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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ (841 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 04.11.2010 um 19:29 Uhr (Zitieren)
In lockerer Folge, wie es sich ergibt, möchte ich die Hauptlehrsätze Epikurs vorstellen. Heute:
Τὸ μακάριον καὶ ἄφθαρτον οὔτε αὐτὸ πράγματα ἔχει οὔτε ἄλλῳ παρέχει. ὥστε οὔτε ὀργαῖς οὔτε χάρισι συνέχεται. ἐν ἀσθενεῖ γὰρ πᾶν τὸ τοιοῦτον.

Epikurs Grundkonzept besteht darin, die Menschen durch vernünftige Einsicht von ihren Ängsten zu befreien; und die erste Angst ist die vor einem strafenden Gott.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
ανδρέας schrieb am 04.11.2010 um 20:47 Uhr (Zitieren)
...
Das Glückliche und Unzerstörbare hat selbst keine Mühen, noch verursacht es anderen Mühe, so dass es nicht durch Zorn oder Dankbarkeit betroffen ist. Alle diese Dinge entstehen (... nämlich...) durch Schwäche (bestehen aus Schwäche ?).
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Γραικίσκος schrieb am 04.11.2010 um 20:52 Uhr (Zitieren)
Im (beim) Schwachen, i.e. bei schwachen Wesen, nicht bei so vollkommenen wie einem Gott.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
ανδρέας schrieb am 04.11.2010 um 21:20 Uhr (Zitieren)

Also meint Epikur, dass die Götter/Gott so weit über den Dingen stehen, dass sie sich nicht darum scheren, ob man ihnen dankt oder ihre Strafe fürchtet? Dann wären sie keine Götter, da sie ja schwach wären. Also, Amöbe, schwimm in deinem Tröpfchen und frage nicht, ob den Göttern die Richtung deiner Schwimmbemühungen gefällt.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Γραικίσκος schrieb am 04.11.2010 um 21:31 Uhr (Zitieren)
Schon Liebe - und erst recht Haß - ist laut Platon (Symposion) Indiz für ein Defizit, für eine Unvollkommenheit, für ein Sich-nicht-selbst-Genügen. Vollkommene Wesen lieben und hassen nicht.
Also strafen sie uns auch nicht. Also brauchen wir keine Angst vor ihnen zu haben. Wir sollten freilich auch nichts von ihnen erhoffen.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
ανδρέας schrieb am 04.11.2010 um 21:54 Uhr (Zitieren)

Danach ist die Existenz der Götter zumindest in einer Hinsicht nicht erforderlich: auf der Ebene des Tauschverhältnisses.
Opfer darbringen/gottgefälliges Verhalten zeigen - Hilfe in Not und Wohlverhalten erhalten.
oder
Sünden begehen - in die Hölle verdammt werden.

Da bricht eine ganze Kultur zusammen. Oioioioi.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Πέγασος schrieb am 04.11.2010 um 22:05 Uhr (Zitieren)
Den Priestern hat Epikur damit gewiss gegen den Strich gebürstet. Wenn keiner Angst vor Göttern hat, wird doch deren Legitimation in Frage gestellt.
War das auch ein Grund, dass die Epikureer als "Lustmenschen" verunglimpft wurden? - Ich muss mich darüber mal belesen...
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
ανδρέας schrieb am 04.11.2010 um 22:29 Uhr (Zitieren)

Man kann Religion auch funktional als Autorität stiftende Methode betrachten. Die Autoritäten können damit Regeln aufstellen, die die Gesellschaft zusammenhalten. Dabei ist der Wahrheitsgehalt der Religion unerheblich, solange keiner nachfragt und die Regeln positiv wirken. Natürlich ist Missbrauch durch die Autoritäten latent möglich und historisch belegt.
Wenn sich die Bevölkerung aus Einsicht Regeln gibt, braucht man die Religion dann nicht. Aber das erfordert durchaus Zeit und Mühe, da die dafür erforderliche Bildung nicht einfach von selbst entsteht.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Γραικίσκος schrieb am 04.11.2010 um 23:17 Uhr (Zitieren)
Wenn es keinen Sinn hat, zu Göttern in Tauschverhältnisse zu treten, dann verlieren auch die Priester als Mittler ihre Funktion. Schlecht für sie und möglicherweise tatsächlich ein Grund für die in Umlauf gesetzten Verleumdungen Epikurs und seiner Anhänger.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Πέγασος schrieb am 05.11.2010 um 07:57 Uhr (Zitieren)
Das die Religion jahrtausendelang als Kitt der Gesellschaft diente, ist nicht zu leugnen: Herrscherdynastien beriefen sich auf ihre göttliche Abstammung, um ihren Herrschaftsanspruch zu bekräftigen. „Gottgefällige“ Rituale und Gesetze regelten das Zusammenleben. Und vielen Menschen diente der Glaube an einen Gott bzw. die Götter zum Trost und nahm Ängste. Das ist heute nicht viel anders.

Wenn Epikur sagt, dass es die Götter zwar gebe, sich diese aber nicht um die Menschen kümmern, muss das für die Menschen damals genauso schockierend gewesen sein, wie jemand, der die Existenz der Götter leugnete.

Ich kann mir gut vorstellen, dass das manchen Menschen Angst machte: Kein Gott, der sich kümmert, wenn er angefleht wird? Kenn Gott, der durch Opfer gnädig gestimmt werden kann? ... Darf man so etwas überhaupt denken? …
Wer das zuende dachte, musste für sich selbst Verantwortung übernehmen. „Und das erfordert Zeit und Mühe...“, wie ανδρέας treffend bemerkte.

***

Ich habe (noch) keinen guten Überblick über die Philosophen und deren Lehren. Mein Eindruck ist aber, dass Epikur zu den häufig missverstandenen Philosophen zählt: Einen Epikureer auf den Lustmenschen zu reduzieren ist doch ungefähr so, wie einen Feinschmecker als Vielfraß zu verunglimpfen.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Γραικίσκος schrieb am 05.11.2010 um 11:40 Uhr (Zitieren)
Den Gedanken, daß durch die Gleichgültigkeit Gottes gegenüber unseren menschlich-allzumenschlichen Anliegen eine spezifische Angst erzeugt, nicht nur eine weggenommen wird, empfinde ich als interessant. Darauf ist wohl erst sehr viel später Nietzsche in seinem "Gott-ist-tot"-Aphorismus gekommen.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
ανδρέας schrieb am 05.11.2010 um 18:20 Uhr (Zitieren)
Menschen sind nicht gern allein und orientierungslos. Da hilft manchmal auch die Illusion eines Gottes (wenn es denn eine sein mag, was weder bewiesen, noch widerlegt ist) gegen die Angst, allein zu sein. Dazu fällt mir das folgende Gedicht ein (passt zur Jahreszeit):

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unenntrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
(Hermann Hesse)
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Πέγασος schrieb am 05.11.2010 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Mir war gar nicht bewusst, eine Angst durch eine andere ersetzt zu haben... ;-) Ich habe nur versucht nachzuvollziehen, wie das auf die Menschen damals gewirkt haben mag.
Wichtig ist für mich eher die Erkenntnis, dass ein Leben ohne Götter, denen die Verantwortung zugeschoben werden kann, ein Leben in Selbstverantwortung sein muss; sowohl für das Einzelindividuum als auch für die Gesellschaft.

Aber so konsequent scheinen die Epikureer dann doch nicht gewesen zu sein.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
Πέγασος schrieb am 05.11.2010 um 19:51 Uhr (Zitieren)
Das Gedicht gefällt mir ... schaurig schön. Es beschreibt dieses existentielle Gefühl der Isolation in einer Nebelwand ... und manchmal auch im Leben.

Im Nebel zu wandern ... mir ist das schon öfter passiert; mein Hund will auch im Nebel raus.

Ich mag Hermann Hesse; da stammte hier aus der Gegend.
Re: ΚΥΡΙΑΙ ΔΟΞΑΙ
ανδρέας schrieb am 05.11.2010 um 20:27 Uhr (Zitieren)

Immerhin ist klar, wie die Menschen im Mittelalter Epikur und seine Sicht auf die Götter bewertet haben. Da waren die Verantwortlich-keiten eindeutig verteilt und Gott lichtete den Nebel. Abweichende Vorstellungen fanden eine eindeutige Ablehnung.
Dante versetzte die Epikureer in seiner „Göttlichen Komödie“ in die Hölle (10,13-15):

„Es liegen zwischen diesen Friedhofswänden
Mit Epikur die Jünger, die geneigt,
Die Seele mit dem Leibe zu beenden.“
 
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