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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ein Deutscher in Rom (243 Aufrufe)
filix schrieb am 23.12.2024 um 21:00 Uhr (Zitieren)
Auf dem esquilinischen Hügel in Rom ging eines Tages im Frühling 1506 Signore de Fredis in seinem Weinberg spazieren. Die Arbeiter hatten am Tag vorher eine Grube gegraben, um Wasser zu suchen, aber keines gefunden. Herr de Fredis blieb dabei stehen und fragte sich, ob es nicht schade sei um die aufgeworfene Erde, und ob man sie nicht im Weinberg verwenden könne. Er stocherte mit seinem Stock unten in der Grube herum, um zu fühlen, wie tief die Humuserde sei. Der Stock drang ohne jeden Widerstand hindurch und fuhr bis an die Krücke in die Erde.

– Hier muss sich ein Keller unter dem Boden befinden, sagte er sich; dachte erst die Arbeiter zu rufen; da es aber netter war, die Entdeckung selber zu machen, nahm er eine Hacke und einen Spaten und begann die Arbeit.

Zur Mittagszeit war das Loch so gross, dass er hineinkriechen konnte; da es aber kohlschwarz drinnen war, ging er erst, um eine Laterne zu holen.

Mit dem Licht kroch er in die Erde hinunter und kam in einen gewölbten Saal. Er ging durch fünf Säle hindurch und fand keine Schätze, aber im sechsten bot sich ihm ein Anblick, der ihn erschauern liess.

Zwei Riesenschlangen hatten sich um einen bärtigen Mann von heldischer Gestalt und seine beiden Knaben geschlungen; die eine Schlange hatte den Mann bereits in die rechte Seite gebissen, und die andere biss den einen Knaben in die linke.
Aber die Erscheinung hatte feste Formen und bestand aus penthelischem Marmor, mochte also ebenso viel Wert besitzen wie ein Schatz.
Herr de Fredis ging sofort zum Stadtpräfekten, der ihm mit dem Aedil und einigen gelehrten Männern folgte.

Das Kunstwerk wurde ans Licht gebracht, studiert und erwies sich als der trojanische Priester Laokoon, dem Apollo zwei Schlangen auf den Hals schickte, weil er seine Landsleute vor dem gefährlichen griechischen Geschenk des trojanischen Pferdes, das ja Krieger barg, gewarnt hatte.

Das war ja keine erbauliche Geschichte, und auch keine trostreiche, da sie das undankbare Los des Propheten in dieser Welt illustrierte. Daran dachte man aber nicht, sondern das Kunstwerk wurde von den Römern als ein Zeichen der Auferstehung begrüsst, ein Andenken an die Grossmachtzeit und als eine Verheissung besserer Zeiten.

Papst Julius der Zweite kaufte den Laokoon für den Vatikan, nachdem Michelangelo erklärt hatte, es sei das grösste Kunstwerk der Welt, und Herr de Fredis wurde mit einer Pension auf Lebenszeit bezahlt.

Die Ausgrabung und das Putzen nahm allerdings einige Jahre in Anspruch. Als aber schliesslich das Kunstwerk soweit war, wurde es mit Blumen geschmückt und in einer Prozession durch die Strassen Roms geführt, während alle Kirchenglocken eine ganze Stunde läuteten.

Als der Zug auf die Via Flaminia zog, kam gerade vom nördlichen Stadttor ein Augustinermönch daher gewandert und vorm Triumphbogen des Hadrian (!) stiess er auf die Volksmasse, die ihren geliebten Laokoon trug.

Der Mönch verstand nicht gleich; er fand allerdings, dass die Statue einem Märtyrer glich, konnte sich aber nicht an einen erinnern, der in der Schlangengrube gestorben war.
Er wandte sich darum an einen Bürger und fragte auf Latein:
– Welcher von den heiligen Blutzeugen der Kirche ist das?

Der Bürger lachte wie über einen guten Scherz, glaubte aber nicht antworten zu brauchen.
Jetzt kam die Menge, die vom trojanischen Pferd sang und Biester auf Priester reimte. Dass es ein Priester war, den die Schlangen fassten, schien das Hauptvergnügen für den ungläubigen und die Priester hassenden Haufen zu bilden.

Der Augustiner dachte an seinen Virgil, als er das Wort Troja hörte, und als die Statue näher kam, konnte er den Namen Laokoon lesen, des wohlbekannten Apollopriesters.
– Läuten die Glocken für den? fragte er seinen Bürger wieder.
Der bejahte es mit einem Nicken.
– Sind die Menschen verrückt? fragte er von neuem; und jetzt erhielt er Antwort:
– Nein, sie sind klug, aber du bist etwas dumm, wahrscheinlich aus Deutschland.


(August Strindberg: Historische Miniaturen [1913] - Laokoon)
Re: Ein Deutscher in Rom
Γραικύλος schrieb am 24.12.2024 um 00:42 Uhr (Zitieren)
Auch gut.
Zunächst dachte ich an einen sehr berühmten deutschen Augustinermönch, der der war nicht 1506 in Rom, sondern ein wenig später.
Re: Ein Deutscher in Rom
Γραικύλος schrieb am 24.12.2024 um 00:42 Uhr (Zitieren)
der der --> doch der
Re: Ein Deutscher in Rom
Γραικύλος schrieb am 24.12.2024 um 00:49 Uhr (Zitieren)
Aber nein, die Herrichtung der Statue hat ja einige Jahre in Anspruch genommen. Er war es also!
Re: Ein Deutscher in Rom
Γραικύλος schrieb am 24.12.2024 um 01:11 Uhr (Zitieren)
Viel Antike dabei in diesen "Historischen Miniaturen".
Re: Ein Deutscher in Rom
filix schrieb am 24.12.2024 um 01:38 Uhr (Zitieren)
Er war's, ob Luther, dessen Romreise erst in den letzten Jahrzehnten eingehend erforscht wurde, die Laokoon-Gruppe je wirklich gesehen hat, weiß man nicht. Die Prozession ist natürlich eine literarische Erfindung, die Skulptur war schon vor dem 7. März 1506 im Vatikan.

Re: Ein Deutscher in Rom
βροχή schrieb am 24.12.2024 um 07:42 Uhr (Zitieren)
heute würde man sagen, Strindberg instrumentalisierte diese Ausgrabung und Laokoon um seine Abneigung gegen Lu. und die deutschen unter die Leserschaft zu bringen.
Re: Ein Deutscher in Rom
filix schrieb am 24.12.2024 um 13:47 Uhr (Zitieren)
Wenn man die Miniatur dort enden lässt und einem Autor alle von ihm geschilderte Animosität immer nur als seine eigene zurechnet, wirkt das so, liest man weiter, ist sie wie auch sein wenig erfolgreiches Drama Die Nachtigall von Wittenberg, wo er ihm u.a. Faust als Begleiter zugesellt, mehr der Versuch, eine Psychohistorie des Reformators zu fabulieren, sein Wesen also aus dem Zusammenprall von Überzeugung und Erfahrung zu erklären. Strindberg hat dabei sichtlich Vergnügen, des päpstlichen Roms Verkommenheit und seine sophistischen Selbstrechtfertigungen zu inszenieren, die den armen Bruder Martin in eine Hölle der Enttäuschungen schicken, bis er schließlich sendungsbewusst aufbegehrt:

Bist du sicher, dass der Herr mit dir ist? Kennst du seine Wege und seinen Willen? Du allein? Kannst du seine Meinung verdolmetschen, wenn er spricht?
– Ja, das kann ich! Denn ich höre seine Stimme in meinem Gewissen! Und geh jetzt von mir, Satan, oder ich bete, dass der Blitz des Himmels dich trifft! – Ich kam hierher als ein gläubiges Kind, aber ich gehe fort als ein gläubiger Mann, denn deine Zweifel haben nur meine stillen Antworten hervorgerufen, die du nicht gehört hast, die du aber einmal hören wirst! Savonarola habt ihr getötet, aber ich bin jung, ich bin stark, und ich werde leben! Merk dir das!


Re: Ein Deutscher in Rom
βροχή schrieb am 24.12.2024 um 14:58 Uhr (Zitieren)
... habe es nachgelesen. Ja, er fährt fort in Rom das Leben der Mönche u.a. zu beschreiben und kontrastiert das mit Luthers Erwartungen.

Welches Glück, daß Savonarola verbrannt ist, sonst hätte er auch diese Malereien (es geht um Raphael) verbrannt!
(aus der selben Erzählung)

 
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