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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Artikel (648 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 01.01.2011 um 14:14 Uhr (Zitieren)
Ich habe einmal gelesen, daß die Römer niemals soetwas wie die Platonische Ideenlehre hätten entwickeln können, weil ihrer Sprache der Unterschied zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel (der Mensch --> das Wesen, die Idee des Menschen; ein Mensch --> ein Fall davon) fehlt.

Sollte diese Vermutung zutreffen, wäre dies ein Beispiel für ein scheinbar kleines Detail der Sprache mit weitreichenden Folgen.
Re: Der Artikel
ανδρέας schrieb am 01.01.2011 um 14:49 Uhr (Zitieren)

Die Italiener haben das korrigiert und kennen den Artikel:

la mano (fem. geblieben)
il signore
la notte usw.

Ihnen scheint tatsächlich etwas gefehlt zu haben.
Re: Der Artikel
Γραικίσκος schrieb am 01.01.2011 um 14:57 Uhr (Zitieren)
Es wird wohl so sein, daß diese Unterscheidung etwas mit der Möglichkeit zu tun hat, abstrakt zu denken.

Aber es ist dies nur eine Hypothese. Das Chinesische hat ohne Artikel eine Philosophie entwickelt - es ist dies aber eine sehr pragmatische Philosophie.

Dem Türkischen soll aufgrund seiner Bildhaftigkeit das abstrakte Denken eher fremd sein. Gibt es dort unbestimmte und bestimmte Artikel?
Re: Der Artikel
ανδρέας schrieb am 01.01.2011 um 15:44 Uhr (Zitieren)

Nein, z.B. "ev" = Haus.
Typisch sind die Wortverbindungen, z.B. "evim" = mein Haus.
Habe mir von Türken mal erklären lassen, wie ihre Sprache aufgebaut ist und fand es sehr kompliziert. Die Sprache ist sehr, sehr bildhaft!
Bei einem Vortrag über das Ausbildungssystem in Deutschland vor türkischen Gästen habe ich mich immer wieder gewundert, wie lange der Übersetzer brauchte, auch kurze Absätze, die in keiner Weise mehrdeutig waren, zu übersetzen.
Klare eindeutige Aussagen wurden lange diskutiert und ständig rückgefragt. Das lag sicher nicht nur am unterschiedlichen Ausbildungssystem, sondern wohl auch daran, dass diese Sprache nicht so exakt ist, wie wir es gewohnt sind. Dies haben mir Türken mehrfach bestätigt.

Re: Der Artikel
Ὑληβάτης schrieb am 02.01.2011 um 11:15 Uhr (Zitieren)
Das erinnert mich an eine Szene im Film "Lost in Translation".

Interessant am Türkischen ist, dass es auch die Kasus und den Plural wohl nur ausdrückt, wenn es unbedingt notwendig ist oder nicht durch den Zusammenhang sowieso schon klar wird.

Das Deutsche hatte auch keine Artikel, soweit ich mich erinnere. Gibt es einen sicheren Zusammenhang zwischen Sprache und Denkfähigkeit? Wenn jemand aufgrund seiner Sprache nicht abstrakt denken kann, wie kommt er dann zu den Artikel hin, oder umgekehrt, wie kommt jemand auf Artikel, wenn er nicht abstrakt denken kann? Oder habe ich da etwas falsch verstanden/zu schnell gedacht? Soweit ich mich erinnere, ist die Sapir-Whorf-Hypothese ein Schnellschuss gewesen, oder?
Re: Der Artikel
ανδρέας schrieb am 02.01.2011 um 12:26 Uhr (Zitieren)
Die Whorf-Sapir Hypothese musste ich nachlesen und sie ist zumindest umstritten.
Meiner unwissenschaftlichen Meinung nach können Menschen aber die Sprache anderer Völker lernen. Wenn dies in jungen Jahren im Lande der neuen Sprache geschieht, lernt man auch sie kulturellen Eigenarten mit. Im späteren Alter gelingt dies weit weniger.
. Diese kulturellen Eigenarten werden durch die Lebensumstände und Traditionen geprägt. Daraus ergeben sich zu denselben Begriffen unterschiedliche Assoziationen:
Bsp.
Wolf >>> böse (vgl. Rotkäppchen, Märchen)
Ratte >>> widerlich für uns, aber nicht in Teilen Asiens; dort werden sie sogar gegessen
Kamel >>> Idiot für uns, aber in arabischen Ländern hochangesehen
Die Liste kann fortgesetzt werden, aber man versteht schon bei diesen einfachen Beispielen, dass wohl die Erfahrungen untrennbar damit verbunden sind, wie wir Begriffe wahrnehmen. Die Erfahrungen usw. prägen unsere Wahrnehmung und die wiederum die Sprache, wodurch das Denken sicher gewisse Einschränkungen erfährt. Dem kann man dann mit Offenheit für andere Kulturen und Sprachen allerdings offensiv begegnen.
Man kann den Zug, in dem man sitzt, zwar nicht beeinflussen, aber auch mal andere Strecken fahren.
Re: Der Artikel
Γραικίσκος schrieb am 02.01.2011 um 13:03 Uhr (Zitieren)
Die Sapir-Whorf-Hypothese ist in der Tat umstritten. Eine zeitlang hätte man sie als tot bezeichnen können. Kürzlich ist aber eine neue Untersuchung erschienen, die sie wieder auferstehen läßt:
Guy Deutscher
Im Spiegel der Sprache
Warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht
München 2010


Es scheint so zu sein, daß manche Sprachen anders denken, z.B. - das war ja unser Ausgangsproblem - wenig abstrakt. Wie aber dann aus einer nicht-abstrakten Protosprache eine Sprache mit einem hohen Abstraktionsniveau entstehen kann, darüber habe ich noch nie etwas gelesen.
Re: Der Artikel
ανδρέας schrieb am 02.01.2011 um 18:40 Uhr (Zitieren)
Interessant!
Ausgehend von der Frage nach dem "blauen" Himmel der Antike kam ich auf das Glaukom und fand:

Der ursprünglich von Aristoteles geprägte Name „Glaukom“ stammt vom griechischen γλαυκός (glaukós) „hell“, „leuchtend“, „glänzend“; das Meer betreffend: „(grau)bläulich“[1] und leitete sich von der blau-grauen Verfärbung der Regenbogenhaut bei chronischen Entzündungen her. Im 16. Jahrhundert wurde in Frankreich daraus „grün, meerfarben“, da in Nordfrankreich der Atlantik eher grünlich als bläulich wirkt.


In Frankreich wirkt das Meer eher grünlich als bläulich. Die Erfahrung prägt also den Begriff um!
Re: Der Artikel
Ὑληβάτης schrieb am 03.01.2011 um 16:14 Uhr (Zitieren)
"[...] wurde in Frankreich daraus 'grün, meerfarben'" - woraus? Heißt das, dass γλαυκός mit "grün" übersetzt wurde?
Re: Der Artikel
ανδρέας schrieb am 03.01.2011 um 18:22 Uhr (Zitieren)

Ja, Glaukom heißt auch "grüner Star".
Re: Der Artikel
Ὑληβάτης schrieb am 04.01.2011 um 08:35 Uhr (Zitieren)
Aber das Glaukom heißt auf französisch "glaucome", auf der gesamten Wikipédia-Seite kommt "vert-" nicht vor.

Aber: http://home.scarlet.be/tabularium/bailly/index.html
"glauque" heißt "blaugrün, meergrün, düster, fahl". Jetzt hab ich's!
 
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