen.

Immerhin hat sich dieser Typus nicht durchgesetzt, sondern es ist bei zwei dieser Säulen geblieben. Bei großem Erfolg wäre das wohl nicht der Fall gewesen.

Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Marcella schrieb am 07.01.2024 um 19:54 Uhr (Zitieren)
Stand die Säule nicht im Innenhof bzw. zwischen den beiden Flügeln der heute verschwundenen Trajasbibliothek im Trajansforum? Da konnte man doch aus jedem Stockwerk auf die Säule schauen, was das Studium des Bildprogramms sicher erleichterte.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
filix schrieb am 07.01.2024 um 19:55 Uhr (Zitieren)
Ehrensäulen gab es doch einige mehr, wenngleich nicht mit so aufwändigem Reliefschmuck. Wenn der Prototyp gleich so überwältigende Ausmaße annimmt, ist der Mangel an Nachahmungen dann zwingend ein Zeichen für den Misserfolg? War das Pantheon ein solcher?
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
filix schrieb am 07.01.2024 um 20:29 Uhr (Zitieren)
In der Tat zeigen viele Rekonstruktionen sogar eine die Säule ungefähr in halber Höhe umlaufende Terrassenkonstruktion zwischen den beiden Flügeln der Bibliothek und der Basilica Ulpia, die sie mit der bekrönenden Statue überragte, also mit ihrer Spitze vom eigentlichen Forum aus zu sehen war. Der Adressat für das eingehende Studium des Bildprogramms war also nicht unbedingt der besagte Analphabet.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Γραικύλος schrieb am 08.01.2024 um 01:33 Uhr (Zitieren)
Hm. Gibt es solche Berichte (Standort in einer Bibliothek, Terrassenkonstruktion) auch für die Säule des Marc Aurel?

Das Pantheon ist wunderbar. Aber warum ist nie wieder soetwas gebaut worden? "Das Plagiat ist die Basis aller Kultur." (Pete Seeger) Daß etwas nicht fortgesetzt, nicht anderswo aufgenommen wird, sagt schon etwas, meine ich.
Das Pantheon ist ein Unikat, die beiden Säulen sind ein Duplikat. Mehr nicht.
Taten- und Ereignisberichte an der Wand gibt es hingegen vielfach.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
filix schrieb am 08.01.2024 um 12:44 Uhr (Zitieren)
Die Säule des Marc Aurel stand wohl frei in der Platzmitte, dafür zeigt sie mehr Tiefenstruktur und weniger, dramatischer gestaltete Figuren, woraus einige den Schluss ziehen, dies sei auch in Rücksicht auf den Betrachter geschehen.

Es gibt indes noch ein drittes Beispiel für den Typus in der Spätantike, das für Arcadius, Kaiser in Ostrom, in Konstantinopel auf dem nach ihm benannten Forum errichtet und erst im 18. Jahrhundert durch ein Erdbeben zerstört wurde: https://en.m.wikipedia.org/wiki/Column_of_Arcadius

Dass etwas nur erfolgreich ist, ästhetisch, repräsentativ in der Wirkung auf die Gegenwart und dem Bestreben, möglichst lange als sichtbares Zeichen in der memoria der Nachwelt sich zu behaupten, wenn es möglichst oft imitiert wird, scheint mir eine sehr zeitgenössische Betrachtungsweise. Es fiel denn auch der Neuzeit zu, Pantheon und Reliefsäulen in vielfacher Weise zu kopieren und zu variieren.
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Gast schrieb am 08.01.2024 um 13:24 Uhr (Zitieren)
als sichtbares Zeichen in der memoria der Nachwelt sich zu behaupten,


Die Frage ist mittlerweile, wielange es noch eine Nachwelt gibt.
Nach menschlichen Maßstäben sicher noch lange.
Kosmologisch gesehen hat ohnehin nichts Bestand.
Die Erde wird von der Sonne geschluckt,
sodass alle Atome auch dieser Säule aus einem weißen Zwerg,
dem Endstadium der Sonne grüßen werden,
ein Gruß in eine gähnende unendliche Leere.
Nichts ist für die Ewigkeit gedacht oder bestimmt,
auch die astra nicht, ad quae itur viro Romano praeclarissimo.

Ich frage mich immer: Was ist so toll daran, berühmt zu sein, zumal
alle Berühmtheiten ihre Schattenseiten haben. Um diese auszublenden?

PS:
Gab es in der Antike auch Paparazzi?
Re: Zur Deutung der Trajanssäule
Γραικύλος schrieb am 08.01.2024 um 16:10 Uhr (Zitieren)
Die Arcadius-Säule kannte ich nicht. Es gibt also drei solcher Monumente.

Jetzt vergleicht das einmal mit dem ähnlich propagandistisch zu verstehenden Triumphbogen.

Übrigens hatte ich das Plagiat als Prinzip der Kultur gerade auf die Frühgeschichte (Ägypten: da kommt es nicht darauf an, etwas Neues zu produzieren, sondern das Alte zu variieren) und die Antike (wieviele Kopien von Kunstwerken gab es da?) bezogen.

Auch wenn ich jetzt besser verstehe, wie diese Säulen funktioniert haben mögen, kann ich das nicht als Erfolgsmodell ansehen. Wie gesagt, schon gar nicht im Vergleich zum Triumphbogen.
 
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