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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eunuchen (276 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 08.01.2024 um 12:18 Uhr (Zitieren)
Eunuchen gibt es in verschiedenen Varianten: vor oder nach der Pubertät, Entfernung nur der Hoden oder auch des Penis. Die Folgen für Stimmbruch, Bartwuchs und Geschlechtstrieb des Kastraten sind entsprechend unterschiedlich.

Mit den beiden Begriffen hat es nichts weiter auf sich, als daß der eine aus dem Griechischen stammt (εὐνοῦχος), der andere aus dem Lateinischen (castratus).

Was die psychischen Folgen für die Betroffenen angeht, so nehme ich an, daß die meisten dem allgemein menschlichen Grundsatz gefolgt sind, das Beste aus der gegebenen Situation zu machen. An Selbstzeugnissen ist mir nur ein einziger Fall bekannt, weil es sich um einen Schriftsteller handelte: Favorinus aus dem 2. Jhdt. u.Z. Der zumindest konnte sogar darüber scherzen:
Daß es in seiner Lebensgeschichte drei Paradoxa gebe: Obwohl er ein Gallier sei, lebe er als Grieche; obwohl er ein Eunuch sei, stehe er wegen Ehebruchs vor Gericht; obwohl er sich mit seinem Kaiser gestritten habe, sei er noch am Leben.

[Philostratos: Leben der Sophisten I 8]

In manchen Kulturen war die Kastration eine verbreitete Praxis, vor allem für Sklaven, in anderen – z.B. im klassischen Griechenland und in Indien – galt sie als abscheulich. Inder, so heißt es, haben nicht einmal Tiere (Stiere zu Ochsen) kastriert. Das hatte zur Folge, daß griechische Eunuchen als Knaben selten waren und daher für Sklavenhändler und spezielle Kunden eine besonders kostbare Ware darstellten. Offenbar gab es auch darauf spezialisierte Sklavenhändler, z.B. einen gewissen Panionios:
Als ihn [Hermotimos] Feinde gefangen hatten und als Sklaven verkauften, erwarb ihn Panionios aus Chios, der durch ein recht schändliches Gewerbe seinen Lebensunterhalt verdiente. Er kaufte nämlich besonders schöne Knaben, verschnitt sie und brachte sie in Sardes und Ephesos für teures Geld auf den Markt; denn bei den Barbaren werden die Verschnittenen wegen ihrer Treue in jeder Hinsicht mehr geschätzt als wirkliche Männer. Nun hatte Panionios schon viele verschnitten, weil er davon lebte. So tat er es auch mit ihm. Hermotimos hatte noch das Glück, daß er von Sardes aus mit anderen Geschenken zum König geschickt wurde. Im Laufe der Zeit fand er bei Xerxes höheres Ansehen als alle seine anderen Eunuchen.

[Herodot: Historien VIII 105]

Dieser Fall bringt uns zu der Funktion von Eunuchen in bestimmten Gesellschaften wie der persischen und der chinesischen: Sie galten aus naheliegendem Grund als ideales Personal für den Harem. Dieser Umstand hatte zur unbeabsichtigten Folge, daß Eunuchen zu Vertrauten vornehmer Damen, insbesondere Königsfrauen, und auch deren Kindern wurden, solange diese bei ihren Müttern im Harem lebten. Einerseits waren sie auf diese Weise an vielen Intrigen um die Thronfolge – in Gesellschaften mit Vielehe immer ein sehr heikler Punkt! – beteiligt, andererseits wurden sie von Kindheit an zu Vertrauten späterer Herrscher. Die glaubten sich auch deshalb auf ihre Eunuchen verlassen zu können, weil diese keine eigenen Kinder hatten und deshalb nicht für ihren Nachwuchs agierten, sondern – so die Hoffnung – für die Interessen ihres Patrons.

Viele Eunuchen gelangten so in hohe Vertrauensstellungen ... und neigten weiterhin zu den aus Haremszeiten gewohnten Intrigen.

Wer glaubt, das Christentum habe diesem Unwesen ein Ende bereitet, befindet sich auf dem Holzweg. Während in der Zeit heidnischer römischer Kaiser Eunuchen am Hofe nur bei Herrschern von der, sagen wir, exzentrischen Art eine Rolle spielten (Nero, Elagabal), gehörten sie bei den ab dem 4. Jhdt. christlichen Kaisern zur Standardausstattung des Hofes. Selbstverständlich haben sie diese Sitte nicht aus der Bibel, sondern vom persischen Hof übernommen.

Für die christliche Kultur kam noch hinzu, daß der Apostel Paulus den Frauen in der Kirche das Schweigen befoh-len hatte: „Mulier taceat in ecclesia.“ (1. Korintherbrief 14, 34) Zwar hat er dabei sicherlich nicht an das Singen im Gottesdienst gedacht, aber die Kirche hat es auch darauf bezogen. Woher nun aber die Sopran- und Altstimmen für die feierliche Messe nehmen? Noch bis ins 19. Jhdt. hinein wurden im Kirchenstaat jährlich Hunderte von Knaben kastriert. Ich vermute stark, daß die großen Komponisten damals wußten, für wen sie die Sopran- und Altpartien in ihren Messen schrieben.

Die Gegenwart? Die Welt ist weiterhin sehr wunderlich. Es stand jetzt ein Mann vor Gericht, der im Internet Männern angeboten hat, sie zu kastrieren. Gelernt habe ich, ich daß dies als Körperverletzung auch dann strafbar ist, wenn „das Opfer“ mit der Tat einverstanden ist. Auf die Frage, warum Männer dies freiwillig mit sich machen lassen, fällt mir keine gute Antwort ein.

Neu ist allerdings auch dieses Phänomen nicht: Die Anhänger der antiken Göttin Kybele (die „Große Mutter“) haben sich rituell selbst kastriert. Auch der große christliche Theologe Origines im 3. Jhdt. hat dies getan, und zwar deshalb, weil er eine Stelle in der Bergpredigt Jesu so verstanden hatte:
Ihr habt gehört, daß [zu den Alten] gesagt worden ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. Wenn also dein rechtes Auge dir zum Ärgernis wird, so reiß es aus und wirf es von dir. Denn es ist besser für dich, eines deiner Glieder geht verloren, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.

[Matthäus 5, 29 f.]

Daß Jesus hier nicht wirklich das Auge (eines!) meint, sollte klar sein. Oder, meine Herren?

(Wolfgang Weimer)
Re: Eunuchen
Marcella schrieb am 09.01.2024 um 18:31 Uhr (Zitieren)
Die Bibelgesellschaft lässt uns wissen:

"Die Septuaginta übersetzt mit εὐνοῦχος eunouchos das hebräische Wort סָרִיס sārîs. Es bezeichnet sowohl kastrierte Männer als auch hochgestellte Beamte an königlichen Höfen (vgl. Kedar-Kopfstein, 949-950)."

Das fiel wohl auch wirklich oft in eins. Die Babylonier hielten nicht ohne Grund dafür, für hohe Posten eher solche Kandidaten zu nehmen, die keine legale Nachkommenschaft auszustatten hatten. Aus dem nämlichen Grunde setzte Kaiser Claudius Freigelassene an die Schlüsselstellen. Der katholische Zölibat begründet sich letztlich auch daraus.
Und der Oberbefehlshaber Justinians, Narses, war ja ebenfalls so beschaffen. Besonders bei Generälen halte ich dies für eine interessante Idee, über die sich noch einmal nachzudenken lohnt.
Re: Eunuchen
Γραικύλος schrieb am 10.01.2024 um 14:49 Uhr (Zitieren)
Das dürfte dem Beruf und Ansehen des Generals einen entschiedenen Dämpfer verpassen. Insofern bedenkenswert.
Re: Eunuchen
Marcella schrieb am 12.01.2024 um 13:45 Uhr (Zitieren)
Im Falle eines Militärs wäre sicherlich von Vorteil, dass die "Kampfdroge" Testosteron keine Rolle mehr spielt. Den Byzantinern war die Substanz nicht bekannt, der Effekt schon.
Re: Eunuchen
Γραικύλος schrieb am 12.01.2024 um 18:46 Uhr (Zitieren)
Da bin ich mir nicht so sicher.

1. Die Höhe Testosteron-Produktion hängt wohl davon ab, ob das einschneidende Ereignis vor oder nach der Pubertät stattfinden.
2. Es gibt auch Kriegerinnen, und wie man inzwischen weiß, mehr als man früher dachte.
3. Haben nicht auch Frauen Testosteron?
Re: Eunuchen
Γραικύλος schrieb am 12.01.2024 um 18:48 Uhr (Zitieren)
So wie der Charakter der Eunuchen meist geschildert wird, machen sie auf mich keinen sehr friedlichen Eindruck.

Vgl. auch die spätere Rache des Hermotimos an Panionios und seinen Söhnen, wie Herodot sie schildert. Die ist unglaublich brutal. Er hat den Panionios gezwungen zuzusehen, wie seine vier Söhne kastriert wurden, und dann die Söhne gezwungen, ihren eigenen Vater zu kastrieren.
Re: Eunuchen
Marcella schrieb am 12.01.2024 um 21:25 Uhr (Zitieren)
Die Eunuchen im Tierreich machen schon
einen bräsigeren Eindruck: Kapaun, Ochse, Wallach und andere werden ja genau zu dem Zweck verschnitten.
Hermotimos sah seine furchtbare Rache vielleicht vermutlich als Vergeltung von Gleichem mit Gleichem: Die nächste Generation wurde unterbunden. Komplett.
Ein Lehrstück für andere Sklavenhändler.
Re: Eunuchen
Γραικύλος schrieb am 13.01.2024 um 13:00 Uhr (Zitieren)
Diese Tiere werden früh kastriert, nicht wahr? Das verstärkt den Effekt.

Was die Unterbindung der Folgegeneration beim Sklavenhändler angeht, so sagt Herodot nichts über das Vorhandensein von Töchtern. Erzähltechnisch kommt es ihm anscheinend auf den Vorgang der Kastration an: Wie du mir, so ich dir - aber vielfach!
 
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