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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Paedagogus cruciarius (180 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 11.09.2025 um 23:44 Uhr (Zitieren)
Calpurnius Flaccus, Deklamationen 17:
Paedagogus cruciarius / Der Erzieher, der gekreuzigt werden soll

Civitatem peregrinus usurpans veneat.] Pauper et dives inimici. Visi sunt in gratiam redisse. Pauper accusatus peregrinitatis venit, emit eum dives et paedagogum filio dedit. Adulescens in adulterio deprehensus occisus est. Agitur paedagogus in crucem. Appellat tribunos de iniusto supplicio.

Ein Ausländer, der sich das Bürgerrecht anmaßt, soll als Sklave verkauft werden. Ein Armer und ein Reicher waren verfeindet. Sie schienen sich wieder versöhnt zu haben. Der Arme wurde angeklagt, Ausländer zu sein, und als Sklave verkauft; der Reiche kaufte ihn und gab ihn seinem Sohn zum Erzieher. Der junge Mann wurde beim Ehebruch erwischt und ge-tötet. Der Erzieher wird zur Kreuzigung abgeführt. Er appelliert an die Tribunen wegen ungerechtfertigter Strafe.

[Für den Erzieher]
1. Ich für meinen Teil, ihr Richter, wünschte immer, dass mir der Reiche gewogen sei. Ich habe mich dem Reichen, auch schon bevor ich von ihm gekauft worden war, ganz auf Treu und Glauben übereignet.

2. Ich höre, dass ich plötzlich Ausländer bin, was selbst Vater noch Mutter mir jemals enthüllt und mir noch nicht einmal der Reiche während unserer Feindschaft je vorgeworfen hat.

3. Er gab mich einem Sohn bei, der bereits zügellos und leichtfertig war, obwohl doch sein Vater alles selbst besorgte und bestimmte.

4. Ich erflehe eure Hilfe, die eure Vorfahren sogar Sklaven von Geburt als letzte Möglichkeit gewährten. In Sklaverei hineingeboren und mit Freiheitsentzug bestraft zu werden, ist nicht ein und dasselbe.

5. Sogleich hieltest du mich für zuverlässig und schätztest mich als geeignet ein, aber schon damals hättest du wissen können, dass ich nicht glücklich war.

6. „Mein Sohn wurde getötet“, sagt er. Wenn zu Unrecht, dann beschuldige den Mörder, wenn zu Recht, dann beschuldige die Gesetze. (1) [Si iniuria, interfectorem argue, si iure, leges.]

7. Ich war es, so glaube ich, der ihn mit seiner Zügellosigkeit zum Ehebrecher gemacht hat (2) - ich, ein frischgebackener Sklave und, bevor ich Sklave wurde, armer Mann.

8. Vieles hast du ihm geschenkt, alles hast du ihm verziehen, nichts hast du ihm je verweigert. [Multa largiebaris, indulgebas omnia, nihil umquam negabas.]

(Calpurnius Flaccus: Deklamationen. Hrsg. v. Stefan Knoch. Berlin/Boston 2024, S. 72 f.)

(1) aufgrund derer ein Ehebrecher getötet werden durfte
(2) ironisch gemeint
Re: Paedagogus cruciarius
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 12.09.2025 um 10:49 Uhr (Zitieren)
Auf Grund welchen Gesetzes hat der Sklave überhaupt zum Kreuzestod verurteilt werden können (wogegen er jetzt appelliert)? Als Tatbestand käme ja wohl (höchstens) "Anstiftung zum Ehebruch" in Frage.
Re: Paedagogus cruciarius
Γραικύλος schrieb am 12.09.2025 um 11:03 Uhr (Zitieren)
Ich glaube, der entscheidende Vorwurf taucht in ironischer Form in 7 auf.
Wobei mir nicht klar ist, inwieweit der Herr nicht ohnehin mit seinem Sklaven machen durfte, was er wollte. Daß dem Sklaven offenbar ein Prozeß zusteht, in dem er gegen seinen Herrn klagt, ist ja nicht selbstverständlich.
Re: Paedagogus cruciarius
Patroklos schrieb am 12.09.2025 um 11:20 Uhr (Zitieren)
Hätte nicht Aristoteles behelligt werden müssen, da sein Zögling später Kriege führte?
Sollte man eben deswegen Aristoteles anders bewerten? Zum Beispiel keine Straße nach ihm benennen? (Aristotle Road, London)
Re: Paedagogus cruciarius
Udo schrieb am 13.09.2025 um 12:16 Uhr (Zitieren)
Zeitleiste zur Entstehung und Entwicklung der Kreuzigung:

9.–7. Jh. v. Chr. – Assyrer/Babylonier
Anwendung von Pfählungen und „An-den-Pfahl-Hängen“ als Strafe für Feinde und Aufständische.

5. Jh. v. Chr. – Persisches Reich
Erste klar belegte Kreuzigungen (Herodot, Ἱστορίαι 1,128). Verurteilte wurden an Bäume oder Holzbalken gebunden oder genagelt.

4.–3. Jh. v. Chr. – Griechen
Nutzung vor allem gegen Piraten, Verräter und Sklaven. Kreuzigung war aber seltener als bei Persern.

3.–2. Jh. v. Chr. – Karthager
Übernahmen und verbreiteten die Praxis, insbesondere bei Feldherrn, die versagt hatten.

3. Jh. v. Chr. – Römer
Adaption und systematische Einführung als Hinrichtungsform. Strafe besonders für Sklaven, Aufständische und Nichtbürger.

1. Jh. v. Chr. – Römer
Masseneinsatz bei Sklavenaufständen (z. B. 71 v. Chr.: 6.000 Gefangene des Spartacus-Aufstands wurden entlang der Via Appia gekreuzigt).

1. Jh. n. Chr. – Römisches Reich
Kreuzigung Jesu und anderer Verurteilter in Judäa. Typisch: Tragen des Querbalkens (patibulum), Fixierung am Pfahl (stipes).

4. Jh. n. Chr. – Römisches Reich
Kaiser Konstantin schafft die Kreuzigung (angeblich um 315 n. Chr.) ab – auch aus religiösen Gründen, da das Kreuz durch das Christentum heilig geworden war.

Damit kann man sagen:
Die Kreuzigung in engerem Sinne entstand um das 5. Jh. v. Chr. bei den Persern, wurde durch Karthager und Griechen vermittelt und von den Römern zur berüchtigten Standardstrafe ausgebaut.
Re: Paedagogus cruciarius
Udo schrieb am 13.09.2025 um 12:24 Uhr (Zitieren)
PS:
Früheste Belege

Herodot (5. Jh. v. Chr.)
Historien 1,128: Dareios I. kreuzigt 3.000 Babylonier.

Historien 3,125: ein Statthalter wird gekreuzigt.
→ Er ist der älteste griechische Autor, der ausdrücklich von σταυρόω („kreuzigen, ans Holz hängen“) spricht.

Xenophon (4. Jh. v. Chr.)
Anabasis 5,2,21: beschreibt, dass im Perserreich Kreuzigung als Strafe üblich ist.

Karthager und Griechen
Polybius (2. Jh. v. Chr.)
Historien 1,11: Karthager kreuzigen einen gescheiterten Feldherrn.
Diodor von Sizilien (1. Jh. v. Chr.)
Bibliotheke 33,15: berichtet über Kreuzigungen durch Römer nach Aufständen.

Römische Autoren
Cicero (1. Jh. v. Chr.)
In Verrem 2,5,66: nennt Kreuzigung „crudelissimum teterrimumque supplicium“ („die grausamste und abscheulichste Strafe“).
Pro Rabirio 16: das Kreuz soll „fern vom Körper, den Augen, den Gedanken eines Römers“ sein.
Livius (59 v. Chr.–17 n. Chr.)
Ab urbe condita 22,33: Kreuzigungen als Strafe für Deserteure.

Seneca (1. Jh. n. Chr.)
De consolatione ad Marciam 20,3: schildert verschiedene Formen (kopfüber, gespreizt, durchbohrt).

Jüdisch-römische Geschichtsschreibung
Flavius Josephus (1. Jh. n. Chr.)
Bellum Judaicum 5,449–451: während der Belagerung Jerusalems so viele Kreuzigungen, dass „Holz für Kreuze fehlte“.

Frühchristliche Texte
Neues Testament (1. Jh. n. Chr.)
Evangelien berichten von Jesu Kreuzigung.

Tacitus (Annalen 15,44)
erwähnt, dass Christus unter Tiberius durch Pontius Pilatus hingerichtet wurde.
Re: Paedagogus cruciarius
Patroklos schrieb am 13.09.2025 um 21:27 Uhr (Zitieren)
Das perfide suppedaneum zur Verlängerung der Qual hatten wir schon einmal.
 
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