Raub/Diebstahl bezieht sich ja auf den Besitzter/Eigentümer. Aus Sicht des Menelaos ist der Begriff sicher gerechtfertigt. Helena war sicher nicht frei (die habeas corpus Akte war noch nicht bekannt). Heute würde man vielleicht sagen: Menelaos und Helena haben sich "auseinandergelebt" (rechtl. "Zerrüttungsprinzip"). Aus Sicht der Helena spricht daher nichts gegen eine Liebesbeziehung zu Paris.

In der Odyssee IV 261 ff. macht Helena, die ihre Entscheidung inzwischen bereut, Aphrodite dafür verantwortlich.

Daß Paris Gewalt angewendet hätte ("Raub"), finde ich nirgendwo.

Helena macht Aphrodite verantwortlich ... soso, da waren die Götter wiedermal schuld. Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen ist auch heute noch eine Herausforderung für die Menschen.

Welche Geschichte eigentlich spannender? Die mit der geraubten oder die mit der geflohenen Helena?

Als Menelaos in Pylos weilte machte Paris Helena schöne Augen, verführte sie und stürmte den Palast in Sparta. Die Schätze nahm er auch gleich mit - und Helena, die etwas zögernd den abwesenden Menelaos (den sie wohl etwas spröde fand) all zu leicht vergessen wollte. Das ist schon Raub.

Jaaaa ... aber kein Raub von Helena. Da hat's schon geknistert.

Am interessantesten finde ich Euripides' Version, in der Helena von Hermes nach Ägypten (!) entführt wird, während Menelaos und die Griechen einem εἴδωλον nachjagen...

Es gibt ein eigenes Drama von Euripides mit dem Titel "Helena", nicht wahr? Das ist natürlich auch eine wichtige Informationsquelle.

Ja, Helena taucht aber auch in den Troerinnen auf. Dort ist vom Trugbild allerdings keine Rede. Dennoch ließen sich beide Dramen miteinander vereinbaren.

Ilias, Ω 764, Helena zu Paris: ὅς μ’ ἄγαγε Τροίηνδ’...

... der mich nach Troia geführt hat ...

ganz konkret ist das keine <Entführung<

Das mit der Entführung empfinde ich immer noch als schlecht belegt.

Hm. Euripides legt Kassandra in den Mund:
καὶ ταῦθ᾽ ἑκούσης κοὐ βίᾳ λελῃσμένης.