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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ein schlechtes Schiff (264 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 15.07.2025 um 23:48 Uhr (Zitieren)
1.
Οἱ τοῖχοι, Διόφαντε, τὰ κύματα πάντα δέχονται,
καὶ διὰ τῶν θυρίδων Ὠκεανὸς φέρεται.
δελφίνων δ‘ ἀγέλαι καὶ Νηρέος ἀγλαὰ τέκνα
ἐν τῷ πλοίῳ σου νηχόμενα βλέπεται.
ἂν δ‘ ἀναμείνωμεν, πλεύσει τάχα καί τις ἐν ἡμῖν.
οὐ γὰρ ἔνεστιν ὕδωρ οὐκέτι τῷ πελάγει.

Sieh, Diophantos, die Bordwand lädt sämtliche Fluten zu Gaste,
und Herr Okeanos kommt grad zu den Luken herein.
Schwärme von Meeresdelphinen und Nereus‘ schimmernde Kinder
schwimmen – guck’s dir nur an! – in deinem Kasten umher.
Wenn wir warten, dann fährt vielleicht noch ein Schiff in dem unsern,
denn im wirklichen Meer fehlt es an Wasser bereits.


2.
Was für ein Steinbruch gab, Dionys, dies Holz dir zum Bauen?
Was für Mühlsteine denn hast du zum Schiffe gebraucht?
Wenn ich mich richtig betrachte, das ist ja nicht Eiche noch Tanne,
Blei ist’s! Und Wurzeln noch schlägt’s bald auf dem Grunde der See.
Fels dann werde ich vielleicht wie Niobe plötzlich; ja schlimmer,
Meliton hört es und kitscht gar noch ein Drama auf mich.


3.
Hoi, wir fahren zur See, Dionysios! Sämtliche Meere
Sämtlicher Breiten bereits sind in das Schifflein gestürzt.
Drin ist das Meer der Tyrrhenis, der Adria, Issos, Ägäis;
das ist kein Schiff mehr, das ist Ozeans hölzerner Quell ...
Auf zu den Waffen, mein Kaiser! Gib acht! Dionysios ist nun
nicht mehr Schiffskommandant, sondern Beherrscher der See.
[ὁπλίζου, Καῖσαρ. Διονύσιος ἄρχεται ἤδη
οὐκέτι ναυκληρεῖν, ἀλλὰ θαλασσοκρατεῖν.]

[Lukillios; Anthologia Graeca XI 245-247]
Re: Ein schlechtes Schiff
filix schrieb am 17.07.2025 um 12:01 Uhr (Zitieren)
Wer ist dieser Dionysios, der einen (späteren) Kaiser zum Gegner hat? Ich finde die Behauptung, es handle sich um Sextus Pompeius, den wichtigsten Gegner Octavians vor Antonius, der wegen seiner Herrschaft über Sizilien, Sardinien und Korsika im Vergleich mit den mächtigen Tyrannen von Syrakus diesen Spitznamen erhielt, insbesondere aber zeitweise eine Art Thalassokratie errichten konnte durch Blockade der Seewege nach Rom.
Re: Ein schlechtes Schiff
Γραικύλος schrieb am 17.07.2025 um 12:48 Uhr (Zitieren)
Diese Vermutung erwähnt auch Beckby in seinem Kommentar.

Mir erscheint es seltsam, daß ein Autor zu einem 100 Jahre zurückliegenden Ereignis jemandem einen Ratschlag erteilen sollte, da doch diese Messe längst gelesen ist.

Daß als Autor des Epigramms auch Nikarchos in Betracht kommt, ändert daran nichts, denn der war ein Zeitgenosse von Lukillios.

Und wer sollte der Dionysios in XI 246 sein?

Passen die Aussagen über ein leckes bzw. überschweres Schiff überhaupt auf Sextus Pompeius? In welchem Sinne?
Re: Ein schlechtes Schiff
Bukolos schrieb am 17.07.2025 um 13:42 Uhr (Zitieren)
Der verspätete Ratschlag ließe sich vielleicht noch mit mimetischer (in der Zeit um 36 v. angesiedelter) Rede rechtfertigen. Aber wie bringt man es mit Sextus Pompeius zusammen, dass der Dionysios des Epigramms als ναύκληρος bezeichnet wird? Wie, dass die Thalassokratie des Dionysios sich nur auf das sich im Schiff sammelnde Wasser aller Meeresteile beschränkt, während jener ja eine reale Bedrohung für Octavian darstellte? Hinzu kommt, dass der Name Dionysios in Lukillios' Epigrammen ziemlich häufig in allen möglichen Zusammenhängen auftaucht (7mal in den erhaltenen Gedichten).

Da Lukillios sein zweites Epigrammbuch Nero gewidmet hat (AP 9, 572), ist es nicht unwahrscheinlich, dass er sich auch hier direkt an diesen wendet, um ihn scherzhaft vor scheinbarer Gefahr zu warnen. (In Lucia Floridis Lukillios-Kommentar wird die Sextus-Pompeius-Deutung nicht diskutiert.)
Re: Ein schlechtes Schiff
filix schrieb am 17.07.2025 um 13:55 Uhr (Zitieren)
Mir kamen rein assoziativ Neros in einem hölzernen Amphitheater abgehaltene Naumachien in den Sinn.

Lässt sich irgendetwas aus der Liste an Meeren, die da fluten, gewinnen? Adria, Tyrrhenisches Meer und Ägäis sind klar Großregionen, die zusammen quasi das Mittelmeer als „Weltmeer“ symbolisieren sollen. Aber der (Meerbusen von) Issos?
Re: Ein schlechtes Schiff
Γραικύλος schrieb am 17.07.2025 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Lukillios ist ein Spötter, und bei einem Spötter gehe ich immer zunächst davon aus, daß der Witz bei seinem Auditiorium, also in der Gegenwart zünden muß - allenfalls über in der Gegenwart noch virulente Mythen, wie bei Lukian.

Ich sehe nicht, wie ein Witz funktionieren sollte, der sich auf ein sehr spezielles, dem Publikum vielleicht gar nicht mehr bekanntes historisches Ereignis beziehen sollte, und dann auch noch in der Form eines Ratschlags an eine historische Figur.

Das ist so, als schriebe ich einen Ratschlag an Bismarck: "Na, bei der Annexion von Elsaß-Lothringen hättest du mal besser aufpassen sollen! Jetzt hast du die Franzosen im Nacken!"
Darüber lächelt man vielleicht im historischen Oberseminar.

Allerdings legt der Ratschlag an den Kaiser (Nero) irgendeinen zu dieser Zeit aktuellen Bezug nahe. Aber wer weiß heute schon noch, welche Meldungen über stümperhafte Kapitäne und marode Schiffe damals in den acta diurna standen?

Die Erwähnung von Issos ist auffallend. So könnte aber auch ein Witz funktionieren: lauter veritable Meere wie der Atlantik, die Nordsee, die Ostsee ... und dann sogar noch das kurische Haff.
Re: Ein schlechtes Schiff
filix schrieb am 18.07.2025 um 10:32 Uhr (Zitieren)
Die Pointe mit der drastisch abfallenden Bedeutung der Gewässer würde funktionieren, käme Issos an letzter Stelle wie das kurische Haff, im Epigramm steht es aber an vorletzter.
Ισσικός geht wohl auf den frz. Altphilologen Letronne zurück, während andere Ausgaben Ιστρικός haben, also eine Bezeichnung für das den anderen an Bedeutung ebenbürtige Schwarze Meer.

Es verhält sich wohl, wie Bukolos sagt, die Warnung des Kaisers vor einem aufkommenden Thalassokraten, einem Herren des antiken Weltmeers, der doch nur ein schiffbrüchiger Pechvogel ist, ein stock character, der in verschiedenen Epigrammen aufkreuzt, gehört in das ironische Spiel mit potentieller Gefahr für die Herrschaft ohne konkreten historischen Bezug.

Sie wird Nero in den Wirren von 68 n. in Gestalt des aufständischen Lucius Clodius Macer einholen, der mit der Einnahme des Hafens von Karthago den Seeweg und die Getreideversorgung Roms kontrollierte. Auf der Rückseite der ihm zu Ehren geprägten Denare sient man zumeist ein Schiff als Zeichen seiner Seeherrschaft.
 
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