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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist (4573 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2009 um 16:37 Uhr (Zitieren)
Heraklit trug ja schon in der Antike den Beinamen "der Dunkle".
Sehr dunkel, aber für mich sehr faszinierend ist das Fragment B 49a:
Ποταμοἶς τοἶς αὐτοἶς ἐμβαίνομέν τε καὶ οὐκ ἐμβαίνομεν, εἶμέν τε καὶ οὐκ εἶμεν.

Die Bedeutung ist umstritten - die Frage, ob er mit dieser merkwürdigen Behauptung recht hat, sowieso. Hat jemand Lust, darüber nachzudenken?
An der Übersetzung soll's nicht scheitern, denn die ist relativ einfach. Aber ich stelle den Satz zunächst einmal so hier vor.
Einen erhellenden Kontext gibt es nicht, da es sich nur um ein Fragment handelt.
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 14.05.2009 um 19:42 Uhr (Zitieren)
Die Übersetzung ist kein Problem, aber in der Tat, da muß ich erst mal nachdenken...bin ja kein Philosoph....Medizin ist ja mehr praktisch orientiert am Menschen ;-)
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2009 um 20:52 Uhr (Zitieren)
Der Patient Xaver Tunichtgut, der heute zu Dir kommt, und der Patient Xaver Tunichtgut, der eine Woche darauf wieder zu Dir kommt, um eine Hoffnung reicher (oder ärmer) - ist das derselbe Patient Xaver Tunichgut?
Heraklit: Wir sind es und wir sind es nicht.
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2009 um 21:02 Uhr (Zitieren)
Und diese Arztpraxis, in die unser Xaver kommt, ist das dieselbe Praxis wie vor einer Woche? Ja doch! Die Praxis von Dr. XY eben. Aber ist da nicht ein Fleck mehr im Teppichboden, ist nicht das Blutdruckmeßgerät eine Woche älter geworden?
Heraklit: In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht.
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2009 um 21:07 Uhr (Zitieren)
Also, mutatis mutandis: Ich bin derselbe Arzt und ich bin es nicht. Meine Praxis ist dieselbe und sie ist es nicht (nach einer Stunde, einer Woche, einem Monat ...).
Man kann nicht derselbe sein, hat man doch einiges gelernt, anderes vergessen, ist man doch ein bißchen müder oder ein wenig fröhlicher. Und doch ... ist man derselbe Dr. XY.
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 15.05.2009 um 08:09 Uhr (Zitieren)
@Γραικίσκος:
Ah ja, jetzt ist der Groschen gefallen..;-)
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Γραικίσκος schrieb am 15.05.2009 um 08:31 Uhr (Zitieren)
Ich fürchte, da ist noch ein zweiter Groschen im Spiel, der ebenfalls fallen möchte.
Was Heraklit hier in Grunde behauptet, ist: Die Realität ist widersprüchlich!

Das widerspricht der Intuition der weitaus meisten Menschen jedenfalls unserer Tradition, die den Widerspruch scheuen wie der Teufel das Weihwasser.
(In China, wo alles Yin und Yang ist, nicht so.)

Ich bewundere die quasi-chinesische Gelassenheit der folgenden Verse:
Do I contradict myself?
Very well then I contradict myself,
I am large, I contain multitudes.

(Walt Whitman, Song of Myself)
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Γραικίσκος schrieb am 15.05.2009 um 08:40 Uhr (Zitieren)
Was mich an Heraklit und vielen, vielen anderen Griechen so fasziniert: Was sie denken, ist zeitlos! Man kann heute noch genauso darüber streiten und nachdenken wie vor zweieinhalbtausend Jahren.
- Enthält die Realität Widersprüche?
-Soll man unbedingt dem staatlichen Gesetz folgen, oder gibt es ein höheres Gesetz als dieses?
- Kann man schuldig werden, ohne schuldig zu sein?
- Haben wir schon vor unserer Geburt existiert?
usw. usw.

Im Vergleich dazu liegt doch selbst auf Cicero eine dicke Staubschicht.
Re: Der Dunkle, wo er am dunkelsten ist
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2009 um 12:33 Uhr (Zitieren)
Darüber habe ich noch nachgedacht: Bei den Griechen finde ich immer wieder das Bemühen um zeitlose bzw. überzeitliche Einsichten, während die Römer in aller Regel doch bei kontextbezogenen Ansichten bleiben ... was sie stärker dem Veralten & Verstauben aussetzt.

Vielleicht hängt all das zusammen mit ihrer fehlenden Unterscheidung zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel?
ein Mensch vs. der Mensch - die ewige Idee, der Typus des Menschen, das können sie kaum ausdrücken und also auch nur schwer denken.
Auf diese Weise konnten die Griechen die Philosophie erfinden, nicht die Römer.
 
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