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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
ἀλήθεια (565 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 01.01.2011 um 12:36 Uhr (Zitieren)
Berühmt ist Heideggers Deutung dieses Begriffs als 'Unverborgenheit'. Ihr zufolge ist Wahreit also eine Art Seinszustand, in meiner Sprache: eine Sachlage.

Nun finde ich in Hofmanns Etymologischem Wörterbuch des Griechischen:
ἀλήθεια (*-θεσια) f. Wahrheit: wer keine Vergeßlichkeit (*λῆθος) begeht, nichts verschweigt; s. λανθάνω.

Dies verweist ja nun eher auf ein sprechendes Subjekt, und zwar nicht (wie Heidegger meint) als eine spätere Konzeption des Aristoteles), sondern mit derselben Methode, deren sich Heidegger bedient, der Etymologie, abgeleitet.

Fällt jemandem hier etwas Kluges dazu ein?
Re: ἀλήθεια
ανδρέας schrieb am 01.01.2011 um 13:18 Uhr (Zitieren)

Ist ein "sprechendes Subjekt" hier als Person gemeint oder abstrakt?

Ein als Person auftretendes Subjekt fühlt sich der Wahrheit, also ohne etwas zu verschweigen, nicht unbedingt verpflichtet. Man denke an die reservatio mentalis (in der Rechtsprechung: der geheime Vorbehalt bei Willenserklärungen, wenn derjenige, der eine Willenserklärung abgibt, das Erklärte gar nicht will).
Erkennbar wird die Wahrheit doch erst durch die Kenntnis der Nicht-Wahrheit, die man erst entdecken muss. Die Unterscheidung macht den Begriff erst sinnvoll.
Das muss dann auch für den Seinszustand gelten: ohne die Kenntnis des "Nichts" (Nicht-Seins) würden wir es nicht entdecken können.
Alles Seiende könnte ja auch nicht sein. Nur so erkennt man m.E. überhaupt erst, dass etwas "ist".
Re: ἀλήθεια
Γραικίσκος schrieb am 01.01.2011 um 13:54 Uhr (Zitieren)
Beim späten Heidegger entfaltet das Sein (was immer das 'sein' mag) verschiedene Tätigkeiten: es verbirgt oder enthüllt sich u. dgl. Heidegger möchte damit zurück hinter die Auffassung des Aristoteles, Wahrheit sei die Eigenschaft einer Aussage über einen Sachverhalt; diese Aussage erfolgt durch Zusprechen oder Absprechen, und in diesem Zusammenhang hast Du recht, daß beides, Position und Negation, voneinander abhängig ist. Dies gilt wohl sogar für Heideggers Standpunkt, denn das Sein kann sich eben verbergen und enthüllen.

Mich interessiert im Augenblick vor allem die Frage, ob Heideggers Argumentation für seine Abwendung vom aussagenden Subjekt und hin zu Zuständen des Seins (mit denen ich sehr wenig anfangen kann) mittels der Etymologie von ἀλήθεια zutreffend ist oder nicht.
Meinten Griechen, wenn sie etwas ἀληθές nannten, daß die Sache klar oder ein Sprechender wahrhaftig und seiner Erinnerung mächtig sei?
Anders ausgedrückt: Ist Aristoteles' Standpunkt spät & neu (wie Heidegger meint), oder bringt er nur eine traditionelle Ansicht auf den Punkt?

Die Frage mag etwas akademisch und weltfremd klingen, aber ich bin heute darauf gekommen durch den Schreiber eines Leserbriefes, welcher philosophischer Ansichten völlig unverdächtig war und meinte, man müsse 'die Sache doch ganz objektiv sehen'.
Da dachte ich mir: Wie kann ich als Subjekt eine Sache völlig objektiv sehen? Ich habe doch nur (m)eine Perspektive auf die Sache!

Dabei bin ich mir bewußt, daß diese Frage eine skeptische ist und die Skepsis als expliziter Standpunkt vermutlich erst im Hellenismus auftaucht.
Re: ἀλήθεια
ανδρέας schrieb am 01.01.2011 um 14:13 Uhr (Zitieren)
Mich interessiert im Augenblick vor allem die Frage, ob Heideggers Argumentation für seine Abwendung vom aussagenden Subjekt und hin zu Zuständen des Seins (mit denen ich sehr wenig anfangen kann) mittels der Etymologie von ἀλήθεια zutreffend ist oder nicht.


Dann müsste der Mensch ja quasi auf einen Anruf des "Seins" warten und dann diesem abstrakten "Sein" mit Hilfe der Wissenschaft über Herkunft und Geschichte der Wörter die Sprache geben. Im Grunde hört sich das stark nach Bibelexegese an. Nimmt man die Bibel als vom sprechenden Subjekt unabhängig an, kann man, wenn der Inhalt als unverfälschtes und unverborgenes Wort Gottes vorliegt, aus der Etymologie die Wahrheit herauslesen. Gläubige versuchen das inbrünstig und zumindest noch nicht abschließend erfolgreich.

Streiche "Sein", setze "Gott" und Heideggers etymologische Methode wird zur Religion, denke ich.
Re: ἀλήθεια
Γραικίσκος schrieb am 01.01.2011 um 14:17 Uhr (Zitieren)
Ja, das empfinde auch ich als sehr theologisch. Der Mensch wird vom Sein angerufen - das Sein offenbart sich ihm.

Aber zu sagen, dies sei theologisches Denken, vermeidet Heidegger; da beruft er sich lieber auf eine (zweifelhafte?) Etymologie, also auf 'griechische Urweisheit'.
Re: ἀλήθεια
ανδρέας schrieb am 01.01.2011 um 14:32 Uhr (Zitieren)

Im Grunde passt dies auch zum Koran, der als unmittelbares Wort Gottes angesehen wird - nur auf arabisch gültig. Gott spricht also arabisch!!
Übertragen auf die Bibel (als Referenzwert für Heideggers Gedanken) hieße dies, dass man etymologisch Gottes Sprache herausfiltert, um zu erkennen, was er meint.
Die Sprache ist aber menschliche Eigenart. Entweder das "Sein" bedient sich einer verständlichen Sprache oder es handelt ziellos und bleibt unverständlich oder Heidegger versucht nur, auf seinem Umwege, eine von der Religion frei gesagte, in Wirklichkeit aber rein theologische Sicht der Dinge, für objektivierbar zu erklären. M.E. ist das ein geschickter Taschenspielertrick.
 
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