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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Frauenraub im Neolithikum #2 (166 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 01.01.2025 um 01:10 Uhr (Zitieren)
Im weiteren Verlauf des Neolithikums verschärfte sich in der agrarischen Welt das Frauendefizit durch einen weiteren Faktor: Wo Überschüsse erwirtschaftet wurden, konnten diese mit der Zeit von mächtig werdenden Männern monopolisiert und nach deren Vorgabe verteilt werden. Die in der Männerlinie organisierten Clans stellen den Rahmen für die Weitergabe, also Vererbung des Besitzes an die – meist erstgeborenen – Söhne, was bedeutete, dass sich die entstehenden Wohlstandsunterschiede über die Generationen hinweg vergrößerten. Mögliche Konsequenzen kennen wir aus der Ethnografie: Einzelne ältere Männer mit Macht nehmen sich zwei oder mehr Frauen. Schlicht, weil sie es sich leisten konnten und niemand ihnen Einhalt gebot. Jürg Helbling (4) beschreibt das für die sesshaften komplexen Kulturen Australiens als „polygyne Gerontokratie“, als das, was man früher „Vielweiberei“ alter Männer genannt hätte. Wir haben sie auch bei Göttervater Zeus beobachtet. Bei mobilen Jägern und Sammlern hingegen war auch das Geschlechterverhältnis ausgeglichen. Polygynie kam nur in Ausnahmefällen vor und war in der Regel wirtschaftlich motiviert oder trat bei Männerknappheit auf und beruhte in der Regel auf der Entscheidung der Frauen.

Diese Entwicklung in den frühen agrarischen Gesellschaften verstärkte die soziale Ungleichheit, „da sie mächtige Patriarchen an der Spitze immer größerer Familien hervorbringt“, konstatiert auch Linda Fibiger (5), während andere Männer, die nicht in der Lage waren zu heiraten, weil es an Frauen fehlte, in der Hierarchie abrutschten. Gleiches gilt für Clans: Viele Frauen bedeuteten viele Krieger als Nachwuchs. Bestätigt wird das durch die archäogenetische Untersuchung menschlicher Überreste, etwa aus dem Kammergrab von Hazleton North im Südwesten Englands. Ein Mann hatte Kinder mit vier verschiedenen Frauen, seine Familie ließ sich über fünf Generationen verfolgen und war durch weibliche Exogamie charakterisiert. Die Frauen kamen von außerhalb der eigenen Gruppe.
Soziale Ungleichheit geht damit mit reproduktiver Ungleichheit einher. Tatsächlich existiert für den Zeitraum ab etwa 5000 v. Chr. bis zum Jahr null ein „Y Chromosome Bottleneck“: Im Vergleich zum weiblichen Erbgut ging die genetische Varianz bei Männern in dieser Zeit massiv zurück. Es bestanden große Unterschiede im Fortpflanzungserfolg. Während die allermeisten Frauen Kinder bekamen, blieb ein beträchtlicher Anteil von Männern ohne Kinder. Wie dieser aus dem Erbmaterial rekonstruierte Befund mit den prähistorischen Gegebenheiten in Einklang zu bringen ist, wird derzeit diskutiert. In der Tendenz belegt der genetische Flaschenhals jedoch, dass dies eine Zeit ist, in der sich nicht alle Männer fortpflanzten, weil a) ein Frauendefizit herrschte, b) einzelne mächtige Männer mehrere Frauen monopolisierten und c) viele Männer oder sogar ganze Clans getötet und die Frauen verschleppt wurden, die sich dann mit den Siegern fortgepflanzt haben.

Wenn einzelne Männer mehrere Frauen haben, führt das zu einer weiteren „Verknappung“ von Frauen – und heizt die Konkurrenz unter Männern an. Gerade junge Männer, die sich ohnehin erst beweisen mussten, liefen Gefahr, ohne Frau zu leben. Ein Raubzug mit Chance zum Frauenraub präsentierte sich da als Lösung. War der erfolgreich, erhöhte die weibliche Beute zudem den sozialen Status der Krieger. Männer werden getötet, Frauen und Kinder geraubt, das wird zum schrecklichen Grundmuster der Kriege.

(Harald Meller / Kai Michel / Carel van Schaik: Die Evolution der Gewalt. Warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen. Eine Menschheitsgeschichte. München 2024, S. 210-212)

(4) Jürg Helbling: Tribale Kriege. Konflikte in Gesellschaften ohne Zentralgewalt. Frankfurt/Main 2006; ders.: War Australien ein Kontinent von Jägern und Sammlern? (im Druck)
(5) Linda Fibiger u.a.: Conflict, Violence, and Warfare Among Early Framers in Northwestern Europe; in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 120(4), 2023
Re: Frauenraub im Neolithikum #2
βροχή schrieb am 01.01.2025 um 08:07 Uhr (Zitieren)
Im Zusammenhang mit #1 gelesen,

1. was kam zuerst, die Landwirtschaft oder das Frauendefizit?

2. Wenn die Landwirtschaft so eine brutale Plackerei war, warum sind sie nicht beim jagen und sammeln geblieben?

3, Führt Arbeitsteilung unweigerlich zur Ausbeutung?
Re: Frauenraub im Neolithikum #2
Γραικύλος schrieb am 01.01.2025 um 15:41 Uhr (Zitieren)
Erst die Landwirtschaft, wenn ich das recht verstehe.

Warum sie und die Viehhaltung eingeführt worden sind - schon bei Friedrich Engels so etwas wie die Erbsünde -, ist eine gute Frage. Ihr unmittelbarer Vorteil liegt darin, daß man auf diese Weise mehr Menschen ernähren kann.
Doch wofür war das ein Vorteil? Damit der Konkurrenz überlegen zu sein, würde für Meller & Co. einen logischen Zirkel beinhalten, denn für sie entstand die Konkurrenzsituation (--> Konflikte) erst durch die Einführung von Ackerbau und Viehzucht.

Die gesellschaftliche Rollendifferenzierung (Arbeitsteilung) begann im Mesolithikum, sieht man von der älteren Unterscheidung Jagd : Männer und Sammeln : Frauen ab.
Was das mit Herrschaft zu tun hat, dazu kommt noch etwas in einem folgenden Textausschnitt.
 
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