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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Kindergeburtstag (114 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 04.04.2024 um 14:50 Uhr (Zitieren)
Zum Fünfjährigen ihrer Tochter Kirsten hatten sich die Eltern etwas einfallen lassen für die fällige Geburtstagsfeier: In den Zoo wollten sie mit den Kindern gehen und hatten dort ein Spiel arrangieren lassen. Die Kinder bekamen die Augen verbunden, wurden dann zu einem Elefantenjungen gebracht, das, wie man ihnen versichert hatte, freundlich und geduldig war.
Jedes Kind wurde an einer bestimmten Körperstelle des Tieres gebracht und sollte durch Tasten nur an diesem Teil feststellen, worum es sich handelte.

Tobias war der erste, befühlte den Rüssel und war sich sicher, daß es sich um eine Schlange handelte. Marc als zweiter betastete ein Ohr und stellte fest: ein großes Blatt. Yvonne hatte ein Bein gefühlt und erkannte es als Baumstamm. Holger sodann befühlte die Seite des Tieres, war sich nicht ganz sicher, entschied sich schließlich für eine Wand. „Eine Speerspitze“, meinte Jens, der an den noch kleinen Stoßzahn des Elefanten geraten war. Kirsten, das Geburtstagskind, kam als letztes an den Schwanz: „Das ist ein Seil, es hängt herab, und wenn man daran zieht, regnet es A-a.“

So hatte jeder seine Wahrheit geprüft und gefunden. Groß war die Überraschung, als den Kindern die Augenbinden abge-nommen wurden.

Zwanzig Jahre später studierte Kirsten Journalismus und Kulturwissenschaften. Dabei stieß sie auf den Mythos der verschleierten Isis von Saïs, zu dem es heißt:

In Saïs gab es eine Sitzstatue der Athena, die die Ägypter auch als Isis verehren; sie besaß eine In-schrift, die etwa so lautete: „Ich bin alles, was war und ist und sein wird, und mein Gewand hat noch kein Sterblicher gelüftet [ἐγώ εἰμι πᾶν τὸ γεγονὸς καὶ ὂν καὶ ἐσόμενον, καὶ τὸν ἐμὸν πέπλον οὐδείς πω θνητὸς ἀπεκάλυψεν].“

Kirsten erinnerte sich dabei an ihre einstige Geburtstagsfeier. Damals hatten sie nur Deutungen gehabt und die Wahrheit erst erkannt, nachdem man ihnen die Augenbinden abgenommen hatte. Hier war von einer Wahrheit die Rede, die uns allen verschleiert ist und keinem Sterblichen enthüllt wird. Gibt es etwas, so fragte sie sich, das erst die Toten wissen werden?

Für das Elefantentasten danke ich dem Buddha und seinem Elefantengleichnis (Udâna VI, 4).

Die Inschrift der Isis ist überliefert bei Plutarch in seiner Schrift „Über Isis und Osiris“ (Moralia 345 C).

Friedrich Schiller hat daraus die Ballade „Das verschleierte Bild von Saïs“ gestaltet, in welcher der gewaltsame Versuch eines jungen Mannes, die Isis nackt zu sehen, die Wahrheit unverschleiert zu erkennen, ein übles Ende nimmt.
Re: Der Kindergeburtstag
Γραικύλος schrieb am 04.04.2024 um 14:50 Uhr (Zitieren)
Autor: Wolfgang Weimer
 
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