Platon, Lernen als Wiedererinnerung: Menon #2 (157 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 23.02.2025 um 12:16 Uhr (Zitieren)
Platon, Menon 80d-86c:
(2) Die Frage, ob Tugend lehrbar sei, macht das eigentliche Thema des Dialogs aus.
Re: Platon, Lernen als Wiedererinnerung: Menon #2
Andreas schrieb am 23.02.2025 um 13:54 Uhr (Zitieren)
Mir fällt dazu Erich Auerbachs MIMESIS ein.
Und KI sagt dazu:
Platon vertritt in seinem Dialog Menon die Theorie der Anamnesis, wonach Lernen eigentlich das Wiedererinnern von bereits in der Seele vorhandenen, vorgeburtlichen Kenntnissen ist. Die moderne Lernpsychologie sieht das etwas anders:
Vorwissen als Basis:
Moderne Ansätze betonen, dass Vorwissen eine entscheidende Rolle spielt – neues Wissen wird auf bereits vorhandenen kognitiven Strukturen aufgebaut. Dies erinnert an Platons Idee, dass etwas Vorhandenes aktiviert wird. Allerdings wird in der modernen Forschung davon ausgegangen, dass dieses Vorwissen im Laufe der frühen Entwicklung durch Erfahrungen erworben wird und nicht angeboren im Sinne einer vorgeburtlichen Speicherung existiert.
Konstruktivistische Perspektiven:
Ansätze von Piaget, Vygotsky und anderen betonen, dass Lernende aktiv ihr Wissen konstruieren, indem sie neue Informationen mit ihren bestehenden Schemata verknüpfen. Hier wird Lernen als ein aktiver, konstruktiver Prozess gesehen, nicht als bloßes „Wiedererinnern“ eines bereits vorliegenden Wissens.
Neuronale Grundlagen:
Neurowissenschaftliche Forschungen belegen, dass Lernen durch synaptische Plastizität und neuronale Vernetzungen stattfindet – Prozesse, die durch Umwelteinflüsse und Erfahrungen geprägt werden. Es gibt also keine Hinweise darauf, dass das Gehirn über ein vollständiges, vorgeburtlich angelegtes Wissensarchiv verfügt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass moderne Lernpsychologie zwar anerkennt, dass Vorwissen zentral für den Lernprozess ist, sie Platons Theorie der Anamnesis jedoch nicht in wörtlicher Weise übernimmt. Vielmehr wird Wissen als Ergebnis kontinuierlicher Interaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt verstanden, wobei vorhandene kognitive Strukturen durch neue Erfahrungen modifiziert und erweitert werden.
Re: Platon, Lernen als Wiedererinnerung: Menon #2
Γραικύλος schrieb am 23.02.2025 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Vielleicht sollte man den Beweis, den Sokrates jetzt zu führen im Begriff ist, abwarten, ehe man sich von KI schon die Interpretation vorgeben läßt ... und dadurch mit einem Vorwissen ganz eigener Art imprägniert wird.
Kant hat die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrungen gestellt, also nach etwas, das nicht selbst aus Erfahrung stammen kann, auch nicht aus einer früheren, sondern die Voraussetzung dafür ist, daß man überhaupt Erfahrungen machen kann.
Ob Sokrates alias Platon das entdeckt hat?