Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eine Geschichte von Religion und Krieg #10 (101 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 14.01.2025 um 22:54 Uhr (
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Der Ägyptologe Jan Assmann (15) sprach von der „mosaischen Unterscheidung“, die mit dem Monotheismus in die Welt getreten sei, von der Unterscheidung „zwischen wahrem Gott und falschen Göttern, wahrer Religion und falschen Religionen“. Das aber ist keine Erfindung der Religion, das ist eine Unterwerfung der religiösen Sphäre unter die absolutistische Freund-Feind-Logik der damaligen Gegenwart, insbesondere die der assyrischen Könige. Sie offerierte die Option, im allerhöchsten Auftrag die Feinde Gottes bekämpfen und eliminieren zu können, ob nun innerhalb oder außerhalb der eigenen Gesellschaft. Hier zeigt sich die unanfechtbare Legitimation jedes Krieges, welche die beiden evolutionären Narrative des „Wir müssen uns gegen die Mächte des Bösen verteidigen“ mit dem der moralischen Bestrafung all jener verschmolz, die Gott nicht folgen wollten oder gegen sein Gesetz verstießen.
Der dritte Vorteil: Die Berufung auf einen einzigen Gott hat eine die gesamte Gesellschaft vereinigende und zwingende Kraft, die in Kulturen mit vielen Göttern unmöglich ist. Sie erlaubt die Illusion, auf der Seite des absolut Guten zu stehen. Und sie schafft eine klare Zweiteilung der Welt: „Wer nicht für mich ist, ist wider mich.“ Die Geschichte wird voll sein von Kriegen, die im Namen der Religion geführt werden. Doch genauer betrachtet ist daran nichts genuin Religiöses, es handelt sich nur um die perfekt einsetzbare Freund-Feind-Logik, die aus dem Arsenal weltlicher Despoten stammt, aber eben nur allzu gut mit den psychologischen Adaptionen der Menschen korrespondiert.
Das monotheistische Narrativ wurde aus dem Versuch der Selbstermächtigung heraus formuliert: aus einer Position der Schwäche und nicht der Stärke. Israel und Juda existierten nicht mehr, die Bibelautoren arbeiteten unter der Herrschaft fremder Mächte. Ihr Ziel war es zu verstehen, warum die Staaten Jahwes untergegangen waren; ihre Erklärung bestach durch Raffinesse: Sie verkauften den Untergang als ultimativen Beweis der überlegenen Macht Jahwes. Er hatte sich gewaltiger Reiche wie der Assyrer und der Babylonier bedient, um sein eigenes Volk zu bestrafen, da es ihm nicht immer treu war. Damit wurde die eigene Niederlage in einen Triumph Gottes verwandelt, in dessen Händen die mächtigsten Herrscher zu bloßen Marionetten wurden. Die Bibelautoren machten sich daran, die eigene Geschichte nach diesem Prinzip umzuschreiben, das heißt, über weite Strecken neu zu erfinden. Sie schufen Narrative, die sich für viele Herrscher der Welt als attraktive Rollenmuster erweisen werden.
(Harald Meller / Kai Michel / Carel van Schaik: Die Evolution der Gewalt. Warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen. Eine Menschheitsgeschichte. München 2024, S. 296-311)
(15) Assmann, J.: Die Mosaische Unterscheidung. Oder der Preis des Monotheismus. München 2003
Re: Eine Geschichte von Religion und Krieg #10
Udo schrieb am 15.01.2025 um 12:50 Uhr (
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ihre Erklärung bestach durch Raffinesse: Sie verkauften den Untergang als ultimativen Beweis der überlegenen Macht Jahwes.
Eines sehr seltsamen Gottes, der andere zur Züchtigung (miss)braucht.
Für welche konkret?
Das gesamte Gottesbild des AT ist voller Widersprüche. Kein Wunder:
Auch es ist letztlich anthropomorph gedacht und wird interessengeleitet konstruiert.
Die Kirchen tun es auch immer wieder um ihr Geschäftsmodell nicht zu gefährden.Re: Eine Geschichte von Religion und Krieg #10
Γραικύλος schrieb am 15.01.2025 um 15:46 Uhr (
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Die Ereignisse, die als Züchtigungen Gottes gedeutet werden, sind die Eroberungen durch die Assyrer und Babylonier.