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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Schwierige deutsche Geschichte (623 Aufrufe)
Πέγασος schrieb am 09.09.2010 um 22:01 Uhr (Zitieren)
Als wir in Berlin waren, haben wir uns ein paar Stellen angesehen, wo die Mauer gestanden war, bzw. deren Überreste noch heute zu sehen sind.
In der Bernauer Straße ist eine Dokumentation eingerichtet, unter anderem über das Schicksal von Mauerflüchtlingen, Fotos, Kartenmaterial, Filmszenen und mit diversen O-Tönen der Rundfunksender in Ost und West. Dort waren wir am 13.8.
Die Mauer, die für meine Generation noch sehr präsent ist, ist für meine Kinder ein geschichtliches Relikt. Deshalb wunderten sie sich über die vielen Kränze, die dort abgelegt waren; erst nachdem sie ein paar Einzelschicksale gelesen hatten, wurde das Ganze für sie halbwegs nachvollziehbar.

Zunächst völlig verblüfft war ich, als meine kleinere Tochter ganz erstaunt ausrief, sie habe sich immer gewundert, warum die Westberliner, die doch die Eingemauerten waren, die jenigen gewesen sind, die in Freiheit lebten. Sie fand das völlig unverständlich.
Re: Schwierige deutsche Geschichte
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 17:53 Uhr (Zitieren)

sie habe sich immer gewundert, warum die Westberliner, die doch die Eingemauerten waren, die jenigen gewesen sind


Um den Kontext zu verstehen ist es sicher ganz gut, das Mauermuseum am Checkpoint Charly zu besuchen. Für die junge Generation ist das Defizit verständlich, denn die Mauer ist heute kaum noch sichtbar und entfaltet ja auch keine Wirkung mehr. Für mich als Westdeutschen, der seit fast 15 Jahren in Berlin lebt, ist die unsichtbare Mauer in den Köpfen der West- bzw. Ostberliner aber noch an mancher Stelle sichtbar. Ein positiver Aspekt: die junge Generation wird diese Mauer in den Köpfen weitgehend nicht mehr aufbauen. Mitte der 90èr hielt ich einen Vortrag über technische Innovation und Märkte im Wettbewerb vor Ostdeutschen. Als ich den Trabbi als Beispiel für veraltete Technik, die sich im Markt nicht behaupten kann, nannte, empörte sich das Auditorium spontan lautstark. Ich wartete also ab, bis sich die Erregung ein wenig gelegt hatte und betrachtete derweil den Parkplatz. Dort standen viele Autos – kein einziger Trabbi. Alle „Westmarken“ waren vertreten. Dennoch war es mühsam die emotionale Bindung an dieses Gefährt sachlich in die Thematik einzubinden. Es gibt wohl niemand sein Lebensbewältigungskonzept einfach mal auf. Das gilt allerdings für alle Menschen.
Re: Schwierige deutsche Geschichte
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 18:07 Uhr (Zitieren)
Der Trabbi, keiner will ihn mehr fahren, und trotzdem ist er heilig...
Konkurrenzfähig ist das Ding nicht mehr, und über die Technik und den Komfort brauchen wir auch nicht zu reden.
Aber die Rennpappe ist auch ein gutes Beispiel, dass Not erfinderisch macht: Ich denke vor allem an die Karosserie (deren Aufbau ist wirklich ein Meisterstück!); und Beulen bekam ein Trabbi nie, nur Löcher.
Re: Schwierige deutsche Geschichte
Ὑλβάτης schrieb am 10.09.2010 um 18:10 Uhr (Zitieren)
Habt Ihr irgendwie gemerkt, dass die DDR-Bürger es so empfunden haben, dass sie nicht "in Freiheit" gelebt haben?
Re: Schwierige deutsche Geschichte
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 18:31 Uhr (Zitieren)
Habt Ihr irgendwie gemerkt, dass die DDR-Bürger es so empfunden haben, dass sie nicht "in Freiheit" gelebt haben?


Manche ja, viele trauern heute noch der materiellen Sicherheit nach (Kuschelsozialismus)
und beziehen die Freiheit ausschließlich auf die materiellen Möglichkeiten. "Was nützt mir die Freiheit, wenn ich mir nicht leisten kann, nach Australien zu fliegen". ... das o.ä. habe ich oft als Argument gehört. Wer sich mit dem System arrangiert hatte, fühlte sich meist frei genug. Insbesondere dann, wenn man ihn behelligte. Allerdings sollte man nicht glauben, dass die Leute nicht genau wussten wo sie lebten. Die Wiedervereinigung hätte kaum funktionieren können, wenn das Bildungsniveau und eigenständiges Denken nicht auch da gewesen wären. Schließlich haben die DDR`ler selbst mit dem Regime Schluss gemacht.
Die armen Nordkoreaner - wenn das System mal zusammenbricht wird es wirklich arg!

Re: Schwierige deutsche Geschichte
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 18:33 Uhr (Zitieren)
Das Geschichtsbild eines Menschen wird sicher sehr geprägt von der Zeit, in der er aufwächst. Ich bin in der Schule mit der marxschen Lehre vom ständigen Kampf zwischen besitzender und nichtbesitzender Gesellschaftsklasse bombardiert worden. Ein solch simpel gestricktes Geschichtsbild zu revidieren, kostet Zeit und Mühe. Im Sommer 1989 bin ich nach Leipzig gezogen und hörte dort als Gasthörer im Theologischen Seminar (eine nicht linientreue Lehranstalt) "Weltgeschichte nach Hiroshima" und fiel damals aus allen Wolken, dass Geschichte auch ganz anders betrachtet werden kann.
Als es im Herbst '89 immer mehr im Land gärte, sagte der Dozent: "Was da draußen passiert - da wird Geschichte geschrieben." - Ich glaube, ich habe erst viel später verstanden, was er damit meinte.

Was die Mauer in den Köpfen angeht: Bei vielen, die die Mauer erlebt haben, ist sie im Kopf noch da. Spannend ist es sich mit Leuten zu unterhalten, die die Zeit vor der (Berliner) Mauer noch erlebt haben.
Re: Schwierige deutsche Geschichte
Ὑλβάτης schrieb am 10.09.2010 um 18:58 Uhr (Zitieren)
Ach, Πέγασος, Du bist aus der Gegend? (Aber nein, das ist eine private Frage, und mit privaten Dingen muss man im Internet vorsichtig sein! Also ziehe ich die Frage zurück.)

In meiner Kindheit hatte ich immer die Vorstellung, dass in der DDR alles schwarz-weiß ist; vor allem, glaube ich, weil wir das DDR-Fernsehen empfangen konnten, aber, soweit ich mich erinnere, nur in schwarz-weiß. Jetzt habe ich gesehen, dass der Rasen da auch grün ist; und wohl auch immer war.

Letztes Schuljahr habe ich Schülern erzählt, dass wir ja früher nur fünf Fernsehprogramme hatten, weil wir ja noch DDR1 und 2 bekommen haben. Da haben die mich gefragt, ob ich aus der DDR komme - und dabei hatte ich den Eindruck, dass ihnen der Gedanke vollkommen fremd ist, "dass es mal eine DDR gab". Die sind ja alle später geboren.
Re: Schwierige deutsche Geschichte
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 19:58 Uhr (Zitieren)
Die sind ja alle später geboren.


Die Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte lässt einen ja wirklich älter werden ... dann lieber Griechen und Römer ...
:-(
Re: Schwierige deutsche Geschichte
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 20:22 Uhr (Zitieren)
Die sind ja alle später geboren.


Eben. Für die liegt das ein ganzes Leben (ihr ganzes Leben) zurück. Und das ist für Kinder und Jugendliche eine Ewigkeit.

"vor 20 Jahren" ist für meine Kinder graue Vergangenheit; für mich und Dich gibt es reale Erinnerungen. Schon dadurch haben wir einen ganz anderen Blick auf die (jüngere) Vergangenheit als die nächste Generation.
Re: Schwierige deutsche Geschichte
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 20:24 Uhr (Zitieren)
Wir Lehrer haben keine Schüler mehr, die das noch erlebt haben!
Re: Schwierige deutsche Geschichte
Πέγασος schrieb am 10.09.2010 um 20:31 Uhr (Zitieren)
... dass in der DDR alles schwarz-weiß ist...


Das habe ich schon öfter gehört. In der Gegend um Bitterfeld, Böhlen, Leuna usw. war tatsächlich alles grau, wegen der Luftverschmutzung.

Und als ich das erste Mal "im Westen" war, kam mir die Welt viel bunter vor. Seltsam, nicht war?
Re: Schwierige deutsche Geschichte
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 20:44 Uhr (Zitieren)
Das war auch immer mein stärkster Eindruck, wenn ich aus einem sozialistischen Land zurück in den Westen kam: Hier ist alles viel bunter!
Zu einem nicht geringen Teil entstand dieser Eindruck freilich durch die allgegenwärtige Werbung.
Und obwohl ich Werbung nicht liebe, erschien mir der Sozialismus optisch trist.
 
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