Schon mehrfach habe ich mich gefragt, ob Homer meine List, also die Täuschung mit Achills Rüstung, als korrespondierend zu Odysseus‘ Listen hat gestalten wollen oder können. Bin ich ein zweiter Odysseus?
Natürlich wollte ich in der Rüstung des Achill das Kampfgeschehen forcieren. Als Patroklos wäre ich weniger beeindruckend gewesen. Eher unbedeutend.
Irgendwie wollte ich Achill sein, wollte seine Identität annehmen. Das gelang ja teilweise auch. Selbst die Achäer sahen da und dort endlich Achill im Kampf.
Ja, ich habe die Grenze, die Achill vorgegeben hatte, überschritten. Da wollte ich ganz Achill sein. Der große Achill. Hybris.
Hektor kannte mich. Womöglich wollte er nur die Rüstung. Er hatte beeindruckende Helfer.
Haben die Pferde des Achill um ihren Herrn geweint? Nein, um mich!
Am Ende war mein Tod Auslöser für die Rache, für den Tod Hektors durch Achill. Mehr bietet die „Ilias“ ja letztlich nicht. Mein Tod, dann Hektors Tod.
Meine Täuschung war selbstredend erzählerisch nötig. Wie mein Tod. Darauf bin ich weltliteratisch stolz.
Der listenreiche Odysseus musste den Polyphem täuschen, damit Homer Poseidon erzählerische Rache nehmen konnte. Es konnten erst dadurch die Abenteuer folgen.
Ich war nur kurz listenreich. Seine Listen neide ich Odysseus. Homer hat es so gewollt. Er wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Mit meiner Rüstungstäuschung kann ich leben. Ich hatte ja immerhin eine pompöse Bestattung. Von Odysseus ist eine solche nicht bekannt.
Bis heute kann ich mit meiner Rolle gut leben. Es kann nicht jeder ein Odysseus sein. Das hätte auch Homer nicht fertiggebracht. Ich bin ihm dankbar dafür.