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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Das Buch Henoch #2 (174 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 27.07.2025 um 22:46 Uhr (Zitieren)
Alsdann machte ich einen Kreislauf zu einem Platze, auf welchem nichts vollendet war.
Und da sah ich weder das ehrfurchtgebietende Werk eines erhabenen Himmels, noch einer festgestellten Erde, sondern einen öden Raum, bereit gehalten und furchtbar.
Da auch sah ich sieben Sterne des Himmels darin zusammengebunden, gleich großen Bergen und gleich einem glänzenden Feuer. Ich rief aus: Wegen welcher Art von Verbrechen sind sie gebunden und warum sind sie entfernt worden an diesen Platz? Darauf antwortete Uriel, einer von den heiligen Engeln, welcher bei mir war, und welcher mich führte: Henoch, warum fragst du, warum forschest du bei dir und suchst ängstlich? Dies sind die von den Sternen, welche den Befehl des höchsten Gottes übertreten haben und hier gebunden sind, bis die unendliche Anzahl der Tage ihrer Strafe vollendet ist.
Von da ging ich nachher weiter zu einem anderen furchtbaren Platze,
wo ich sah die Tätigkeit eines großen lodernden und glänzenden Feuers, in dessen Mitte eine Trennung stattfand. Feuersäulen bekämpften einander bis zu dem Ende des Abgrundes; und tief war der Abhang. Doch weder sein Maß noch seine Größe war ich imstande zu entdecken; auch konnte ich seinen Ursprung nicht wahrnehmen. Da rief ich aus: Wie furchtbar ist dieser Platz und wie schwer zu erforschen!
Uriel, einer von den heiligen Engeln, welcher bei mir war, antwortete und fragte: Henoch, warum bist du erschrocken und erstaunt über diesen schrecklichen Platz, bei dem Anblick dieses (Platzes des) Leidens? Dies, sagte er, ist das Gefängnis der Engel und hier werden sie gehalten für immer.

[1 Henoch 21, 1-6]
Re: Das Buch Henoch #2
Aurora schrieb am 28.07.2025 um 07:52 Uhr (Zitieren)
Info (Exegese/Rezeption):

Literarischer Kontext
Der Abschnitt gehört zur großen Himmelsreise Henochs, bei der ihn der Erzengel Uriel durch verschiedene kosmische Bereiche führt. Diese Reiseberichte (Kap. 17-36) sind zentral für die henochische Kosmologie und Eschatologie.
Exegetische Beobachtungen
Die sieben gefesselten Sterne (V. 1-3):

Die "sieben Sterne" sind höchstwahrscheinlich die Wächterengel aus 1 Hen 6-11, die "Söhne Gottes" aus Gen 6,1-4
Ihre Darstellung "gleich großen Bergen" betont die kosmische Dimension ihrer einstigen Macht
Das "glänzende Feuer" könnte ihre ursprüngliche himmlische Herrlichkeit symbolisieren, die nun zur Fesselung geworden ist
Die "unendliche Anzahl der Tage" deutet auf ewige Strafe hin, im Gegensatz zur zeitlich begrenzten Strafe der Menschen

Der Feuerabgrund (V. 4-6):

Das "große lodernde Feuer" mit den kämpfenden "Feuersäulen" evoziert chaotische, vorweltliche Kräfte
Der unermessliche "Abgrund" (hebr. תהום, tehom) erinnert an das Urmeer der Schöpfung
Henochs Unfähigkeit, Maß und Ursprung zu erkennen, unterstreicht die Transzendenz göttlicher Gerechtigkeit

Theologische Bedeutung
Angelologie: Der Text entwickelt eine differenzierte Engellehre - nicht alle Engel sind gleich, manche können fallen und werden bestraft.
Theodizee: Die kosmischen Gefängnisse erklären, warum das Böse in der Welt existiert, aber nicht triumphiert - es ist bereits besiegt und eingekerkert.
Eschatologie: Die ewige Bestrafung der Engel kontrastiert mit der Hoffnung auf Erlösung für die Gerechten unter den Menschen.

Die wichtigsten neutestamentlichen Bezüge zu henochischen Traditionen über gefallene Engel:
Direkte Bezüge:
2. Petrus 2,4:
"Denn Gott hat selbst die Engel, die gesündigt haben, nicht verschont, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis in die Hölle gestoßen und übergeben, dass sie für das Gericht aufbewahrt werden."

Direkte Parallele zur Engelgefangenschaft bei Henoch
"Ketten" entspricht der Fesselung der sieben Sterne

Judas 6:
"Und die Engel, die ihren himmlischen Rang nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verließen, hat er für das Gericht des großen Tages festgehalten mit ewigen Banden in der Finsternis."

"Behausung verlassen" = Abstieg zur Erde (vgl. 1 Hen 6-16)
"Ewige Bande in der Finsternis" = kosmische Gefängnisse

Judas 14-15:
Direktes Zitat aus 1 Henoch 1,9 über Gottes Gericht
Mögliche Anspielungen:
1. Korinther 6,3:
"Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden?"

Könnte auf das eschatologische Gericht über gefallene Engel anspielen

Offenbarung 20,1-3:
Die Fesselung Satans im Abgrund zeigt strukturelle Ähnlichkeiten
Wichtiger Vorbehalt:
Nicht alle diese Bezüge sind zweifelsfrei henochisch - manche könnten auf gemeinsame ältere Traditionen zurückgehen oder unabhängig entwickelt worden sein. Die Judas-Epistel zeigt aber definitiv Kenntnis henochischer Literatur.


Gesichert:

Die Qumranfunde (mehrere aramäische Henoch-Fragmente)
Explizites Zitat im Judasbrief (Jud 14-15)
Vollständige Bewahrung im äthiopischen Kanon
James Bruce' Manuskriptbringung 1773
Datierung ins 3.-1. Jh. v.Chr.

Teilweise gesichert/umstritten:

Die Rezeption bei frühen Kirchenvätern ist dokumentiert, aber deren genaue Einschätzung der Autorität variiert
Hieronymus' und Augustinus' Ablehnung ist belegt, aber die Gründe sind komplexer als dargestellt

Problematisch:

"Hohes Ansehen in der Spätzeit des Zweiten Tempels" - das ist eine Interpretation der Qumranfunde, nicht zwingend repräsentativ
Die direkte Verbindung zur Merkabah-Mystik ist spekulativ
Meine Darstellung der "Transformation" im Mittelalter ist zu vereinfachend

Methodisch unsicher:
Die Rekonstruktion einer "Rezeptionsgeschichte" über 2000 Jahre ist immer lückenhaft. Besonders für die Spätantike und das frühe Mittelalter fehlen oft Belege für Kontinuität oder Brüche.
Re: Das Buch Henoch #2
Γραικύλος schrieb am 29.07.2025 um 22:51 Uhr (Zitieren)
Wohlgemerkt, nach meiner Kenntnis die älteste Höllenschilderung.
 
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