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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
zu hart? (1124 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 07.09.2010 um 19:17 Uhr (Zitieren)
ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν ὅτι πᾶς ὁ βλέπων γυναῖκα πρὸς τὸ ἐπιθυμῆσαι [αὐτὴν] ἤδη ἐμοίχευσεν αὐτὴν ἐν τῇ καρδίᾳ αὐτοῦ.

(Matthäus 5, 28)

Ist darin implizierte Forderung nicht viel zu hart? (Zumal sie dann noch mit Höllendrohungen verbunden wird ...) Kann die überhaupt ein Mann - und was ist eigentlich mit den Frauen? - erfüllen? Will Jesus uns hiermit (wie Sigmund Freud vermutet hat) überfordern, um Schuldgefühle in uns zu erzeugen, für die er dann seine 'Vergebung der Sünden' offeriert? Ist das also nicht einfach eine religiöse Marketingstrategie?
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 07.09.2010 um 21:53 Uhr (Zitieren)

Allein die heutigen Werbeeindrücke lösen dann ja schon die Hölle aus. Wenn das durch Ansehen ausgelöste Begehren schon ausreicht?
Das ist aber zu hart ... (mich wundert, dass die Frauen nicht schon lange gezwungen wurden, sich voll zu verschleiern). Es kommt doch darauf an, dass man die ausgelöste emotionale Reaktion kontrolliert. Die Reaktion elbst ist ja wohl nicht steuerbar. tstststs
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 07.09.2010 um 22:25 Uhr (Zitieren)
Und warum sagt er das nicht auch an die Frauen gerichtet? Kennt er weibliches sexuelles Begehren nicht?
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 07.09.2010 um 22:42 Uhr (Zitieren)

Auch das ist eine Frage, die ich mit dem Urheber dieser Aussage irgendwann mal besprechen möchte ... irgendwann!

Gure Nacht
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 08.09.2010 um 07:42 Uhr (Zitieren)
Was heißt das eigentlich, "begehrlich ansehen", oder - je nach Übersetzung - "ansieht, ihrer zu begehren"?

Anstarren, schöne Augen machen, flirten? - Wenn ich mich in der griechischen Mythologie umschaue, gehen bei den Göttern sexuelle Begehrlichkeiten immer mit Übergriffen einher (Zeus!).
(War das bei den alten Griechen auch so "üblich"? Immerhin haben die ihre Frauen zu Hause mehr oder weniger eingesperrt.)
Vielleicht ist der Matthäusvers auch dahingehend zu verstehen: Wehret den Anfängen!

Das die Frauen in diesem Zusammenhang nicht auch ermahnt werden, stört natürlich auch Feministinnen. (Wo bleibt denn da die Gleichberechtigung? ;-))

Vielleicht hielt es der Schreiber nicht für nötig, die Frauen zu erwähnen, weil diese nicht gleich übergriffig werden (jedenfalls viel seltener als Männer)?
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 11:14 Uhr (Zitieren)
Es gibt einen Grund, aus dem ich annehme, daß es dem Verfasser nicht so sehr um die Gefahr des Übergriffigwerdens geht; er betont den Ehebruch: ἐμοίχευσεν αὐτὴν ἐν τῇ καρδίᾳ αὐτοῦ. Es geht also, nach meinem Eindruck, um eine inflationäre Aufblähung des Begriffs 'Ehebruch'. Jesus beruft sich ja in diesem Zusammenhang auch eindeutig auf das einschlägige Gebot.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 11:48 Uhr (Zitieren)
Ich bezweifle, ob es in der Antike überhaupt eine explizite Reflexion über das Problem der Gewalt gegenüber Frauen gibt (man mag mich korrigieren). Mir ist die Bereitschaft, darin ein Problem zu sehen, immer als im wesentlichen nachantik erschienen.
Hingegen der Ehebruch - der ist ein Problem, seit Männer Besitz zu vererben haben, also etwa seit den Neolithikum
Re: zu hart?
Ὑλβάτης schrieb am 08.09.2010 um 17:03 Uhr (Zitieren)
Auch das ist eine Frage, die ich mit dem Urheber dieser Aussage irgendwann mal besprechen möchte ... irgendwann!
:-D

Ich glaube auch nicht, dass es um Handgreiflichkeiten geht; die Betonung des Theoretischen (durch "sehen" und "im Herzen") ist dafür zu stark.
Was aber bedeutet "inflationäre Aufblähung"? Es klingt so, als sollte der Begriff "Ehebruch" so weit gefasst werden, dass irgendwann niemand mehr davon reden will, weil ein einfacher Blick "Ehebruch" genannt wird.

Ich hab's immer so verstanden, wie es ανδρέας angedeutet hat:
Es kommt doch darauf an, dass man die ausgelöste emotionale Reaktion kontrolliert.
Ich kann mit Frauen, die gut aussehen, nett reden, vielleicht mal ein Kompliment machen, ich war auch schon mit "weiblichen Freunden" in der Sauna - aber da war es nie so, dass ich mir Sex (πρὸς τὸ ἐπιθυμῆσαι) mit ihnen vorgestellt hätte.
Während das AT, um das deutlicher herauszuheben, was Γραικίσκος meinte, als Ehebruch wohl nur ... naja Sex halt ... versteht, geht das NT einen Schritt weiter und sagt: "Halt, mein Junge, sei auch reinen Herzens!" Die Wendung ins Innere, Moralische ist hier sehr deutlich.

In der Schule hat unser Relilehrer die Möglichkeit der "moralischen Überforderung" angesprochen, aber das hat mir nie gefallen. Was wäre das denn für eine Religion, die unmögliche Forderungen stellt, nur um ihre Wichtigkeit zu erhalten?

Zur Gewalt gegen Frauen hatte ich vor einiger Zeit mal, glaube ich, Euripides' Ion angesprochen, in dem Ion Apollon tadelt, weil der eine Frau vergewaltigt hat und zugelassen, dass sein Kind mit ihr stirbt.

Warum redet Jesus nicht von weiblicher Begierde? Vielleicht ist seine Zielgruppe ausschließlich männlich? ;-)
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 17:21 Uhr (Zitieren)
Aber gerade in dieser Interpretation wird die Ausklammerung der weiblichen Seite völlig unplausibel.
Zur Frage der weiblichen Gewalt habe ich kürzlich aus Polizeistatistiken gelesen, daß vor zehn Jahren in 5000 Fällen, in denen die Polizei wegen häuslicher Gewalt gerufen wurde, 300 von Frauen ausgingen - heute sind es 1000 von 5000 Fällen, also stark gestiegen.
Warum?
Re: zu hart?
Ὑλβάτης schrieb am 08.09.2010 um 17:43 Uhr (Zitieren)
in dieser Interpretation

In welcher? In der Zielgruppe?
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 17:55 Uhr (Zitieren)
Nein, in Deiner, in der 'Interpretation vom Herzen her'.

Danke für den Hinweis auf Euripides. Muß mal nachschauen, wie Apollon auf diesen Hinweis reagiert hat.
Re: zu hart?
Ὑλβάτης schrieb am 08.09.2010 um 18:04 Uhr (Zitieren)
Apollon traut sich nicht auf die Bühne (vor dem Tempel in Delphi!). Athene muss ihn vertreten. :-)

Wenn nur die Männer angesprochen werden, denen das Innenleben der Frauen sowieso immer ein Rätsel bleiben wird, muss auch nur die Perspektive der Männer angesprochen werden. Die Frauen müssen halt schweigen und auf ihre eigene Messiah warten :-)

Ich denke, ernsthaft, dass wirklich nur Männer angesprochen werden, und die sollen sich über ihr eigenes Herz Gedanken machen, bevor sie den Balken in dem der Frauen usw. Bisher habe ich nicht drüber nachgedacht, das erscheint mir jetzt aber plausibel: Jesus spricht mit seiner Botschaft nur Männer an.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 18:12 Uhr (Zitieren)
Es gibt ja Jesu Begegnung mit der Ehebrecherin. Du meinst, er hätte anders reagiert, wenn es sich um einen Mann gehandelt hätte?
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 18:13 Uhr (Zitieren)
Das 6. Gebot gilt aber ohne Ansehen des Geschlechts?
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 08.09.2010 um 19:01 Uhr (Zitieren)
Und warum sagt er das nicht auch an die Frauen gerichtet? Kennt er weibliches sexuelles Begehren nicht?


Vor 2000 Jahren hatte m.W. die normale Frau wenig zu sagen, nichts zu bestimmen und im Allgemeinen weder die Freiheit noch die Möglichkeit, selbst die Initiative zu ergreifen. Das damalige Rollenbild darf man nicht mit dem heutigen gleich setzen. In gewisser Hinsicht schützt das obige Zitat aus der Bibel sicher die Frauen vor Übergriffen und Nachstellungen der Männer, indem es jeden Gedanken an Ehebruch im Keim ersticken sollte. Und außerhalb der Ehe war die heutige Freizügigkeit des Sexlebens sicher stets Tabu. Damit sollte das Gebot den Frieden in der Gesellschaft sichern. Frauen hatten schlichtweg kaum die Möglichkeit, sich wie die Männer zu verhalten - es wäre viel zu riskant gewesen. Das Risiko der Männer war dagegen eher gering. Daher ist die Mahnung zu moralischem Verhalten aus göttlichem Gebot die einzig wirksame Regulierungsmethode der damaligen Zeit. Realistisch wirksam aber natürlich nur bei Männern, die auch dem religiösen Imperativ gehorchen. Der muss dann eben so stark sein (schon in Gedanken Ehebruch begangen ...), dass keine Interpretationen und Ausflüchte möglich sind.
Aber hart ist es schon ... soll es ja dann wohl auch sein.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 21:37 Uhr (Zitieren)
Frauen hatten schlichtweg kaum die Möglichkeit, sich wie die Männer zu verhalten.

Für die Oberschicht, d.h. die Schicht, über die wir relativ gut informiert sind, gilt das aber nicht uneingeschränkt. Wie sagte Julia, die Tochter des Augustus, als man sie auf die - angesichts ihres Lebenswandels - erstaunliche Ähnlichkeit all ihrer Kinder mit ihrem Ehemann ansprache? "Ich lasse eben den Steuermann nur auf das beladene (gravidus) Schiff."
Von den Agrippinas, der Messalina, der Livia selbst abgesehen.
Selbst in Griechenland bedürfte die Rolle der Hetären noch einer näheren Analyse.
Oder sollte Jesus das nur auf jüdische Frauen gemünzt haben? Nicht sehr weitsichtig für einen Messias ...
Und immerhin gab es ja doch im NT die angeklagte und zur Steinigung verurteilte Ehebrecherin.
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 08.09.2010 um 21:50 Uhr (Zitieren)
Oder sollte Jesus das nur auf jüdische Frauen gemünzt haben? Nicht sehr weitsichtig für einen Messias ...
Und immerhin gab es ja doch im NT die angeklagte und zur Steinigung verurteilte Ehebrecherin.


Jesu Umfeld und religiöse Identität waren doch jüdisch und nicht auf Rom bezogen. Und gesteinigt wurden m.W. nur Frauen - oder wird auch von gesteinigten Männern berichtet?
Ich denke, wir müssen jedes Zitat immer im Kontext der jeweiligen Zeit interpretieren.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 21:58 Uhr (Zitieren)
Der Hadith schreibt Steinigungen wg. Ehebruchs auch für Männer vor. War das bei Juden nicht so? Interessant.
Wenn man Jesu Aussagen rein auf den jüdischen Kontext bezieht ... welche Geltung können sie dann für Nichtjuden beanspruchen?
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 08.09.2010 um 21:59 Uhr (Zitieren)
Es wäre interessant zu wissen, 1. wer, 2. wann, 3. unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen das Matthäusevangelium geschrieben hat. Das war doch nicht Matthäus selber, genausowenig wie die anderen Evangelien von ihrem jeweiligen Namensträger verfasst wurden.

Da das Gebot hier schärfer als im AT formuliert wurde, ist eine vermehrte Verhaltenskontrolle (mit welchem Hintergedanken auch immer) durch den Schreiber sicher nicht von der Hand zu weisen. War das nicht zu einer Zeit, als die Christenheit als Institution erst begann sich zu formieren?


Vielleicht werden die Frauen in Matt. 5,28 auch nicht explizit erwähnt, weil es keiner für nötig hielt. Gesetze wurden doch von Männern für Männer gemacht.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 22:01 Uhr (Zitieren)
Und ich weiß, wie ich merke, bedauerlich wenig über die Stellung den Frauen bei Juden bzw. in der jüdischen Gesellschaft der Antike.

À propos Kontext: Nehmen wir da auch die Höllendrohung Jesu im Zusammenhang mit dieser Aussage in seiner Bergpredigt dazu?
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 22:03 Uhr (Zitieren)
Mir fällt als vielleicht vergleichbarer Aspekt noch ein, daß sowohl im AT als auch in einem Großteil der abendländischen Rechtstradition homosexuelle Beziehungen unter Männern sehr streng bestraft wurden, solche unter Frauen hingegen gar nicht. Sie wurden nicht einmal erwähnt.
Dazu habe ich die "Carolina" als einzige Ausnahme gefunden.
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 08.09.2010 um 22:04 Uhr (Zitieren)

Ich werde ohnehin nicht schlau aus den Zitaten der Bibel. An anderer Stelle sagt Jesus: wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein ... (genau in diesem Zusammenhang: M. Magdalena)

Das ist mit der Rigorosität des obigen Zitats ja nicht wirklich zu vereinbaren.
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 08.09.2010 um 22:06 Uhr (Zitieren)
Interessant, dass auch für ehebrecherische Männer die Steinigung vorgeschieben wurde. Wird denn in der Bibel irgendwo ein Ehebrecher erwähnt? Mir fällt keiner ein.
Oder wurde dieses "Vergehen", wenn es passiert war, nur der jeweiligen Frau zur Last gelegt? - (Das erinnert mich an Hera, die Zeus' Opfer so bestrafte, als waren diese Schuld, dass ihr Göttergatte sich nicht beherrschen konnte.)
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 22:11 Uhr (Zitieren)
Wohlgemerkt: im Hadith (Worte des Propheten Moahmmed), und der ist für Moslems auch heute noch gültige Glaubensquelle, neben dem Koran.
Für Juden weiß ich es eben nicht.

Auch wenn mir gerade keiner einfällt - im AT ist ja dermaßen was los, daß da auch sicher Ehebrecher von männlicher Seite erwähnt werden.
Zum Thema Homosexualität (Todesstrafe!) natürlich: Sodom und Gomorrha.
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 08.09.2010 um 22:20 Uhr (Zitieren)
Sodom und Gomorrha. - Der Inbegriff der Verderbtheit! :-D
Das hatte ich ganz vergessen!
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2010 um 22:23 Uhr (Zitieren)
Die Bewohner haben sogar versucht, mit den Engeln, die Gott ihnen als Boten geschickt hatte, anzubändeln.
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 08.09.2010 um 22:28 Uhr (Zitieren)
:-D Na sowas, das muss ich nochmal nachlesen.
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 08.09.2010 um 22:35 Uhr (Zitieren)
[quote]sogar versucht, mit den Engeln, die Gott ihnen als Boten geschickt hatte, anzubändeln.[/]

Ich habe diese Stelle meiner Frau gezeigt ...

Sie hat es sofort auf sich bezogen und den Sinn in sein Gegenteil verkehrt. Was soll ich ihr da sagen?
Ich bin verloren ...
Re: zu hart?
Ὑλβάτης schrieb am 09.09.2010 um 13:25 Uhr (Zitieren)
Nanu, ist Deine Frau ein Engel Gottes, mit dem Du angebändelt hast?

Wikipedia "Ehebruch":
Nach dem Deuteronomium Kap.22, Vers 22 war die Strafe für den im Sechsten Gebot verbotenen Ehebruch die Steinigung für den in eine Ehe einbrechenden Mann und die untreue Ehefrau. In Leviticus hingegen war nur dann der Ehebruch strafbar, wenn es sich beim betrogenen Ehemann nicht um einen Fremden handelte (Lev. 20,10). Daher kam es im Falle David nicht zur Steinigung, sondern nur zum Skandal, da Urija ein Hethiter war. In der Praxis kam es jedoch oft nur zur Scheidung: der Mann verstieß seine Frau und heiratete eine andere oder er ließ sich wegen Ehebruchs der Frau scheiden. [...] In der Zeit des zweiten Tempels galt die Frau als potentielle Ursache des Ehebruchs – die Pharisäer beispielsweise achteten darauf, Frauen nicht zu berühren (einige sogar, sie möglichst nicht zu sehen).
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 17:33 Uhr (Zitieren)
Ich habe die Angelegenheit von Sodom und Gomorrha nochmal nachgelesen und auch meinen Töchtern kundgetan, die mit den Begriffen bis dato nichts anfangen konnten.

Dass die Einwohner der Stadt mit den Boten "anbändeln" wollten ist schon derb; dass Lot aber den Männern seine Töchter feilbot, löste helle Empörung bei den jungen Damen aus!
Und schon hatten wir die schönste Diskussion über die Stellung der Frauen (und Töchter) in der Gesellschaft...
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 18:06 Uhr (Zitieren)
Das Lebensbild vor 2000 Jahren muss uns ja heute vorkommen, wie der Anblick Außerirdischer beim ersten Kontakt. Da bedarf es der Einbindung des sozialen und geschichtlichen Hintergrundes.

Als Mann ist man da stets im Hintertreffen. Bloß jede Diskussion vermeiden, sage ich da! Alle Bekenntnisse führen nur zur Verschlimmbesserung des eigenen Standpunkts. Frau – Opfer, Mann – Täter. Beispiele über Beispiele aus der Geschichte und kein Ausweg …. Ein Wunder, dass wir nicht schon alle ausgestorben sind, und überhaupt … Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος. Und dann kam die Erregung.
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 18:45 Uhr (Zitieren)
Der soziale und geschichtliche Hintergrund sind wichtig; und die Frage wer wann warum welchen Text verfasst hat. Bei Sodom und Gomorrha habe ich den Eindruck, dass da zwei Kulturen aufeinandergeprallt sind. (Wie ginge es wohl den Amischen in einer modernen Großstadt? Die würden bestimmt gleich an Sodom und Gomorrha denken oder an die "Hure Babylon".)

Und mit derlei Geschichten kann die Stärke des eigenen Gottes demonstiert werden: Man nehme ein Naturereignis und schreibe es passend um...
Die Story mit Moses und Plagen im alten Ägypten sind ein Paradebeispiel dafür.
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 19:07 Uhr (Zitieren)

Wie bildet man eine stabile Gesellschaft?

1. Abgrenzung nach außen (äußere Sicherheit)
2. Legitimierte Herrschaft jenseits des Individuums nach innen durch Verhaltensregeln durch z.B. Religion (wer die Welt deutet, darf bestimmen; heute in moderneren Gesellschaften durch den Glauben an Technik und Wissenschaft stark überlagert)
3, wirtschaftlicher und materieller Erfolg

Wenn ein Faktor gegen Null konvergiert, löst sich die Gesellschaft m.E. langfristig auf. Außer bei 2., wenn die religiösen Bindungen aufrecht erhalten werden können. Dann haben wir eine parallele Struktur in einer Gesellschaft. Den Israeliten ist es immerhin gelungen, trotz babylonischer und ägyptischer Gefangenschaft relativ eigenständig zu bleiben. Das gelingt eben nur, wenn stringent an Sitten und Gebräuchen mit hoher Legitimation festgehalten wird. Und dafür braucht man auch abschreckende Beispiele, z.B. Sodom und Gomorrha.
Re: zu hart?
Ὑλβάτης schrieb am 10.09.2010 um 19:13 Uhr (Zitieren)
Zu 2.: Ich hatte mal die Theorie gehört, dass sich jüdische Religion oder Gesellschaft erst in Ägypten und Babylon ausgebildet hat.
Vielleicht habe ich das aber nur weitergesponnen.
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 19:29 Uhr (Zitieren)

Ja, das habe ich auch so verstanden. Moses führte die Israeliten in das gelobte Land - zumindest die, die sich nicht an die ägyptische Kultur angenähert hatten. Die Priesterschaft hatte m.W. darum gerungen, die starken Regeln der eigenen Religion (z.B. Speisegesetze usw.) durchzusetzen und zu den "Götzendienern" anderer Kulturen Abstand zu halten.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 19:38 Uhr (Zitieren)
Weder der Aufenthalt der Juden in Ägypten noch die Existenz von Moses konnten bisher unabhängig von der biblischen Überlieferung (etwa durch ägyptische Quellen oder archäologische Funde) nachgewiesen werden.

Die jüdische Religion war ursprünglich nicht monotheistisch; vielmehr war sie monolatristisch. Liest man die einschlägigen Stellen der Thora unter diesem Gesichtspunkt, erhalten sie einen völlig anderen Sinn: Es gibt viele Götter, aber wir, das Volk Israel, wir dienen nur einem einzigen. Wir haben einen speziellen Bund mit ihm.
Es ist in etwa so wie mit dem Verbot des Ehebruchs, das ja auch die Existenz anderer möglicher Partner voraussetzt.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 19:44 Uhr (Zitieren)
Vgl.:
Oswald Loretz: Des Gottes Einzigkeit. Ein altorientalisches Argumentationsmodell zum "Schma Jisrael". Darmstadt 1997

Der jüdische Monotheismus ist wohl erst spät entstanden, und der Teil der Genesis, welcher von der Erschaffung der Welt durch (den dann logischerweise einzigen) Gott berichtet, ist der jüngste Teil der Thora.
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 19:53 Uhr (Zitieren)

Der Monotheismus ist für die innere Zusammengehörigkeit vielleicht erst später als Abgrenzungsgrund wichtig geworden. Selbstbehauptung durch klare Trennlinien.

Die Abgrenzung aus religiöser Überzeugung im heutigen Israel würde in anderen Ländern sicher Befremden auslösen. Nach israelischem Recht ist für die rechtsgültige Ehe eine jüdische Mutter erforderlich. Ein Paar kann nicht heiraten, wenn z.B. ein Partner nur einen jüdischen Vater hat und muss dann im Ausland heiraten. Dies muss Israel wegen internationaler Abkommen dann akzeptieren:

http://www.sueddeutsche.de/leben/heiraten-in-israel-jawort-ohne-jahwe-1.156671

Bestimmte Abgrenzungsmechanismen sind also bis heute aus religiösen Gründen immer noch wirksam. Das gilt auch für die Wehrpflicht:

In Israel gelten für Frauen 21 Monate und für Männer drei Jahre Wehrpflicht. Ausgenommen von der Wehrpflicht sind nur Juden, die bestimmten strengen Formen der Orthodoxie angehören (Haredim), israelische Araber (Moslems und Christen sind befreit, wohingegen Drusen und Beduinen größtenteils freiwillig den Wehrdienst ableisten) sowie alle nichtjüdischen, schwangeren oder verheirateten Frauen. Rechtlich ist es nur Frauen gestattet, der Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht nachzukommen (da nach Auffassung eines Teils des orthodoxen Judentums allein der Mann zur Verteidigung Israels verpflichtet ist) und einen zivilen Ersatzdienst (sherut leumi) von ein oder zwei Jahren zu leisten.

Wenn man die Situation Israels betrachtet und die Umstände der vielen Verfolgungen in den vergangenen Zeiten, ist die Besinnung auf die religiöse Tradition m.E. verständlich.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 20:05 Uhr (Zitieren)
Ist die jüdische Selbstabgrenzung ein Schutz vor Verfolgungen oder ein Grund für Verfolgungen? Oder beides?
(Die Verfolgungen wegen der Religion setzten ja schon in vorchristlicher Zeit ein: Antiochos VII. Epiphanes.)
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 20:54 Uhr (Zitieren)
Was bedeutet "monolatristisch" eigentlich wörtlich?
Wikipedia kennt das Wort nicht, mein Duden auch nicht.
Re: zu hart?
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 21:00 Uhr (Zitieren)
nur einen (Gott) verehrend [ohne die Existenz anderer Götter zu bestreiten]
Schau im Duden unter "Monolatrie" nach.
Re: zu hart?
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 21:05 Uhr (Zitieren)
Ist die jüdische Selbstabgrenzung ein Schutz vor Verfolgungen oder ein Grund für Verfolgungen? Oder beides?


Wenn man einen Grund für Verfolgung sucht, findet man auch einen. Das galt ja auch bei anderen Völkern (Kurden, Christenverfolgung etc.) Da die Israeliten nach dem Makkabäer-aufstand in alle Winde zerstreut wurden, war der Zusammenhalt durch die Abgrenzung sicher überlebenswichtig. Man hat ja idiotische Gründe angeführt, um Juden zu verfolgen, z.B. "Blutschändung" von Hostien - dabei ist für einen Juden eine Hostie nur ein Stück Brot und Blut ist nicht koscher. Also haben die Verbreiter solcher Schauergeschichten nicht einmal etwas über die jüdische Religion gewusst ...
Wie gesagt: Gründe findet man immer, wenn man will ...
Re: zu hart?
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 21:22 Uhr (Zitieren)
Demnach war die Monolatrie eine Zwischenstation vom Polytheismus zum Monotheismus. In Wikipedia wird dieser Übergang beschrieben.

Zu den Biblischen Plagen gab es mal eine ZDF eine 3teilige TerraX-Sendung, zu finden unter:
http://neo.zdf.de/ZDFde/inhalt/21/0,1872,8059989,00.html

Dort wurde die Verquickung von Naturereignissen, sowie religiösen und politischen Machtinteressen beleuchtet.
 
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