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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Humanismus (1212 Aufrufe)
Πέγασος schrieb am 07.04.2011 um 07:52 Uhr (Zitieren)
Neulich gab es einen Vortrag in der Schule meiner Tochter.
Ich zitiere hier aus der Pressemeldung:

Die Grundlagen des Humanismusbegriffs
Einen Humanismus, der aus dem kulturellen Gedächtnis heraus eine moderne, sich stets weiterentwicklende Bildungsgphilosophie eröffnet, möglichst konkret in den Unterrichtsalltag hinein umzusetzen, ist für die Schulgemeinschaft am Reuchlin-Gymnasium derzeit Gegenstand einer Überlegungsphase. Im Rahmen der dafür initiierten Vortragsreihe hat der überaus gut besuchte erste Vortrag des Herrn Prof. Dr. Stefan Kipf
für große Aufmerksamkeit gesorgt. Die Reihe erfährt nun ihre Fortsetzung.

Der zweite Vortrag gibt einen allgemeinen Überblick über das Themenfeld: Humanismus – historische Entwicklungen und systematische Verwicklungen
Apl. Prof. Dr. Andreas Poenitsch, ab 1. April an
der PH-Freiburg tätig, verfolgt in einem ersten
Anlauf einige historische Entwicklungslinien des
Humanismus von der Antike bis zur Moderne;
nachfolgend wird systematisch überlegt, ob bzw.
welche Problemlinien dieser "Bildungsbewegung"
seit der Renaissance heute geeignet sind, die
Relationen von uns Menschen zu uns selbst, zu
Anderen und zur Welt in Frage zu stellen und
gegebenenfalls zu revidieren.


Danach entstand eine Diskussion, welchen Beitrag der Humanismus in der Schule heute noch leisten kann und soll. Was meint ihr dazu?
Re: Humanismus
Arborius schrieb am 07.04.2011 um 09:13 Uhr (Zitieren)
Die Frage, die ich immer habe, lautet: Was versteht man denn eigentlich unter Humanismus? Also was versteht man so darunter, dass es für die Schule einsetzbar ist.
Ich war auf einem humanistischen Gymnasium, kann es aber nicht richtig sagen. Es hatte etwas mit den alten Sprachen und den musischen Fächern zu tun, was nicht heißt, dass alle Schüler oder gar die Mehrheit Griechisch gewählt hätte oder dass es etwas gegeben hätte, was den baden-württembergischen Musikzügen vergleichbar gewesen wäre.
Und weil ich mich neulich mit Leuten unterhalten habe, die unter Humanismus etwas verstehen, was mit Areligiösität, Skeptizismus und naturwissenschaftlicher Betrachtung der Welt mehr zu tun hat als mit der Herausbildung eines Menschen durch Bildung (im fettgedruckten Sinne, d.h. auch Allgemeinbildung, kulturelle Kompetenz und Meinungsbildung), bin ich ganz froh, dass Du das Thema ansprichst.

Vordiskutierlich bin ich der Meinung, Bildung ist etwas, was in der Schule vermittelt werden kann und soll. Wenn also jemand mal wieder kritisch nachfragt, wozu man denn heutzutage Griechisch- und Lateinunterricht braucht, werfe ich mit diesem Wort um mich und weise eine rein pragmatisch ausgerichtete Ausbildung zu Ingenieuren, Übersetzern und Pflegern (jeweils m/w) kategorisch ab.
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 07.04.2011 um 18:03 Uhr (Zitieren)
Das XVI. Buch der Ilias, die Patrokleia, soll die Grundlegung der abendländischen Humanität sein.

Vgl.:
Renata von Scheliha: Patroklos. Gedanken über Homers Dichtungen und Gestalten. Basel 1943
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 07.04.2011 um 18:04 Uhr (Zitieren)
Man müßte sich nun einmal Gedanken darüber machen, was eigentlich die abendländische Humanität ausmacht.
Dazu fehlt es mir heute aber an Zeit.
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 07.04.2011 um 18:10 Uhr (Zitieren)
Ich war auch auf einem humanistischen Gymnasium (alt- und neusprachlich, damals inkl. hebräisch). Stichwortartig wurde uns vermittelt: im Mittelpunkt steht der Mensch als Individuum, er hat eine stets zu respektierende Würde, soll sich frei entfalten können und nur im notwendigen Maße eingeschränkt werden. Grundlage sind die abendländischen philosophischen Vorbilder der Antike, die in der Renaissance wieder entdeckt wurden. Das bedeutet ein hohes Maß an Skepsis gegen alle Ideologien, die den einzelnen Menschen einer wie auch immer gestalteten übergeordneten Macht unterwerfen und diese Werte relativieren. Jeder ist zunächst für sich selbst, aber auch für seine Mitmenschen verantwortlich und daher mit Rechten, aber auch Pflichten ausgestattet. Letztlich ist dabei jeder seinem eigenen Gewissen unterworfen und das kann ihm keiner abnehmen. Kurzum: sapere aude … wage es, deinen Verstand zu gebrauchen, aber missbrauche ihn nicht, indem du auf Kosten anderer gegen die o.a. Werte verstößt. Und schließlich: glaube bloß nicht alles, was man dir erzählt ohne es selbst zu überdenken.
Das mündet automatisch in einen hohen Bildungsanspruch.
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 07.04.2011 um 18:30 Uhr (Zitieren)
Als Grundsatz einer humanistischen Ethik nenne ich noch: "Homo sum humani nil a me alienum puto" (Terenz).
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 07.04.2011 um 18:39 Uhr (Zitieren)
"Ad fontes" haben wir noch zusätzlich als Grundsatz des neuzeitlichen Humanismus gelernt.
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 07.04.2011 um 20:28 Uhr (Zitieren)
…welchen Beitrag der Humanismus in der Schule heute noch leisten kann und soll. …?


ad fontes ... wie Γραικίσκος bemerkt.

M.E. ist der Beitrag überragend, wenn man sich einige Dinge klar macht. Humanismus steht aus meiner Sicht für:

Respekt und Toleranz …. bezogen auf andere Weltanschaungen
Menschbezogene Bildung … gegenüber einseitig theologischer Bildung (Dogma)
Freiheitliches Denken … gegenüber ideologischer Vereinnahmung/absoluten Wahrheiten
Wahlfreiheit des Individuums … statt Konformismus in der Lebensweise
Vielfalt akzeptieren … statt Einheitlichkeit erzwingen
Würde und Menschenrechte … statt Unterdrückung
Persönliche Mitverantwortung … statt Abtreten der Zuständigkeit an die Obrigkeit
Das Streben nach Glück!

Es gibt ein Recht auf Bildung und Schule als Voraussetzung, um ein humanes (menschenwürdiges) Leben zu ermöglichen. Der humanistische Gedanke hat doch die Bedeutung der Bildung im Grunde erst hervorgebracht. Wäre „Schule“ in unserer heutigen Form und Bedeutung eigentlich vorhanden?

Re: Humanismus
Πέγασος schrieb am 08.04.2011 um 17:19 Uhr (Zitieren)
Wäre „Schule“ in unserer heutigen Form und Bedeutung eigentlich vorhanden?


Eigentlich habe ich das Gefühl, dass das, was Bildung (im umfassenden Sinne) ausmacht, immer mehr aus den Schulen schwindet. Um es mal zu überspitzen: manche Lehrer hätten am liebsten einen Nürnberger Trichter, vor allem nach der Umstellung auf G8 - nicht unbedingt weil sie es gut fänden, sondern um den Ansprüchen des "Bildungsplans" gerecht zu werden (ich hab dazu mal Lehrer interviewt). Die Veränderungen im "Bildungsplan", so bekam ich immer wieder zu hören, seien vor allem den Wünschen der Industrie nach "verwertbarem" Wissen geschuldet.
Und auch Schüler, die kritische Fragen stellen, werden nicht immer gern gesehen.

Für mich stellt sich die Frage: Was ist heute wichtig? Welches Wissen, welche Erfahrungen braucht ein Mensch, um in einer immer komplexer werdenden Welt mit schnellen Veränderungen und Unsicherheiten zurechtzukommen? - Wenn ich mir Eure Beiträge ansehe, finde ich schon allerhand Interessantes!

Für mich ist der Begriff Humanismus auch noch recht schwammig ... muss noch ein bisschen drüber nachdenken.
Ich habe ein Schulsystem mit viel "Rotlicht" besucht. Erst am Abendgymnasium nach der Wende habe ich angefangen zu begreifen, was kritisches Denken und Hinterfragen heißt - dank eines hervorragenden Lehrers.
Re: Humanismus
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 08.04.2011 um 17:52 Uhr (Zitieren)
@Πέγασος:
Das Gedankengut des Humanismus hat unsere Bildung sehr geprägt, aber was ich immer wieder feststelle ist das:
- dank eines hervorragenden Lehrers.

Ich sehe das auch bei meinen Kindern. Wir können als Eltern viel beinflussen, aber der Lehrer ist oft entscheidend.
Re: Humanismus
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 08.04.2011 um 17:53 Uhr (Zitieren)
...aber wie in vielen Berufen ist das so : es gibt gute Lehrer, mittelmäßige und schlechte.
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 09.04.2011 um 18:38 Uhr (Zitieren)
Gestern kam der Film "Die Welle".
Darin entgleitet dem Lehrer in einer Projektwoche über das Thema Autokratie/Diktatur das praktische Experiment mit seiner Klasse als die durchgeführten Machtrituale sich verselbständigen und eine eigene "Bewegung" entsteht. Wohlgemerkt mit Erlaubnis der Schulleitung. Zum Schluss schießt sein eifrigster Schüler und "Jünger" auf einen Mitschüler und bringt sich anschließend selbst um, da der Lehrer das Experiment für beendet erklärt. In der letzten Szene wird der Lehrer verhaftet. Meine Frage: warum eigentlich? Welche Straftat hat er begangen und gegen welche Dienstvorschriften hat er verstoßen?

Vielleicht hat ja einer der hier tätigen Lehrer den Film gesehen und kann das erläutern. Ich fand den Film jedenfalls thematisch hochinteressant und dies passt inhaltlich auch zur Frage des Humanismus - nämlich, was er nicht ist.
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 09.04.2011 um 19:30 Uhr (Zitieren)
Den Film habe ich nicht gesehen, kenne ihn nur vom Hörensagen.
Einen Straftatbestand kann ich nicht genau benennen, ABER: Wenn ich im Unterricht irgendetwas tue, was die Gesundheit oder gar das Leben meiner Schüler gefährdet, wird mir das die Schulleitung nicht genehmigen; und sollte dann tatsächlich etwas geschehen, würde mich ein Strafverfahren nicht überraschen.
Irgendwas mit grober Fahrlässigkeit, vermutlich.
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 09.04.2011 um 20:13 Uhr (Zitieren)
Nun, der Lehrer forderte diejenigen, die eigenmächtige Aktionen durchführten unmissverständlich auf, dies zu unterlassen. Es war der Anlass, nicht der Urheber der Entgleisungen. Interessant waren die Mechanismen, denen die Schüler so schnell verfielen:
- der Lehrer war strikt mit Herr Wenger anzureden (vorher wurde geduzt)
- die Schüler mussten aufstehen, wenn sie antworteten oder Fragen hatten
- es durften nur kurze Wortmeldungen/Antworten gegeben werden
- es wurde ein Erkennungsmerkmal - weißes Hemd - eingeführt , Uniformierung
- der Gruppe wurde ein Name gegeben: "die Welle"
- es wurde ein Gruß eingeführt (Wellenbewegung mit der Hand vor dem Oberkörper)
--> Abgrenzung zu anderen
- der Lehrer wurde als Führungsperson anerkannt (sie klebten an seinen Lippen)
- wer nicht mitmachen wollte, durfte gehen
Tenor der Aussage:
Gemeinschaft ist stärker als der das Individuum

Die Klassendisziplin hätte sicher jeden Lehrer heutzutage entzückt! Die einzige skeptische "Dissidentin", vorher tonangebend, verlor schlagartig ihren hohen Status, während der "Underdog" sich zunehmend wohlfühlte. Der war es auch, der schließlich zum Mörder wird.

Grundlage war übrigens ein Experiment aus den 60`ger Jahren an einer kalifornischen Schule - es musste abgebrochen werden.



Re: Humanismus
Πέγασος schrieb am 10.04.2011 um 12:39 Uhr (Zitieren)
Ich kenne sowohl das Buch von Morton Rhue als auch den Film. Der (deutsche) Film hielt sich besonders am Ende nicht an die Buchvorlage; und der Schauplatz war Deutschland, nicht die USA.

Nach dem Film habe ich damals mit meinen Kindern lange darüber gesprochen; vor allem die Fragen, was da eigentlich passiert ist, warum verhalten sich (fast) alle auf einmal anders; aber auch wie man sich Gruppenzwängen widersetzen und Manipulationsversuche durchschauen kann. - Das Buch finde ich als Schullektüre hervorragend geeignet.
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2011 um 13:24 Uhr (Zitieren)
Nimmt man das Milgram- und das Stanford-Prison-Experiment hinzu, dann wissen wir also nun, zu was 'ganz normale Menschen' unter bestimmten Umständen fähig sind.

Auch das Stanford-Prison-Experiment, das ebenfalls abgebrochen werden mußte, ist übrigens in Deutschland verfilmt worden: "Das Experiment".
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2011 um 13:25 Uhr (Zitieren)
Ob humanistische Bildung dagegen etwas auszurichten vermag?
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2011 um 13:35 Uhr (Zitieren)
Ich zweifle. In Deutschland jedenfalls hat sie weder das II. noch das III. Reich verhindert.
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2011 um 14:34 Uhr (Zitieren)
Auch im II. Reich hat ja die Autoritätshörigkeit tolle Blüten getrieben. Kaiser Wilhelm II. war sogar von der Geschichte des Hauptmanns von Köpenick begeistert, die doch eigentlich eine Realsatire auf die unter ihm verbreitete Haltung war: "Das macht uns keine andere Nation der Welt nach!"
Re: Humanismus
Arborius schrieb am 10.04.2011 um 22:29 Uhr (Zitieren)
Letzte Woche habe ich halb eine Predigt angehört, in der der Pastor sein Unverständnis darüber ausgedrückt hat, dass nicht alle Menschen das Wort Jesu ernstnehmen, dass ... naja, die Goldene Regel, halt.
Und genauso ist es mit "dem Humanismus": Wenn er die Kraft gehabt hätte und hätte, Kriege und Unrecht zu verhindern, hätte er bisher mehr geschafft.
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 10.04.2011 um 22:57 Uhr (Zitieren)

"Ein jeder glaubt lieber, als das er urteilt" (Seneca), der Mensch scheint wohl zu lethargisch zu sein, sich aus seiner"selbstverschuldeten Unmündigkeit" zu befreien (Kant). Interessant ist auch Kunstgriff 30 (Schopenhauer: Die Kunst, Recht zu behalten ... über Autoritäten)
Ohne Bildung ist der Mensch leicht manipulierbar, da er nicht in der Lage ist, sich seines Verstandes "ohne Leitung eines anderen" zu bedienen.

Aber die dafür notwendige Bildung ist nicht nur Wissen, sondern vor allem die Verknüpfung und Gesamtsicht. Und da gilt der alte Grundsatz: bedenke das Ende. Ob das die Masse schafft?
Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 10.04.2011 um 23:16 Uhr (Zitieren)
Soviel Pessimismus im beginnenden Frühling?

Ich schreibe derzeit an einem Aufsatz (Buchkapitel für einen Sammelband) über die Nachwirkung der Philosophie des großen Pessimisten Schopenhauer.

Max Horkheimer hat einen Aufsatz über "Die Aktualität Schopenhauers" (1961) mit folgendem Satz beschlossen:
Es gibt wenige Gedanken, deren die Zeit mehr bedürfte und die, bei aller Hoffnungslosigkeit, weil er sie ausspricht, mehr von Hoffnung wissen als die seinen.

Ich gebe dies zur allgemeinen seelischen Aufrichtung wieder.

Und Thomas Mann hat in seinem Essay "Schopenhauer" (1938) gerade diesen Pessimismus als die einzige zeitgemäße Form der Humanität bezeichnet: das Ideal der Menschlichkeit bewahren bei klarer Einsicht in die Natur der Realität, ohne diese - wie Nietzsche es tut - (dionysisch) zu vergöttlichen.
Re: Humanismus
Arborius schrieb am 11.04.2011 um 17:37 Uhr (Zitieren)
Amen. ;-) Ach, Du hast ja Recht, auch wenn ich wieder nur die Hälfte verstehe.

Ein Paradoxon:
Interessant ist auch Kunstgriff 30 (Schopenhauer: Die Kunst, Recht zu behalten ... über Autoritäten)
Ohne Bildung ist der Mensch leicht manipulierbar, da er nicht in der Lage ist, sich seines Verstandes "ohne Leitung eines anderen" zu bedienen.
Aber die dafür notwendige Bildung ist nicht nur Wissen,
sondern "Herrschaftswissen". Welcher Bildung sich der Mensch denn bedienen, wenn nicht derjenigen, die ihm jemand vorgibt.

Sonst könnte ja das Wissen um die besten/schrägsten/schlechtesten DSDS-Kandidaten in den Bildungskanon aufgenommen werden. Enzensberger, das habe ich neulich in einem "Interview" gelesen, hat wohl mal darüber etwas geschrieben.
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 12.04.2011 um 19:35 Uhr (Zitieren)
Welcher Bildung sich der Mensch denn bedienen, wenn nicht derjenigen, die ihm jemand vorgibt.


Ab einem bestimmten Punkt sollte man reflektieren können und die eigene Position überprüfen. Das geht über das von anderen "vorgegebene" Wissen hinaus. Sonst reicht es ja aus, z.B. den "wissenschaftlichen Sozialismus" zu erlernen und als absolute Wahrheit für ausreichend zu befinden. Irgendwann haben Menschen ja auch mal erkannt, dass die Welt keine flache Scheibe ist und überhaupt größer als man denkt ... das ist der Punkt, den m.E. Bildung ausmacht. Nämlich: sich nicht nur auf das zu verlassen, was andere einem vorgeben.
Re: Humanismus
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 12.04.2011 um 19:40 Uhr (Zitieren)
Nämlich: sich nicht nur auf das zu verlassen, was andere einem vorgeben.


Das finde ich ganz entscheidend und da muß ich mich auch immer wieder daran erinnern: Eigene Gedanken machen...stimmt das auch? Ist das plausibel?
Das ist meiner Meinung nach auch einer der Grundsätze der Bildung: sich eigene Gedanken zu machen und mit den Vorgaben abzugleichen, aber dann auch innovativ und neuartig und völlig unkonventionell zu denken: siehe Einstein mit seiner Relativitätstheorie. So kommt man auch weiter.
Re: Humanismus
Πέγασος schrieb am 12.04.2011 um 20:22 Uhr (Zitieren)
Ja, selber denken, Gedanken machen ... und sich auch in Frage stellen können:

Nietzsche sagt, Überzeugung haben, das ist schon ein Problem, aber felsenfeste Überzeugungen haben, das ist etwa die Lage, in politischen Gruppen, wer felsenfeste Überzeugungen hat, der gehört eigentlich ins Tollhaus.


Das Zitat stammt aus einer Radiosendung "Dummheit Philosophische Annäherungen an ein alltägliches Problem"
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/dummheit-philosophische-annaeherungen/-/id=660374/nid=660374/did=7694398/njsci9/index.html

Dummheit hört sich für mich hier wie ein Gegenentwurf zum Humanismus an.

Re: Humanismus
Γραικίσκος schrieb am 12.04.2011 um 20:32 Uhr (Zitieren)
Dummheit im Sinne eines starren Festhaltens an vermeintlich, in Wahrheit aber nicht sicheren Überzeugungen, das ist sicher ein Gegenentwurf zum Humanismus.
Aber ist das nicht zugleich eine sehr sokratische Aussage?
(Ich erwähne das, weil Nietzsche ansonsten kein großer Sokrates-Sympathisant ist.)
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 12.04.2011 um 22:07 Uhr (Zitieren)

M.E. ist der wesentliche Kern des Humanismus:

es gibt keine Denkverbote.

Das heißt natürlich auch, dass viel Blödsinn gedacht werden kann. Aber die Sinnhaftigkeit darf ja von jedem überprüft und bewertet werden. Insofern lässt der Humanismus den Wettbewerb freier Gedanken zu. Man darf sich blamieren, aber man verliert nicht den Kopf - im wortwörtlichen Sinne. Ich finde, dass dies ein Meilenstein in der Geschichte der Menschheit ist.
Und dieser Gedanke ist leider noch nicht weltweit verbreitet. (vielleicht etwas nüchtern ausgedrückt, aber man blicke nach China oder betrachte die Dogmen einiger Religionen und schon fühle ich mich in Europa wieder richtig wohl).
Re: Humanismus
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 12.04.2011 um 22:14 Uhr (Zitieren)
Humanismus.......
Ich denke da oft an Richard P.Feynman....
Mein Vater sagt immer, der Physik studiert hat..., wenn du über die Welt und die Freiheit nachdenkst...denke an die Vorlesungen von Feynman. Wenn man diese liest, sieht man seine Lebensbejahung und seinen Humor.
Er ist leider an einem Tumor relativ früh gestorben.
Re: Humanismus
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 12.04.2011 um 22:19 Uhr (Zitieren)
...auch wenn er an der Atombombe mitentwickelt hat in Los Alalamos...
Re: Humanismus
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 12.04.2011 um 22:23 Uhr (Zitieren)
..Alamos..
Re: Humanismus
ανδρέας schrieb am 12.04.2011 um 22:35 Uhr (Zitieren)
ja, aber er war ein freier Denker: Was kümmert`s dich, was andere Leute denken ...

Und erfand beim Bau noch Zeit, die Tresore seiner Kollegen zu knacken ... aus reiner Verspieltheit.

Man war damals davon überzeugt, dass es besser ist, die Bombe zu erfinden, bevor es ein Diktator schafft. Das ist tragischer Weise richtig, wie ich finde. Ein Gedanke (und damit eine Erfindung), lässt sich nicht aufhalten, man muss allerdings wissen, was man damit tun darf ...
 
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