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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Monotheismus und die Sprache der Gewalt (1458 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 21:08 Uhr (Zitieren)
ἐγὼ γάρ εἰμι κύριος ὁ θεός σου, θεὸς ζηλωτὴς, ἀποδιδοὺς ἁμαρτίας πατέρων ἐπὶ τέκνα [...]

(Exodus 20, 5)

Der Ägyptologe Jan Assmann hat einmal die Frage nach dem Zusammenhang von Monotheismus, Intoleranz und Gewalt gestellt: Monotheismus und die Sprache der Gewalt. Wiener Vorlesungen. Wien 3. Aufl. 2007.
Das hat ihm seinerzeit einen Leitartikel im "Spiegel" eingetragen.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 21:20 Uhr (Zitieren)
Der Monotheismus kennt nur eine Dichtomie: der wahre Glaube (unserer) vs. der falsche Glaube (der aller anderen). Macht das nicht intolerant?
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 21:24 Uhr (Zitieren)

Gegenfrage: waren/sind Polytheisten weniger gewalttätig, brutal und intolerant (gewesen).

Römer, Griechen (insbesondere Alexander), Germanen usw. wußten auch, wie man ein Schwert schwingt. Atheisten (Stalin war sogar ein Ex-Priesterseminarist) suchten sich dafür eine Ideologie. Tja, wenn man im Besitz der "Wahrheit" ist, spielen kleine Verstöße gegen die Ethik um der höheren Sache willen keine bedeutende Rolle mehr.
Man kann das Thema m.E. nicht an einer bestimmten Religionsrichtung festmachen.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 21:30 Uhr (Zitieren)
Dann liefert der Monotheismus aber zumindest ein neues Motiv für Gewalt: religiöse Gewalt.
Wären die totalitären System des 20. Jahrhunderts ohne dieses Denkmodell "der einen Wahrheit, die wir besitzen", möglich gewesen?
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 22:04 Uhr (Zitieren)

Vermutlich verfiel mit der alleinseligmachenden Lehre durch Luthers Eingreifen und die spätere Aufklärung das einheitliche Denken und schuf damit die Basis für eine säkulare Form der Rechthaberei. Die französische Revolution hat ja auch gezeigt, dass man für Mord und Totschlag keinen Gott braucht. Gerade religiöse Gewalt als Ursache für Krieg dürfte nach 1648 zumindest in Deutschland obsolet gewesen sein - davon hatte man ja wohl nach der Erfahrung die Nase gestrichen voll. Die Motive für Gewalt sind meist nur religiös oder ideologisch ummäntelt worden.
Die wirklichen Gründe waren doch immer Interessen. Die Religion war eine Methode, die Interessen (Macht, Geld Besitz, Einfluss)zu befördern und einen Casus belli zu liefern.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 22:07 Uhr (Zitieren)
Darf ich Dir (und anderen) mal ein Buch empfehlen?

Karl Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen.

Dort wird die schrittweise Säkularisierung einer Idee analysiert.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 22:23 Uhr (Zitieren)

Danke, guter Tipp.

Liege ich mit meiner These außerhalb der wissenschaftlichen Erkenntnis?
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 10.09.2010 um 23:05 Uhr (Zitieren)
Das ist die Frage, ob Religion immer nur Konflikte um materielle Interessen kaschiert oder selbst Konflikte erzeugt.
Vermutlich können sich Motive problemlos mischen.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
ανδρέας schrieb am 10.09.2010 um 23:19 Uhr (Zitieren)

Ja, das ist sicher richtig. Manche Motive erschließen sich mir nicht. Man denke an den Pastor, der den Koran verbrennen will. Reine Provokation. Jeder ist wohl Gefangener seines Geistes. Aber man sollte wenigstens darauf achten, dass die Zelle anständig möbliert ist
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 11.09.2010 um 10:44 Uhr (Zitieren)
Der Monotheismus kennt nur eine Dichtomie: der wahre Glaube (unserer) vs. der falsche Glaube (der aller anderen). Macht das nicht intolerant?


Hängen das "Mono-" im Monotheismus und "wahr und falsch" so eng zusammen? Denkbar ist doch, dass auch ein Hindu, Indianer oder Aborigine sagt, er hätte den wahren Glauben, dass ein Grieche gegenüber einem Perser gesagt hätte, er hätte den falschen Glauben.
Wenn ein Jude an einen einzigen Gott glaubt, kann er dann nicht der Meinung sein, der christliche Glaube wäre immer noch ... wahr? Ich frage mich gerade wie Moslems Zoroastrier sehen - Wikipedia sagt, sie seien als "Buchreligion" anerkannt, nicht jedoch der Bahaismus.

Ansonsten denke ich, dass die religiöse Begründung für Gewalt und Intoleranz sehr häufig eine vorgeschobene ist.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 14:00 Uhr (Zitieren)
Nein, ein Jude kann so wenig wie ein Moslem akzeptieren, daß der christliche Glaube wahr sei - das hat einen einleuchtenden Grund und hat sich für mich auch schon in vielen Gesprächen bestätigt: Der christliche Glaube, Gott habe mit einer menschlichen Frau einen Sohn gezeugt, ist für sie Gotteslästerung. Zu schweigen von dem christlichen Glauben, dieser kleine Schreihals in seinen Windeln sei selber Gott.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 14:15 Uhr (Zitieren)
Logisch gesehen können die Aussagen "Gott hat einen Sohn" und "Gott hat keinen Sohn" nicht beide wahr sein.

***

Gibt es für die hier verbreitete Annahme, Religion sei in aller Regel kein genuines, sondern nur ein vorschgeschobenes Motiv für Gewalt, eine Begründung? Wobei ja einzelne Fälle, in denen es sich so verhält, noch keine Regel beweisen.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 20:39 Uhr (Zitieren)
Sehr bezeichnend ist, was Usama ibn Munqid über einen Dialog zwischen einem Moslem und einem Kreuzfahrer berichtet:
Ein andermal sah ich, wie einer von ihnen an Emir Mu’īn ad-Dīn – Gott erbarme sich seiner – herantrat, während er sich im Felsendom aufhielt, und sagte: „Willst du Gott als Kind sehen?“ „Ja“, sagte er, der andere ging voran und zeigte ihm endlich ein Bild Marias mit dem Messias als Kind auf dem Schoß. „Das ist Gott als Kind“, sagte er. Hoch erhaben ist Gott über das, was die Ungläubigen behaupten!

(Quelle: Francesco Gabrieli (Hrsg.), Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht. Zürich/München 1973, S. 122 f.)
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 11.09.2010 um 22:13 Uhr (Zitieren)
Komisch - ich hatte nur an den Eingottglauben gedacht, nicht an die anderen Glaubensinhalte der drei Religionen. Da hast Du Recht.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 23:05 Uhr (Zitieren)
Es ist das christliche Konzept der Trinität, das die monotheistischen Religionen voneinander scheidet.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 11.09.2010 um 23:13 Uhr (Zitieren)
Interessanter Gedanke:
Die jüdische Religion unterscheidet sich von der christlichen. Würden wir als Christen sagen, dass die jüdische Religion falsch ist?
Würde ein Moslem sagen, dass die jüdische Religion falsch ist? Würde ein Jude sagen, dass der Islam falsch ist?
Ich habe das vorgedankliche Gefühl, dass die Richtung entscheidend ist. Wenn die Trinität, über die ja auch die Orthodoxen eine andere Vorstellung haben, ein Problem für die Einschätzung des Christentums darstellt, ... jetzt habe ich vergessen, wie der Gedanke weiterging. Weil ich nachgucken wollte, wie das Gegenteil von "orthodox" heißt.
Ich denke weiter nach.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 23:18 Uhr (Zitieren)
- "Ungläubige"
- heterodox
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 11.09.2010 um 23:20 Uhr (Zitieren)
Oh, ich glaube die Orthodoxen sehen die Trinität gar nicht anders. Das waren andere.
Katholiken sind heterodox?
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 23:21 Uhr (Zitieren)
Moslems sagen, daß Moses und Jesus durchaus Propheten Gottes gewesen seien, deren Botschaft aber fehlerhaft überliefert worden sei, weshalb Gott es für nötig gehalten habe, den Menschen einen weiteren, endgültigen Propheten zu schicken.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 23:23 Uhr (Zitieren)
Paradoxie: Orthodoxe sind heterodox ... für Katholiken. (Freilich nicht im Hinblick auf die Trinität - das wären z.B. die Monophysiten.)
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 11.09.2010 um 23:27 Uhr (Zitieren)
Der (katholische) Theologe Clemens Sedmak unterscheidet drei Arten von Aussagen:
1. Aussagen über Tatsachen (wahr - falsch),
2. Aussagen über Sprache (richtig - unrichtig) und
3. 'symbolische Aussagen' (die wir religiöse nennen) (orthodox - heterodox).
D.h. wahr und falsch gibt es bei ihm für den Typ 3 nicht.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 11.09.2010 um 23:29 Uhr (Zitieren)
Der "Trialog" der drei abrahamitischen Religion in einer Tabelle zusammengefasst:
http://de.wikipedia.org/wiki/Abrahamitische_%C3%96kumene
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Γραικίσκος schrieb am 12.09.2010 um 00:33 Uhr (Zitieren)
Möglicherweise - ich kenne mich in den einschlägigen Dogmen nicht gut aus - ist Sedmarks These zu religiösen Aussagen (weder wahr noch falsch, sondern ...) heterodox?

Reizend: Solch eine Übersicht über die Unterschiede zwischen den drei abrahamitischen Religionen habe ich selber einmal für Unterrichtszwecke erstellt.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 12.09.2010 um 00:42 Uhr (Zitieren)
Zu den "Religionskriegen".
Ich hoffe, Du willst für die Annahme keine Beweise für eine Regel präsentiert haben. Es handelt sich ja um Annahmen.
Ich denke da an folgende Ereignisse: Dreißigjähriger Krieg, Conquista, Kreuzzüge, Irlandkonflikt
Meine genauen historischen Kenntnisse sind dabei eher mangelhaft.

Auffällig bei diesen Auseinandersetzung ist, dass entweder Ressourcen oder Einflussgebiete eine Rolle spielen.
Die Spanier in Südamerika waren sicherlich an Gold interessiert - dass die einheimische Bevölkerung dann auch noch Menschenopfer zu Tausenden darbringt, ließ sich sicher gut als Argument für Ausbeutung und Unterwerfung nutzen.

In Irland ist, soweit ich das verstanden habe, der Ärger nicht aus theologischen Gründen entstanden, sondern hat eher damit zu tun, dass die Katholiken von den protestantischen Engländern unabhängig sein wollen, die Protestanten aber nicht in einem katholischen Land leben wollen. In Deutschland zumindest funktioniert das.

Der Dreißigjährige Krieg mit seinen Allianzen, Eroberungen, Wiedereroberungen, Rückeroberungen und Plünderungen ... ist mir ein Rätsel. Die katholische Kirche schien mir aber durch die Reformation mächtig an Macht verloren zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie freiwillig länger darauf verzichten wollte. Vielleicht bin ich aber dabei zu sehr durch den Film "Luther" beeinflusst, in dem der Papst in Rom Geld brauchte, dass er sich durch religiöse ... nennen wir es Tribute besorgen musste. In der damaligen Gesellschaft war die Kirche, und damit die Religion die fast einzige Möglichkeit für einen Fürsten, die Masse Bevölkerung zu lenken, denke ich. Solange die Kirche den weltlichen Ordo aufrechterhalten hat, hatte man wohl weniger Probleme mit Steuern und öffentlicher Ruhe. Das "cuius regio, eius religio" von der anderen Seite betrachtet, lautet: Wessen Untertanen die Religion wechseln, der hat weniger Einflussmöglichkeiten.

Jetzt habe ich bei Wikipedia gelesen, dass die Kreuzzüge der Vormachtstellung Venedigs im Mittelmeerraum zugute kamen, muss aber gestehen, dass ich über Venedig noch wenig weiß und jetzt merke, dass die Kreuzzüge eine große Zeitspanne umfassen.

Was mir immer noch wichtig erschien war der folgende Gedanke: Wenn auch Christen nicht automatisch Pazifisten sind, ist doch der Gedanke, dass man seinen "Feinden" nicht vergibt, dass man für die "noch nicht Erleuchteten" eher das Schwert als das Gebetbuch bereitmacht, dem Christentum doch eigentlich fremd. Es muss also einen besonderen Grund für Kriege geben.

Jetzt fällt mir die Mission im Osten ein! Auch hier werden Machtbereiche erweitert, während doch die Mission in Mitteleuropa ohne Kriege vonstatten gegangen sind. Das Christentum konnte sich innerhalb des römischen Reichs ohne Kriege ausbreiten, über seine Grenzen hinaus (in diesem Fall) aber nicht.

Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich zu sehr mit dem Holzhammer argumentiere - eine Regel will ich damit nicht begründen, sondern nur angeben, warum ich bisher das Gefühl hatte, dass religiöse Gründe eher den argumentativen Überbau darstellen.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 12.09.2010 um 00:45 Uhr (Zitieren)
Oh, Sedmark 1 hatte ich ganz übersehen, während Sedmark 2 kam, hatte ich zu tun. Vielleicht wird aus Sedmark erst morgen was. Ich muss noch die Bäume auf dem Balkon gießen!
Bis denne nochmal.
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Πέγασος schrieb am 12.09.2010 um 09:01 Uhr (Zitieren)
... während doch die Mission in Mitteleuropa ohne Kriege vonstatten gegangen sind.


Hat Karl der Große nicht sehr kriegerisch die Germanen christianisiert?

Zur (früher) kriegerischen Mentalität des Christentums gibt es ein Buch von Eugen Drewermann: "Der Krieg und das Christentum - Von der Ohnmacht und Notwendigkeit des Religiösen."
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Πέγασος schrieb am 12.09.2010 um 09:05 Uhr (Zitieren)
Noch zum Drewermann-Buch, falls das interessiert:
"Anspruchsvoll, unbequem und herausfordernd. Drewermann geht auf vier Ebenen auf das Problem des Krieges ein, indem er historisch nach den Anlässen des Krieges fragt, psychologisch die Gründe des Krieges im Menschen untersucht, religiös und ethisch nach den Möglichkeiten der Kriegsvermeidung fragt... Ich kenne kein vergleichbares Buch zum Thema, das derart viele wissenschaftliche Disziplinen höchst originell und kenntnisreich miteinander verbindet. Und nicht zuletzt gefiel mir, dass Drewermann trotz komplizierter Gedankengänge anschaulich und konstruktiv schreibt." (Edgar Lück, Norddeutscher Rundfunk) "Dieses empfehlenswerte Buch ist spannend geschrieben und vermittelt auch dem mit der Problematik schon vertrauten Leser interessante Einsichten über den Menschen, den Krieg und die Fehler und Chancen des Christentums zur Überwindung des Krieges." (Manfred Bergmann, Pax Christi)
Re: Monotheismus und die Sprache der Gewalt
Ὑλβάτης schrieb am 12.09.2010 um 09:25 Uhr (Zitieren)
Oje, mit Geschichte hab ich's nicht so. Ich sollte ein, zwei Dinge nachlesen.
 
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