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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Vorlesewut (207 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 17.08.2025 um 23:48 Uhr (Zitieren)
Ποιητὴς πανάριστος ἀληθῶς ἐστιν ἐκεῖνος,
ὅστις δειπνίζει τοὺς ἀκροασαμένους.
ἢν δ‘ ἀναγινώσκῃ καὶ νήστιας οἴκαδε πέμπῃ,
εἰς αὐτὸν τρεπέτω τὴν ἰδίαν μανίην.

Der ist gewiß und wahrhaftig der beste von sämtlichen Dichtern,
der seine Hörer bei sich gerne zu Gaste behält.
Liest er dagegen erst vor und schickt sie dann nüchtern nach Hause,
üb er doch lieber an sich selbst seine Vorlesewut.

[anonym; Anthologia Graeca XI 394]
Re: Vorlesewut
Aurora schrieb am 18.08.2025 um 08:21 Uhr (Zitieren)
Gäbe es nicht auch andere Gründe, die Leute danach wegzuchicken?
Re: Vorlesewut
Γραικύλος schrieb am 18.08.2025 um 11:51 Uhr (Zitieren)
Ich habe das so verstanden: Wenn das Vorlesen nicht mit einem Gastmahl verbunden ist, dann kann er sich das Vorlesen schenken.
Re: Vorlesewut
Patroklos schrieb am 18.08.2025 um 12:20 Uhr (Zitieren)
Ist der Witz nicht: soll er doch für sich, alleine, LAUT vorlesen?
Re: Vorlesewut
Udo schrieb am 18.08.2025 um 13:37 Uhr (Zitieren)
üb er doch lieber an sich selbst seine Vorlesewut.

Das klingt für mich in der Übersetzung nach Selbstdarstellungssucht
und Eitelkeit gepaart mit Zynismus:
O wie war ich toll, doch zu essen kriegt ihr bei mir nichts.
Mein Vortrag ist (geistige) Nahrung genug!

τὴν ἰδίαν μανίην.

Muss es unbedingt Vorlesewut bedeuten?

Ich finde diese Bedeutungen für diesen Kontext:
Poetische Inspiration:
μανία ποιητική - dichterischer Wahnsinn/Furor poeticus
Kreative Besessenheit des Dichters
Bei Platon (Phaidros): Dichtung als Form göttlicher Mania

Re: Vorlesewut
Andreas schrieb am 18.08.2025 um 14:27 Uhr (Zitieren)
Hier sind die wichtigsten Bedeutungen und Nuancen von "μανία" im Altgriechischen:

Wahnsinn, Tollheit, Raserei: Dies ist die gebräuchlichste und bekannteste Bedeutung. "μανία" beschreibt hier einen Zustand des geistigen Verwirrung, des Verlusts der Vernunft und der unkontrollierbaren Wut. Es kann sich auf krankhaften Wahnsinn beziehen oder auf eine vorübergehende, von den Göttern gesendete Raserei, die einen Menschen ergreift.

Begeisterung, göttliche Inspiration: Eine sehr wichtige Nuance, die besonders bei Platon und anderen Philosophen auftritt. In diesem Kontext ist "μανία" keine Krankheit, sondern eine von den Göttern geschenkte Verzückung. Platon unterscheidet im Dialog "Phaidros" vier Arten der göttlichen "μανία":

Prophetische Manie: Die Inspiration eines Orakels oder eines Sehers, der durch einen Gott (z.B. Apollon) in einen Zustand der Voraussicht versetzt wird.

Poetische Manie: Die Inspiration eines Dichters, der vom Gott (z.B. den Musen) ergriffen wird und Gedichte schafft, die über seine eigenen Fähigkeiten hinausgehen.

Telestische (initiatorische) Manie: Die ekstatische Raserei, die bei den Mysterienkulten (z.B. den dionysischen Riten) auftritt und zur Reinigung oder zur Initiation in die Geheimnisse der Götter führt.

Erotische Manie: Die "rasende" Liebe, die einen Menschen über sich hinauswachsen lässt und ihn zur Schönheit und zum Göttlichen emporführt.

Stürmische Leidenschaft oder Besessenheit: "μανία" kann auch eine extreme, obsessive Leidenschaft für etwas beschreiben, die fast krankhaft wirkt. Dies ist die Bedeutung, die sich im Deutschen in Wörtern wie "Bibliomanie" oder "Kleptomanie" erhalten hat.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass "μανία" im Altgriechischen sowohl ein Zustand des Irrsinns und der Raserei als auch ein Ausdruck göttlicher Inspiration, ekstatischen Enthusiasmus und extremer Leidenschaft sein konnte. Die genaue Bedeutung erschließt sich immer aus dem jeweiligen Kontext.
Re: Vorlesewut
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 18.08.2025 um 17:03 Uhr (Zitieren)
Nach meinem Verständnis liegt der Witz darin:

Wenn er schon seiner Dichterleidenschaft (-besessenheit) öffentlich frönen will, soll er auch an die armen Zuhörer denken und sie wenigstens mit einem Essen schadlos halten.
Re: Vorlesewut
Patroklos schrieb am 18.08.2025 um 19:32 Uhr (Zitieren)
Lieber bzw liebes στρουθίον οἰκιακόν,
Wir gehen zu einer Lesung und sind ungeheuer enttäuscht. Und es gibt zudem keine Speisung anschließend.
Da sind wir anderes gewöhnt. Es reicht! Nie wieder! Soll er doch vor sich hin alleine lesen!
Da schreiben wir ein böses Epigramm! Und wohin gehen wir noch? In dies Restaurant am Hafen? Kennst Du die Speisekarte?
 
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