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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel (3205 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2011 um 11:55 Uhr (Zitieren)
καὶ εὑρίσκω ἐγὼ αὐτὴν [τὴν γυναῖκα] καὶ ἐρω πικρότερον ὑπὲρ θάνατον. σὺν τὴν γυναῖκα ἥτις ἐστὶ θήρευμα, καὶ σαγῆναι καρδία αὐτῆς, δεσμὸς εἰς χεῖρας αὐτῆς. αγαθὸς πρὸ προσώπου τοῦ θεοῦ ἐξαιρεθήσεται ἀπ' αὐτῆς, καὶ ἁμαρτάνων συλληφθήσεται ἐν αὐτῇ.

(Kohelet/Ecclesiastes/Prediger VII 26)
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 17.05.2011 um 17:48 Uhr (Zitieren)
Das ist des Hagestolzes Lieblingsstelle, denke ich.
Frau: stärker als der Tod ... Ring von Belagerungstürmen ... Herz=Fangnetz ...Arme = Fesseln ... Gottes Wohlwollen rettet vor ihr ...Leben verfehlt = von ihr eingefangen

Verstehe ich nicht wirklich. Ich dachte, die Ehe wird in der Bibel befürwortet. Das klingt wie eine Warnung. Sind da alle Frauen gemeint oder nur ein bestimmter "Typ"?

Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2011 um 18:08 Uhr (Zitieren)
Der Kohelet (Prediger) ist ein Stück großer pessimistischer Literatur - überwiegend pessimistisch jedenfalls.
Die Bibel? Ach, was steht nicht alles in der Bibel!

Matthias Claudius hat 1775 eine sehr schöne Predigt über sein "Alles ist eitel" geschrieben ("Über einige Sprüche des Predigers Salomo").
Die Zuordnung zu Salomo(n) wird heute nicht mehr vertreten.

Sein "Ein Jegliches hat seine Zeit unter der Sonne" hat Pete Seeger vertont: "Turn! Turn! Turn! To Everything There Is a Season".
Die "Byrds" haben daraus einen Hit gemacht, geradezu magisch klingend auf Roger McGuinns 12saitiger Rickenbacker E-Gitarre.

Ich nehme an, Du kennst das alles, Andreas.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 17.05.2011 um 18:38 Uhr (Zitieren)
Ja, das kenne ich. Das Lied der Byrds gehört übrigens zu meinen Favoriten.
Die Stelle in der Bibel zeigt mal wieder, dass man ohne Hintergrundwissen vorsichtig mit der Interpretation sein muss. Daher habe ich auch nie geglaubt, dass es sinnvoll ist, wenn jeder "Haushaltsvorstand" die Bibel auslegt, wie das in protestantischen Religionen (besonders in den USA) praktiziert wird. Damit dürfte der Durchschnittsmensch selten zurecht kommen.
Aber dazu habe ich vermutlich zu viel kath. Religionsunterweisung abbekommen.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2011 um 18:48 Uhr (Zitieren)
Ist ein Hagestolz nicht jemand, der nie etwas mit Frauen hat(te)? Aber diese Verse klingen für mich erfahrungsgesättigt.
Sie sind nur unfair ... denn was könnten Frauen nicht alles über Männer sagen resp. schreiben?
Wieviel Bitterkeit gründet in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen!

"Besser zwei als einer usw." steht übrigens ebenfalls im Kohelet. Oberflächlich-einlinig ist der auf keinen Fall!
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 17.05.2011 um 19:06 Uhr (Zitieren)
Wieviel Bitterkeit gründet in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen!


Das Buch Kohelet zielt ja auf Bildung und Wissen ab. Das ist nicht unbedingt das einzige Band zwischen den Geschlechtern, denke ich.
Wie sagte schon Jean-Jaques Rousseau:
Um einen Liebesbrief zu schreiben, musst du anfangen, ohne zu wissen, was du sagen willst, und enden, ohne zu wissen, was du gesagt hast


„Vieles wünscht sich der Mensch, und doch bedarf er nur wenig;
Denn die Tage sind kurz, und beschränkt der Sterblichen Schicksal.“


Kohelet ist nicht sehr romantisch ...

Goethe, Hermann und Dorothea, V, 13
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Νησσάριον, sonst stille Mitleserin schrieb am 17.05.2011 um 23:34 Uhr (Zitieren)
Ich bin leider des Hebräischen nicht mächtig (Gibt es hier jemanden, der Hebräisch kann?) und meine Griechischkenntnisse reichen auch bei Weitem noch nicht, um die o.g. Stelle entziffern zu können. Ich habe keine "christliche" Erziehung genossen und bin auch recht froh darüber, ich habe "keine Ahnung" von Theologie, gehöre zu einer freien Gemeinde, habe den Religionsunterricht größtenteils damit zugebracht, irgendwelche Filme anzusehen, aber ich maße mir trotzdem mal an, hier was dazu zu schreiben.

In der Übersetzung von F. E. Schlachter (1905, AT auf Grundlage der hebr. Texte; überarbeitet 2002), heißt es in Pred 7,26:

Da fand ich: Bitterer als der Tod ist eine Frau, die Fangnetzen gleicht, deren Herz ein Fallstrick ist und deren Hände Fesseln sind; wer Gott wohlgefällg ist, wird ihr entkommen, aber der Sünder wird von ihr gefangen.


Da steht doch nicht, dass alle Frauen so sind, oder?
Ich finde die Stelle nicht frauenfeindlich, sondern durchaus nachvollziehbar. Ich denke, es heißt einfach, dass Sünder aufgrund ihres Lebenswandels eher gefährdet sind, in solche "Fallen" zu geraten, als diejenigen, die ein gottesfürchtiges Leben führen. Und es gab und gibt halt Frauen, auf die die obige Beschreibung zutrifft. Warum soll der Prediger diesen Gedanken - aus Sicht eines Mannes - nicht anführen dürfen?
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 00:23 Uhr (Zitieren)
Nunja, um einer solchen "Tentakelfrau" zu entkommen halte ich ein wenig Menschenkenntnis (bei Männern) für hilfreicher, als "Gott wohlgefällig zu sein".
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 18.05.2011 um 06:44 Uhr (Zitieren)
Du liest den Kohelet gegen den Strich, ja? Denn sein Satz ist ja kein Konditionalsatz: "Schlimmer als den Tod fand ich das Weib, wenn seine Arme Tentakel sind ..." Das schreibt er nicht. Aber Du meinst, man solle es so auffassen?

"Könnte man doch einer Frau in die Arme sinken, ohne ihr gleich in die Hände zu fallen", hat Ambrose Bierce einmal geseufzt.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 08:07 Uhr (Zitieren)
So ganz ernst war mein Eintrag nicht gemeint ...

Gegen den Strich lese ich das vielleicht, aber ich fragte eigentlich nach dem Anteil der Männer bei dieser Sache, es gehören schließlich immer zwei dazu:
Die Frau kann Fangnetze und Tentakel haben, soviel sie mag;
"wer Gott wohlgefällig ist, wird ihr entkommen, aber der Sünder wird von ihr gefangen" - das habe ich so verstanden: einer der Gott wohlgefällig ist, ist kein Sünder; und einer der nicht sündigt, schaut "so eine" nicht an und wird dadurch auch nicht in "Versuchung" kommen, sondern "ihr entkommen".
Das soll wohl eine Warnung sein, ich finde es naiv ... wie gesagt, ich halte Menschenkenntnis für hilfreicher.

...

Dass ich am frühen Morgen die Bibel rauskrame, ist mir schon ewig nicht passiert ... ;-)
Wenn ich die Verse jetzt im Zusammenhang lese, muss ich lachen:

[quote]
25 Ich richte meinen Sinn darauf zu erfahren und zu erforschen und zu suchen Weisheit und Einsicht, zu erkennen, daß Gottlosigkeit Torheit ist und Narrheit Tollheit.
26 Und ich fand: Bitterer als der Tod sei ein Weib, das ein Fangnetz ist und Stricke ihr Herz und Fessel ihre Hände. Wer Gott gefällt, der wird ihr entrinnen, aber der Sünder wird durch sie gefangen.
27 Schau, das habe ich gefunden, spricht der Prediger, eins nach dem andern, daß ich Erkenntnis fände.
28 Und ich suchte immerfort und hab's nicht gefunden: unter tausenden habe ich einen Mann gefunden, aber ein Weib hab ich unter allen nicht gefunden.

Prediger 7,27+28[quote]

Ein Schelm, der Böses dabei denkt! In meiner Ausgabe ist diese Hervorhebung tatsächlich einhalten (Lutherbibel, revidierter Text von 1984). In der "Bibel im heutigen Deutsch" liest sich das ganz anders ... [ich glaube, ich muss noch Hebräisch lernen ...]

Mit ein wenig Bosheit könnte der Text auch so gelesen werden: Die Frau hält den Mann mit ihren Tentakeln (Reizen?) vom Denken (der Erkenntnis) ab. Oder Mann lässt sich abhalten ... [jemand anderes kam hier auf die Idee, dass die Frauen sich zu verschleiern haben, damit die Männer nicht in Versuchung geführt werden ^^]

Zum Glück gibt es auch Frauen, die denken ... und im Sinne der Gleichberechtigung: Es gibt auch Männer mit Saugnäpfen an den Augen ... ;-)
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Νησσάριον, sonst stille Mitleserin schrieb am 18.05.2011 um 08:21 Uhr (Zitieren)
Ich muss zugeben, dass ich mich bisher kaum mit dem Buch Kohelet beschäftigt habe, meine Interpretation ist zwangsläufig von meiner Gesamtsicht auf die Bibel geprägt: Ich glaube im Gegensatz zu vielen anderen Leuten an die Verbalinspiration der Bibel und dass sie somit wirklich das Wort Gottes an die Menschen ist. Die Gläubigen sind durch den Hl. Geist dazu befähigt, Gottes Wort zu lesen und zu verstehen, ohne dass sie dazu die Auslegung eines Pfarrers o.Ä. bräuchten. (Zumindest in dem Umfang, der für ihren Glauben notwendig ist. Ich kann bei weitem nicht von mir behaupten, dass ich die ganze Bibel verstehe, v.a. nicht das AT. Es kommen mir oft Stellen unter, deren Bedeutung mir nicht klar ist, aber ich "tröste" mic dann damit, dass ich sie, wenn sie denn für mich ganz persönlich doch wichtig sein sollte, auch zum rechten Zeitpunkt verstehen werde... Das liegt in Gottes Hand. ;-) ) ABER mir kam neulich in einer Diskussion mit einem Freund der Gedanke, dass das AT an das Volk Israel gerichtet ist, und dass es ja das Gesetz ist, durch das sich dieses Volk von den Nationen unterscheidet. Einige übertragbare Punkte aus dem AT sind meiner Meinung nach auch für Christen heute noch relevant (z.B. die 10 Gebote), andere nicht (z.B. die Speisegebote, Vgl. Mk. 17,18-19 und Röm. 14,17)... Aber ich schweife ab... Das sollte eigentlich nur die kurze Erklärung werden, warum ich mich so selten mit dem AT beschäftige... ;-) Das NT ist relevanter für mein praktisches Glaubensleben.

Bitterer als der Tod ist eine Frau, die Fangnetzen gleicht


(für mich logische) Schlussfolgerung, platt gesagt:

Eine Frau, die nicht Fangnetzen gleicht, ist dann auch nicht schlimmer als der Tod


Aber mit Logik hab ich's auch nicht so... Das ist mir alles zu kompliziert. Ja, manchmal halte ich mich für ziemlich einfältig und/oder ungebildet. Und wahrscheinlich habe ich Dich jetzt mit meiner Sicht auf die Bibel völlig vergrault. ;-)

Aber neulich sagte eine Kommilitonin, ich sei die geborene Indogermanistin, da ich mich für Sprache und seeeeeeeeeehr wenig - oft gar nicht - für Inhalte interessiere. (Sie studiert selbst Indogermanistik.) :D

Oh, ich sehe gerade, dass Pegasos in der Zwischenzeit noch einen Beitrag geschrieben hat. Alles eben geschriebene bezieht sich auf Graeculus' Beitrag von 06:44 Uhr. Ich muss jetzt leider zur Uni - bis später!
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Νησσάριον schrieb am 18.05.2011 um 08:26 Uhr (Zitieren)
Achso, Nachtrag:

Das mit der Verbalinspiration gilt/galt m.M.n. nur für den Urtext, nicht für die zahllosen, teilweise nicht allzu guten, Übersetzungen.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 09:22 Uhr (Zitieren)
Nein, Νησσάριον, ich halte Dich keineswegs für dumm, und die anderen hier im Forum tun das sicher auch nicht. (Und ich freue mich immer, wenn einer der "stillen Mitleser" sich auch mal äußert.) Ich bin nur viel kritischer, was die Bibel angeht.

Wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, wie die Bibel entstand, und wer wann was (um)geschrieben hat, dann denke ich weniger an ein "Wort Gottes" als vielmehr an Machtkalkül (z.B. Chroniken), "Schafe beisammenhalten" (Schriften, die während der Diaspora entstanden) oder die Gemeinde "auf Linie bringen" (Paulusbriefe).

Dennoch finde ich, dass darin viel Lesenswertes und kumuliertes Kultur- und Erfahrungswissen enthalten ist.

***

Ich hatte gemeint, Γραικίσκος' Eintrag beziehe sich auf meinen Mitternachtssatz; aber vielleicht habe ich mich geirrt.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 09:36 Uhr (Zitieren)
Übrigens: Zur Entstehung der "Heiligen Schriften" gab es mal eine dreiteilige Reihe im SWR2, kann man lesen oder anhören, der 1. Teil ("Ich bin der Herr, dein Gott" - Die Entstehung des Alten Testaments) unter:

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/archiv/-/id=660334/nid=660334/did=1641940/1bx0rz5/index.html


Die Fortsetzungen (Jesus und andere Göttersöhne - Die Entstehung des Neuen Testaments / Von Gott gegeben - Die Entstehung des Koran) sind auf der Seite verlinkt.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 10:17 Uhr (Zitieren)
Pardon, da oben (9:22) ist mir ein Fehler unterlaufen: nicht Diaspora, sondern Exil (nämlich das in Babylon) sollte es heißen
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 18.05.2011 um 18:56 Uhr (Zitieren)
Die Bibel muss man immer ein wenig wie Parteiprogramme lesen. Themen, Ziele und Wertungen ändern sich mit der Zeit. Daher darf man nicht einfach Einzelaussagen als pars pro toto nehmen und muss den historischen und religiösen Kontext beachten. Die Parteiprogramme aus den 50`gern sind heute ja auch nicht den zeitgenössischen Themen angepasst und können es nicht sein. Daher bin ich vorsichtig, wenn es um die Interpretation geht - da braucht man professionelle Hinweise.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 20:05 Uhr (Zitieren)
"da braucht man professionelle Hinweise"

Ich hoffe, ανδρέας, Du meinst nicht von einem Kirchenmann.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 18.05.2011 um 20:38 Uhr (Zitieren)
Nein, Πέγασος, aber von einem Historiker oder anderen Kennern, die insbesondere in der Lage sind, z.B. Ungereimtheiten, die sich aus der Übersetzung ergeben, oder in einem bestimmten Kontext zu lesen sind, zu erläutern.
Hebräisch ->griechisch->lateinisch-> deutsch ... da können einige Fehler auftreten z.B. das berühmte Kamel und das Nadelöhr, eigentl. war das "Kamel" ein Tau (gamal - gamel , hebr.)
--> es gibt sogar Kirchenleute, die mit vernünftiger Distanz Texte lesen (nicht alle sind Dogmatiker)
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 21:02 Uhr (Zitieren)
Nun, insofern kann ich Dir sehr zustimmen.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 18.05.2011 um 21:22 Uhr (Zitieren)
Ich bin jedenfalls nicht dogmatisch verwirrt, hoffe ich. Aber einem Architekten erkläre ich auch nicht, welche Traglast o.a. er berücksichtigen soll. Aus der Bibel kann man alles mögliche herauslesen, daher mein kleiner Einwand ... obwohl ich nicht die besten Erfahrungen mit Kirchenleuten hatte.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 20.05.2011 um 10:19 Uhr (Zitieren)
Meine garstige Lesart des Kohelet oben ist gerade dem Gedanken entsprungen, dass man in die Bibel alles hineininterpretieren kann. Meine Sozialisation erfolgt nun mal auch in Kreisen, in denen die Bibel bierernst genommen wurde; und ich habe erlebt, wie so manche(r) dadurch regelrecht verbogen wurde: Lauter 16-21jährige, in einem Internat am Ende der Welt, die alle in diesem frömmelnden Saft schmorten... Der Gedanke daran macht mich jetzt noch zornig. Es war ein langer Prozess, mich davon zu distanzieren; ein Pfarrerstochter(!), mit der ich damals befreundet war, hat mir dabei sehr geholfen und ich werde ihr mein Leben lang dafür dankbar sein. (Von daher vielleicht mein ironischer Unterton in Bezug auf Bibelverse.)

Aber keine Frage, auch ich schätze inzwischen sehr die Weisheit, die in diesem Buch steckt. Und mich interessiert vor allem die Frage, wie dieses Werk zustande gekommen ist und welcher Einfluss dadurch auf Menschen ausgeübt wurde (und wird).
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 20.05.2011 um 18:49 Uhr (Zitieren)
Den frömmelnden „Saft“ kenne ich aus der Grundschule.
Ich bediene jetzt wohl einige Klischees in Kurzfassung, aber das ist kein Witz: In einem katholischen westfälischen Provinzdorf aufgewachsen, habe ich in der Grundschule Pfarrer und Lehrerin dank Rückhalt meiner Eltern unbeschadet überlebt. Der Pfarrer gab gelegentlich Unterricht. Er fütterte alle 3 bis 4 Jahre seinen einzigen Freund, nämlich seinen aktuellen Hund, tot, verübte die „Haarprobe“ bei Mädchen und bei ungezogenen Jungen die „Ohrprobe“ (die angesprochenen Körperteile wurden so lange gedreht, bis der Schüler aufschrieh). Die Lehrerin war Mitte 50, wirkte wie 70 und ließ sich mit „Fräulein Holtmann“ anreden. Sie unterrichtete alle Fächer in der 1. Klasse, ab der 2.ten nur noch Religion, war eine unverheiratete „altjüngverliche“ Erzkatholikin, die den einzigen „Protestanten“ in der Klasse offenbar nicht mochte, und einen klassischen, strengen „Dutt“ (Haare am Hinterkopf gebunden und mit Haarnetz gesichert) trug. Schwere „Disziplinlosigkeiten“ wurden mit Fausthieben in den Nacken geahndet. Den Protestanten und mich (beide gelegentlich etwas gelangweilt) verband eine Freundschaft und das unwiderlegbare Prädikat „Rechnen kann er ja“.
Genützt hat es dem anderen aber nicht, denn er bekam regelmäßig „Senge“ (körperliche Strafe) , während ich nach einmaliger Züchtigung per Nackenhieben fortan verschont blieb, da diese Lehrerin über Gott wohl noch eine andere Instanz kennen lernte – meine Mutter. Dabei lernte ich in der ersten Klasse 3 Dinge: 1. Protestanten haben Pech 2. vor den Katholiken muss man sich in Acht nehmen 3. Rechnen ist wichtig.
Ich muss allerdings betonen, dass auch in diesem Dorf längst keine Hexen mehr verbrannt wurden und mittlerweile das 3. Jahrtausend angebrochen ist – tempora mutantur. Das bischöfliche Gymnasium im Nachbardorf musste ich nicht besuchen. Ich ging auf ein humanistisches G. in der Stadt – und das war gut so.
… und ich habe unbeschadet an Körper und Geist eine schöne Kindheit erlebt.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
regulus schrieb am 20.05.2011 um 23:09 Uhr (Zitieren)
Gerade im Buch Kohelet ist die Frage nach dem "richtigen" Verständnis schwer zu beantworten. Die einen sehen es eher negativ, die anderen im Gegenzug eher positiv und die negativen Aussagen werden als Zitate bzw. als Entlarvung falscher Vorstellungen verstanden.
Ebenfalls bin ich sehr dankbar für den Hinweis von andreas, das erstens nicht alle Theologen über einen Kamm zu scheren sind und zweitens die Bibel im Kontext gesehen werden muss.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Νησσάριον schrieb am 21.05.2011 um 08:50 Uhr (Zitieren)
Πέγασος schrieb am 18.05.2011 um 09:22 Uhr:
Nein, Νησσάριον, ich halte Dich keineswegs für dumm, und die anderen hier im Forum tun das sicher auch nicht. (Und ich freue mich immer, wenn einer der "stillen Mitleser" sich auch mal äußert.


Danke für Deine netten Worte! :)
Ich werde mich aber bei solchen Diskussionen in Zukunft wohl trotzdem wieder in die Beobachterrolle begeben. Für mich ist die Bibel etwas... "Persönliches", wenn man das so nennen kann... Aufgrund persönlicher Erlebnisse/Erfahrungen halte ich sie für mehr als nur ein interessantes Buch. Und ich glaube, deshalb setzt an dieser Stelle meine Fähigkeit, sachlich zu argumentieren (sofern ich die sonst besitzen sollte) aus. ;-)
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 21.05.2011 um 11:47 Uhr (Zitieren)
Interessant ist es , dass man auch heute noch zu allen Aspekten des menschlichen Lebens Aussagen in der Bibel findet. Allerdings findet man nicht automatisch auch eindeutige Antworten, zumal sich verschiedene Stellen auch unterschiedlich äußern. In gewisser Hinsicht enthält die Bibel eine Wahrheit, die sich auf den Leser und Interpreten selbst richtet – wie ein Spiegel.
Was sagten die Fragen „an die Bibel“ eigentlich über den Fragenden aus? Warum stellt er bestimmte Fragen, andere nicht? Wie übersetzt er die Geschichten darin und was ist ihm wichtig?
Wer sich z.B. die Stelle auf die Fahne schreibt, „Schwerter zu Pflug-scharen“ um zu formen, unterschlägt, dass an späterer Stelle auch „Pflugscharen zu Schwertern“ umfunktioniert werden .
Jedenfalls ist die Bibel keine „Dienstanweisung“ für den, der keine eigenen Gedanken entwickelt. Es gibt eine lange jüdische Tradition, die Bibel zu diskutieren und Antworten zu entwickeln – auf der Basis des Zwiegesprächs. Das zwingt, sich mit anderen auseinander zu setzen und mit ihren Gedanken und damit scheint mir dies geradezu die perfekte Schule für Respekt zu sein.
Wenn man die Übersetzungsungenauigkeiten vom Hebr. zu Griech., Lat. und Deutsch (oder anderen Sprachen) mal außer Acht lässt, macht dieses Angebot m.E. den Wert der Bibel aus. Die Wahrheit steht jedem offen … wie Seneca sagt. Manche mögen zumindest einen Teil davon über sich selbst erkennen.
Jedenfalls fällt die Menge der Wahrheiten über andere deutlich sparsamer aus, die ja meistens weniger schmeichelhaft sind, wenn man in den Spiegel geschaut hat.

Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 21.05.2011 um 16:03 Uhr (Zitieren)
Dein Vergleich mit einem Spiegel gefällt mir sehr gut, ανδρέας, von dieser Seite hatte ich das noch gar nicht betrachtet.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
kornelila schrieb am 30.06.2011 um 22:37 Uhr (Zitieren)
Die Bibel ist FRAUENFEINDLICH! Warum? Weil diese nicht von Frauen geschrieben wurde. ;-) Sie wurde geschrieben von Männern. Von solchen Männern, wie wir sie heute aus den Nachrichten fürchten.

Seit wann haben Frauen nebst Körper auch eine Seele?
Seit wann haben Frauen Wahlrecht?
Seit wann sind Frauen Menschen?
...

Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 30.06.2011 um 22:49 Uhr (Zitieren)
@Konelila

Die Bibel weist Männern und Frauen Rollen zu.
Zu der Zeit, als sie verfasst wurde, hatten weder Männer noch Frauen ein Wahlrecht im heutigen Sinne. Die Menschenrechte sind ebenfalls eine Erfindung der Neuzeit. Eine Seele wird den Frauen dort auch nicht abgesprochen. Es ist immer willkürlich, Auffassungen der tiefen Vergangenheit mit heutigen Maßstäben zu messen. Die Bibel spiegelt die damalige Zeit wieder, aber da ist kein Grund, Aussagen nicht neu zu interpretieren. Da sind sogar die Katholiken weiter.
Es macht auch keinen Sinn, die Menschen der Gegenwart wegen Entwicklungen der Vergangenheit zu verurteilen.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
regulus schrieb am 30.06.2011 um 22:57 Uhr (Zitieren)
Man kann zur Bibel stehen, wie man will, wenn man sich nur wirklich damit beschäftigt. Die Ansichten von Andreas teile ich, wogegen die Aussagen Kornelias leider nur etwas plakativ und polemisch wirken.
Solche Ansichten, sofern sie sich verbreiten zerstören leider immer mehr als man denkt. Das gilt für alle Bereiche und ist nicht nur aufs Religiöse beschränkt. Von daher kann ich immer nur dazu aufrufen, sich selbst mit den Dingen zu beschäftigen.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
kornelila schrieb am 30.06.2011 um 22:58 Uhr (Zitieren)
Erzähl das meiner Großmutter und ihren "Müttern"! Dennoch, ich habe da so meine Zweifel. Ob sie das verstehen und fraglos annehmen könnten, nach ihrem harten, gottlosen Leben?
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 30.06.2011 um 23:04 Uhr (Zitieren)

Es ist keineswegs so, dass unsere Großväter und ihre Väter eine grandioses, freies und von allen Sorgen befreites Leben geführt haben und ich glaube such nicht, dass sie aus ihrer Rolle einfach mal so eben hätten aussteigen können.
Das ist immer ein langer Prozess. Der gemeine Mann auf der Straße hat sich sicher kaum privilegiert fühlen können. Leibeigene, Knechte oder arme Leute hatten sicher andere Probleme, als in geselliger Atmoshäre ihre Rollenposition auszufechten.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
regulus schrieb am 30.06.2011 um 23:04 Uhr (Zitieren)
Es geht nicht darum, dass dies leicht sei. Mir geht es vielmehr darum, dass man sich nicht selbst daran beteiligt, indem man polemische Aussagen unterstützt und verbreitet. Mir geht es darum, dass man zumindest versucht jeder Sache gegenüber fair und respektvoll zu begegnen. Und durch Schlagworte und Aussagen wie "die Kirche ist frauenfeindlich" (das soll nur eine bekannte Aussage sein) steckt man alle in eine Schublade, obwohl es so vielschichtig ist. Nicht einfach irgendwelche Phrasen unüberlegt nachplappern!
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
kornelila schrieb am 30.06.2011 um 23:05 Uhr (Zitieren)
Habe ernsthaft versucht die Bibel zu lesen. Bin auch recht weit in einem Stück gekommen: Bis Seite 157 - ungefähr. ;-)
Nun, ab da konnte ich einfach nich mehr. Versteht ihr was ich meine? Ich musste einfach lachen ...
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
regulus schrieb am 30.06.2011 um 23:10 Uhr (Zitieren)
Ich würde dir empfehlen, geh einmal in die Uni oder zu einem guten Pfarrer und rede einfach offen mit ihm, höre dir seine Antworten an, diskutiere mit ihm. So erreicht man am meisten und wird auch am ehesten der Sache gerecht. Es geht nämlich gerade auch in der Theologie eben nicht immer nur um stupides glauben, sondern sofern es möglich ist, auch um verstehen. Manchmal liefert einem die Bibel Fragen, aber oft auch Antworten.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
kornelila schrieb am 30.06.2011 um 23:15 Uhr (Zitieren)
[Lächeln] Gerne, ich versuche deinen Rat zu beherzigen.
Wo finde ich einen guten Pfarrer?
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 30.06.2011 um 23:15 Uhr (Zitieren)
regulus,
kannst Du einmal akzeptieren, daß der Glaube der Bibel für manche Menschen eine Zumutung ist? Da hilft auch kein Pfarrer!

Ambrose Bierce: "Ein religiöser Mensch ist mir unangenehm. Bei einem Christen wird mir schlecht, bei einem Katholiken speiübel."
Glaubst Du etwa, eine solche Erfahrung sei 'ein kurierbarer Defekt'? Es ist die Summe einer Lebenserfahrung!
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
kornelila schrieb am 30.06.2011 um 23:19 Uhr (Zitieren)
Hallo Γραικίσκος
da bist du ja endlich. Freu mich, du alter Denker!
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 30.06.2011 um 23:26 Uhr (Zitieren)

Das schöne an der Bibel ist: die Autoren sind unbekannt, lange tot und können sich nicht mehr wehren. Die schlimmsten Schlachten sind geschlagen und man kann sich daran so lange abarbeiten, bis man erkannt hat, das man darin nur seine eigene Meinung, Erfahrung und seine Wünsche und Enttäuschungen findet. Je nachdem, was einem wichtig ist. Streit entsteht m.E. nur deshalb, weil man darin andere Dinge wichtig findet als andere Leute. Das ist nur dann ein Problem, wenn die Aussagen als verbindliche Wahrheit festgelegt werden und die kann - heute - zum Glück keiner mehr durchsetzen.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 30.06.2011 um 23:30 Uhr (Zitieren)
Der 'alte Denker' hat nichts gegen Frauen. Wirklich nicht. Wir kämpfen uns alle durch den Nebel des Lebens, Frauen und Männer. Wir machen Fehler und manchmal (selten) auch was richtig.
ABER:
Die ephemeren Geschlechter der Menschen entstehn und vergehn in rascher Succession, während die Individuen unter Angst, Noth und Schmerz dem Tode in die Arme tanzen. Dabei fragen sie unermüdlich, was es mit ihnen sei, und was die ganze tragikomische Posse zu bedeuten habe, und rufen den Himmel an, um Antwort. Aber der Himmel bleibt stumm. Hingegen kommen Pfaffen mit Offenbarungen.
Unter dem vielen Harten und Beklagenswerthen des Menschenlooses ist keines der geringsten dieses, daß wir dasind, ohne zu wissen, woher, wohin und wozu: wer eben vom Gefühl dieses Uebels ergriffen und durchdrungen ist, wird kaum umhinkönnen, einige Erbitterung zu verspüren gegen Diejenigen, welche vorgeben, Specialnachrichten darüber zu haben, die sie unter dem Namen von Offenbarungen uns mittheilen wollen.
- Den Herren von der Offenbarung möchte ich rathen, heut zu Tage nicht so viel von der Offenbarung zu reden; sonst ihnen leicht ein Mal offenbart werden könnte, was eigentlich die Offenbarung ist. -
Der aber ist nur noch ein großes Kind, welcher im Ernst denken kann, daß jemals Wesen, die keine Menschen waren, unserm Geschlecht Aufschlüsse über sein und der Welt Daseyn und Zweck gegeben hätten. Es giebt keine andere Offenbarung, als die Gedanken der Weisen; wenn auch diese, dem Loose alles Menschlichen gemäß, dem Irrthum unterworfen, auch oft in wunderliche Allegorien und Mythen eingekleidet sind, wo sie dann Religionen heißen. Insofern ist es also einerlei, ob Einer im Verlaß auf eigene, oder auf fremde Gedanken, lebt und stirbt: denn immer sind es nur menschliche Gedanken, denen er vertraut, und menschliches Bedünken. Jedoch haben die Menschen, in der Regel, die Schwäche, lieber Andern, welche übernatürliche Quellen vorgeben, als ihrem eigenen Kopfe zu trauen. Fassen wir nun aber die so überaus große intellektuelle Ungleichheit zwischen Mensch und Mensch ins Auge; so könnten allenfalls wohl die Gedanken des Einen dem Andern gewissermaaßen als Offenbarungen gelten. -
Hingegen das Grundgeheimnis und die Urlist aller Pfaffen, auf der ganzen Erde und zu allen Zeiten, mögen sie brahmanische oder mohammedanische, buddhaistische, oder christliche seyn, ist Folgendes. Sie haben die große Stärke und Unvertilgbarkeit des metaphysischen Bedürfnisses des Menschen richtig erkannt und wohl gefaßt: nun geben sie vor, die Befriedigung desselben zu besitzen, indem das Wort des großen Räthsels ihnen, auf außerordentlichem Wege, direkt zugekommen wäre. Dies nun den Menschen Ein Mal eingeredet, können sie solche leiten und beherrschen, nach Herzenslust. Von den Regenten gehn daher die klügeren eine Allianz mit ihnen ein: die andern werden selbst von ihnen beherrscht. Kommt aber ein Mal, als die seltenste aller Ausnahmen, ein Philosoph auf den Thron, so entsteht die ungelegenste Störung der ganzen Komödie.

(Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena II § 176)
Darüber rege auch ich mich leicht auf, daß manche Menschen glauben, sie könnten mit der Bibel an Schmitzbackes vorbeikommen. Wir leben nun mal alle in diesem Nebel; nur glauben manche, sie hätten "Spezialnachrichten".

Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
kornelila schrieb am 30.06.2011 um 23:32 Uhr (Zitieren)
Das schöne an der Bibel ist die damit verknüpfte Hoffnung, sonst gar nichts.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
regulus schrieb am 02.07.2011 um 12:39 Uhr (Zitieren)
Erstens akzeptiere ich es natürlich, dass manche mit der Bibel oder dem Glauben der Bibel nichts anfangen können. Darum ging es mir auch garnicht. Mir geht es eher darum, dass ich es nicht leiden kann, wenn man so pauschalisierend darüber spricht, als ob man anhand von ein paar Aussagen das ganzen Wesen der Bibel erfassen könnte. Man kann ja sagen, dass man nichts mit ihr anfangen kann, dennoch muss man sie ja nicht gleich verdammen mit Sätzen wie

"Die Bibel ist FRAUENFEINDLICH! Warum? Weil diese nicht von Frauen geschrieben wurde. ;-) Sie wurde geschrieben von Männern. Von solchen Männern, wie wir sie heute aus den Nachrichten fürchten. "

Solche Pauschalisierungen kann ich nicht leiden und stimmen auch einfach nicht. (Von Männern wie wir sie heute fürchten, also ich denke nicht, dass dies die Verfasser der Bibel waren)
Es gibt nämlich auch andere Stellen, die eben gerade nicht als frauenfeindlich gelten (z.B Gal 3,28). Zudem ist hier immer die Bemerkung von Andreas zu berücksichtigen, dass Schriften immer im Kontext ihrer Zeit betrachtet werden müssen. Sonst könnte man z.B. auch Hesiod komplett als frauenfeindlich ablehnen.
Ich finde es einfach inkonsequent,wenn, wie man es leider oft erlebt, auf der einen Seite die Bibel abgelehnt wird, man aber dann bei positiven Dingen oder Zitaten auf die zurückgreift. Dasselbe gilt für Leute, die aus der Kirche austreten und auf sie schimpfen, aber ihre Kinder in einen kirchlichen Kindergarten schicken.
Ich musste diesen Unmut einfach mal rauslassen, weil mich solche Pauschalisierungen zunehmend verägern. Ich hoffe, auf euer Verständnis und damit keinen verägert zu haben.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 02.07.2011 um 13:01 Uhr (Zitieren)
Ich kann dich verstehen, regulus.
Ich beteilige mich bei Bibeldiskussionen nicht, weil ich auch selber weiß, dass ich mich zu wenig damit beschäftige und daher keine richtigen Aussagen machen könnte.
Du hast sicher keinen verärgert. Das war deine Meinung.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 02.07.2011 um 13:20 Uhr (Zitieren)

Das menschliche Gehirn will Informationen schnellstmöglich verarbeiten. Leider führt dies zu Schubladendenken und Vorurteilen. Vereinfachung führt meist in die Irre, wenn man nicht zwischendurch auch mal inne hält und differenziert prüft, was man sich so gedacht hat.
Deswegen kann ich regulus Verärgerung verstehen. Alles kein Grund, sich zu prügeln. Die Wahrheit hat - zum Glück - noch keiner für sich gepachtet.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 03.07.2011 um 18:39 Uhr (Zitieren)
Hochinteressante Diskussion hier!

Da oben nach dem hebräischen Text gefragt wurde - den habe ich mir eben einmal vorgenommen. Und das fand ich ;-)
Die Satzkonstruktion ist folgende (ich versuche, das auf deutsch einigermaßen nachzumachen):
Und ein Findender bin ich bitterer als den Tod die Frau [Akk.], von welcher gilt, daß sie ...

Im Deutschen liest sich das so, als sei mit dem bestimmten Artikel eine All-Aussage getroffen (_die_ Frau ganz allgemein), dem ist jedoch nicht so, die Determination (êt-ha-ishâ) des hebräischen Artikels hat eindeutig hinweisende Funktion und vereinzelt, und das Relativpronomen (ashêr-hî), das ich mit 'von welcher gilt' wiedergegeben habe, leitet eine Spezifikation des vorher eingegrenzten Objekts ein. So habe ich das jedenfalls einmal gelernt ...

Ich verstehe den Satz folglich so:
Und ich fand bitterer als den Tod diejenige Frau, die ...

Insofern ist der Spruch, so wie er landläufig kursiert (vgl. z. B. wiki): 'Bitterer als der Tod ist das Weib', m. E. eine unzulässige Verkürzung. Die Einheitsübersetzung ("Immer wieder finde ich die Ansicht, stärker als der Tod sei die Frau." vgl. http://www.bibleserver.com/) halte ich - mit Verlaub - für etwas fragwürdig.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 03.07.2011 um 18:54 Uhr (Zitieren)
Guter Hinweis!
Das zeigt, dass man die Originalstellen kennen muss (ich kann kein Hebräisch).
Es muss auch gesagt werden, dass Frauen in der Bibel auch positiv besetzt sein können:
die Apostel (also Männer) verleugnen im entscheidenden Moment Jesus, machen sich aus dem Staube und glänzen bei der Kreuzigung durch Abwesenheit. Frauen sind bei der Kreuzigung anwesend, pflegen den Leichnam und finden das leere Grab.
Da ist eine gewisse Differenzierung doch angebracht. Und die Rollenverteilung der Antike auf die Gegenwart zu übertragen ist eine Vereinfachung.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 03.07.2011 um 19:16 Uhr (Zitieren)
Sie finden nicht nur das leere Grab, sondern es ist Maria aus Magdala, die dem Auferstandenen als erste begegnet und Ihn anspricht und dann erkennt.

Und man sollte sich nicht nur davor hüten,
die Rollenverteilung der Antike auf die Gegenwart zu übertragen
,
sondern viel allgemeiner, unbesehen die Maßstäbe der heutigen Zeit an Vergangenes (Gedankengut, Verhalten, moralische Begriffe/Werte u. a. m.) anzulegen, man kann nur ein schiefes Bild erhalten.
Das soll nicht heißen, auf Wertung zu verzichten, im Gegenteil, sie ist ausdrücklich notwendig, aber sie darf nicht ungerecht sein, und das wird sie, wenn sie Urteile fällt auf Grund von Maßstäben (qânûn = das Rohr als Maßstock -> κανών -> Kanon, Gesetz), die zur fraglichen Zeit nicht gültig, ja, nicht existent waren.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 03.07.2011 um 19:22 Uhr (Zitieren)

Ja, das sehe ich auch so.
Ärgerlich ist da nicht die Bibel an sich, sondern Kirchenkreise, die sich weigern, den in 2000 Jahren unausweichlichen Veränderungen zu folgen.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 08.07.2011 um 16:21 Uhr (Zitieren)

Mal was Frauenfeindliches aus der Gegenwart:

Ein Ehemann erhält beim Arzt eine schlimme Diagnose. Der Arzt nimmt die Frau beiseite und erklärt ihr, wie sie das Leben des Mannes entscheidend verlängern kann: kein Stress, keine umfangreichen Arbeiten am Haus und im Garten in der Freizeit, Unternehmungen, die auch dem Mann Freude bereiten, Zubereitung der Speisen, die er gerne mag, kein Meckern, wenn er Fußball sehen will, usw. … dann habe der Mann eine Chance. Auf dem Weg nach Hause fragt der Mann seine Frau im Auto, was denn der Arzt noch gesagt habe. Mit bitterer Miene sagt sie: „Du wirst sterben“.


Quelle: meine Ehefrau, gestern, am Hochzeitstag ...
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 08.07.2011 um 16:30 Uhr (Zitieren)
Ist das frauenfeindlich?
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 08.07.2011 um 16:35 Uhr (Zitieren)

... τί οὖν λέγω;
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Πέγασος schrieb am 09.07.2011 um 06:52 Uhr (Zitieren)
War das gemein von mir? Dann täte es mir leid, ανδρέας.
Ich bin nicht männerfeindlich, sondern menschenfreundlich, meistens jedenfalls.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 09.07.2011 um 08:25 Uhr (Zitieren)
Hier ist wohl niemand frauen- oder männerfeindlich. Wir spotten und lachen wohl gerne, auch über uns selber.

Irgendeinen Grund muß es jedoch dafür geben, daß Eheleute zwar eine längere Lebenserwartung haben, aber eher bereit sind zu sterben.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
ανδρέας schrieb am 09.07.2011 um 10:39 Uhr (Zitieren)
Nein, Πέγασος,

das war nicht gemein.

Angeblich leben Eheleute ja nicht länger, sondern es kommt ihnen nur länger vor. Mir gehen die Jahre jedenfalls zu schnell vorüber. Zum Sterben fällt mir eine Aussage von Charlton Heston ein, der auf die Frage, ob er in seiner langjährigen Ehe schon mal über Scheidung nachgedacht habe, antwortete: "Scheidung?Nie!Mord.Oft!"
Aber der Mann war ja auch Vorsitzender der Waffenlobby und hatte ganz andere Möglichkeiten als ich ...
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 09.07.2011 um 10:55 Uhr (Zitieren)
Ja, diese Äußerung von Charlton Heston ist legendär.
Re: Mal was Frauenfeindliches, aber aus der Bibel
Γραικίσκος schrieb am 09.07.2011 um 16:10 Uhr (Zitieren)
Andreas' Schreibweise rückt die Worte auffallend dicht aneinander. Das soll wohl zeigen, wie nahe das alles in der Ehe liegt.
 
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