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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Griechen und ihr Glaube an das Gesetz (153 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 11.02.2024 um 14:51 Uhr (Zitieren)
Wir müssen uns jetzt einem anderen Zug des Griechen zuwenden, seinem festen Glauben an die Vernunft. Es gibt eine amüsante, wenn vielleicht auch etwas boshafte Geschichte von einem chinesischen Philosophen, den man gefragt hatte, worauf die Erde ruhe. „Auf einer Schildkröte.“ „Und worauf ruht die Schildkröte?“ „Auf einem Tisch.“ „Und worauf steht der Tisch?“ „Auf einem Elefanten.“ „Und worauf steht der Elefant?“ „Sei nicht so neugierig.“ – Ob die Geschichte nun chinesisch ist oder nicht, sie ist ganz gewiß nicht griechisch.

Die Griechen zweifelten keinen Augenblick daran, daß die Welt nicht kapriziös und willkürlich ist: Sie gehorcht Gesetzen und kann deshalb erklärt werden. Sogar der aller Philosophie voraufgehende Homer hat so gedacht, denn hinter den Göttern (manchmal auch mit ihnen gleichgesetzt) steht schattenhaft die Gewalt, die Homer Ananke, „Notwendigkeit“, nennt, eine Ordnung der Dinge, die nicht einmal die Götter durchbrechen können.

Die griechische Tragödie gründet auf dem Glauben, daß im Leben der Menschen Gesetz herrscht und nicht Zufall. In Sophokles‘ Ödipus Rex – um ein einigermaßen schwieriges Bei-spiel zu nehmen – war vor der Geburt des Ödipus prophezeit worden, daß Ödipus seinen Vater töten und seine Mutter heiraten werde. Er begeht diese Taten in völliger Unwissenheit. Aber das Stück verliert allen Sinn, wenn man es so deutet, als sei der Mensch nur ein Spielzeug in den Händen eines bösartigen Schicksals. Sophokles meint vielmehr dies: daß hinter den verwickeltsten und scheinbar zufälligen Verbin-dungen von Ereignissen ein Plan steht, auch wenn wir nicht wissen, was er bedeutet. Weil die Götter diesen Plan sehen können, kann Apollon prophezeien, was Ödipus tun wird.

Bei Aischylos ist das Gesetz einfacher. Es ist ein moralisches Gesetz. Strafe folgt auf Hybris wie die Nacht auf den Tag. Wegen dieses festen Glaubens an die Gesetzlichkeit hat Whitehead (1) die griechischen Tragiker (statt der griechischen Naturphilosophen) die wahren Erfinder des wissenschaftlichen Denkens genannt. [...]

(H. D. F. Kitto: Die Griechen. Berlin/Darmstadt/Wien 1967, S. 244 f.)

(1) Alfred North Whitehead (1861-1947), englischer Philosoph und Mathematiker
Re: Die Griechen und ihr Glaube an das Gesetz
Johannes schrieb am 11.02.2024 um 16:47 Uhr (Zitieren)
denn hinter den Göttern (manchmal auch mit ihnen gleichgesetzt) steht schattenhaft die Gewalt, die Homer Ananke, „Notwendigkeit“, nennt, eine Ordnung der Dinge, die nicht einmal die Götter durchbrechen können.


Und was ist die Ursache der Anake? Woher kommt sie?
Sie scheint dem Geheimnis Gottes im Christentum zu entsprechen,
wenn es keine Erklärungen mehr hat.
Oder gibt es eine Meta-Ananke und Meta-Meta-Ananke usf. ?
Re: Die Griechen und ihr Glaube an das Gesetz
Γραικύλος schrieb am 11.02.2024 um 17:05 Uhr (Zitieren)
Jetzt möchtest Du das Spiel mit der Schildkröte spielen. Gerne früge ich Kitto, was er von Deiner Frage hält.
Ich meine ja, daß alle Fragen nach Ursachen entweder endlos sind oder doch an einem Punkt abgebrochen werden müssen.
Re: Die Griechen und ihr Glaube an das Gesetz
Johannes schrieb am 11.02.2024 um 18:29 Uhr (Zitieren)
Warum gibt es etwas und nicht nichts?
Wir können es vlt. quantentheoretisch erklären, werden es aber nie beweisen können.
Was genau "vor" dem Urknall war oder ihn ausgelöst hat, wird immer ein Geheimnis bleiben.
Würde es irgendetwas am status rerum der Welt ändern, wenn wir es definitiv wüssten?

https://www.ardmediathek.de/video/alpha-centauri/was-war-vor-dem-big-bang/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzEwODhlNjAxLTBhMjItNGUxMC1hM2I4LWMwN2ZiMGE2MzcxOQ

https://www.philoclopedia.de/sonstiges/entwicklung-allen-seins/warum-ist-%C3%BCberhaupt-etwas-und-nicht-vielmehr-nichts/
Re: Die Griechen und ihr Glaube an das Gesetz
Γραικύλος schrieb am 11.02.2024 um 18:41 Uhr (Zitieren)
Ich habe Lust, dieser Ἀνάγκη einmal nachzugehen. Viel gibt der Roscher dazu allerdings nicht an. Im Grunde zwei Platon-Stellen.
 
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