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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ein Problem mit dem Possessivpronomen (1858 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 31.05.2011 um 17:33 Uhr (Zitieren)
ὁ ἐγκέφαλος ἐμός

- Übersetzung: klar.
- ἐμός: Possessivpronomen = besitzanzeigendes Fürwort
- Aber wer ist das, der mein Gehirn besitzt?
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
ανδρέας schrieb am 31.05.2011 um 18:11 Uhr (Zitieren)

Ich denke mal: ἡμεῖς ἡμῶν αὐτῶν ἐσμεν

also gehört dazu auch das eigene Gehirn.

Wer ist der Besitzer? ἐγώ

Wer sich bewusst von anderen abgrenzen kann, dürfte damit doch kein Problem haben.
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Γραικίσκος schrieb am 31.05.2011 um 18:19 Uhr (Zitieren)
Wer ist der Besitzer? ἐγώ

Und wer ist ἐγώ?
Ein berühmter deutscher Hirnforscher hat darauf die Antwort gegeben: "mein Gehirn". (Zitat: "Ich bin mein Gehirn.")
Und da beißt sich doch die Katze in den Schwanz, oder?
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
ανδρέας schrieb am 31.05.2011 um 18:35 Uhr (Zitieren)

Warum?
Ein Auto ist ein Auto , es kann fahren
Ein Gehirn ist ein Gehirn, es kann denken und sich (und anderes) erkennen

Beides besteht aus mehr als der Summe seiner Teile. Greifen die einzelnen Funktionen sinnvoll ineinander, klappt das ...
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Γραικίσκος schrieb am 31.05.2011 um 18:37 Uhr (Zitieren)
Unter all den Milliarden Menschen bin nur ein einziger ich, obgleich alle sich so nennen. Was oder wen geneua meinen wir damit?
"Mein Gehirn" empfinde ich nicht als passende Antwort, aus dem genannten Grunde: wessen Gehirn? Es liegt nahe, dann in eine Schleife zu geraten: meins eben.

Eine Philosophin hat einmal - am Ende einer sehr langen und sehr komplizierten Analyse - geschrieben: Wenn wir 'ich' sagen, dann meinen wir denjenigen, der diesen Satz sagt.
Auffallend ist, das Descartes' Selbstgewißheit des Ich sich bei näherer Untersuchung in Luft auflöst, weil er nicht sagen kann, wer denn dieses Ich ist. Wenn ich hier meinen Namen einfüge ("ich, W.W."), ist das keine mit Gewißheit zu treffende Aussage, denn über meinen Namen kann ich mich ja durchaus irren, etwa wenn ich als Säugling verwechselt worden bin. Ebenso kann ich mich mit allem anderen irren, was ich über mich zu wissen glaube.
Ist 'ne knifflige Frage. Intuitiv sind wir ganz sicher, aber wenn man genauer nachdenkt, gerät man ins Schwimmen.
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Γραικίσκος schrieb am 31.05.2011 um 19:02 Uhr (Zitieren)
[qutoe]Zur Hirn-Serie in Ihrem Feuilleton: Vor Jahren sollte ich einen Beitrag „Kann der Geist erkranken?“ schreiben. Eigene Erfahrungen waren zu verarbeiten, allzu Persönliches auszuklammern, sorgfältige Überlegungen angebracht. Nach ein paar Absätzen ging es nicht mehr weiter. Ein neuer Anlauf führte mich wieder in eine Sackgasse. Was war da los? Ich überlegte hin und her, hoffte auf eine Eingebung. Nichts. Die Zeit verging, der Herausgeber fragte nach; ich kam in Druck, wartete noch einen Tag, dann ging ich zum Telefon, um mitzuteilen, daß ich passen müsse. Als ich zum Hörer griff, geschah das Unglaubliche: „Ich“ „sah“ mit einem „inneren Auge“ den ganzen Beitrag vor mir. Er war fertig, alles war „geschrieben“, ich brauchte es nur noch „abzuschreiben“. Aber sofort! Ich schrieb das Ganze in einem Zug, ohne nachzudenken. Und war überrascht! Das war etwas anderes, als ich mir ausgedacht hatte. Es war gut, doch „ich“ hatte das nicht geschrieben, es war mir zugefallen – von woher? Das Phänomen ist unter kreativ Arbeitenden verbreitet. Autoren und Komponisten leben von solchen Eingebungen. Für mich war es neu, weil ich gut dreißig Jahre lang nur fachwissenschaftlich geschrieben hatte. Solches Schreiben geschieht durchdacht, nach Plan, faktenorientiert und theoriegebunden. „Freies Schreiben“ geht anders. Aber wer schreibt da eigentlich, wenn ich nur noch „abschreibe“, was mit dem „inneren Auge“ zu sehen ist?
Mein Ich hatte ja auch schreiben wollen, aber es war gescheitert. Was ich mir da vorgestellt und ausgedacht hatte, scheint irgendwie nicht zu mir gepaßt zu haben. Etwas in mir wollte anderes schreiben. Wollte mein Ich diese Konkurrenz nicht zulassen? Die Patt-Situation hielt so lange an, wie „ich“ mich mühte, zu schreiben. Erst im Moment der „Ich-Aufgabe“ brach das inzwischen ohne mein Zutun von einer unbewußten Instanz Verfaßte durch. Mir scheint, daß „tiefere“ Schichten des Gehirns mit „tieferer“ Einsicht sich gegenüber dem Ich-Bewußtsein durchgesetzt hatten. Hatte mein kreatives „Herz“ das Steuer übernommen? Aber was ist dieses Herz? Ist es etwa ein Zombie oder ein Anti-Wille, gar ein Nicht-Ich? Bedenkenlos habe ich das „Abgeschriebene“ mit meinem Namen gezeichnet!

Professor Dr. Dieter Dieterich,
Blankenheim[/quote]
(Leserbrief an die FAZ vom 23.3.2004)
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
ανδρέας schrieb am 31.05.2011 um 19:39 Uhr (Zitieren)

"Ich bin Ich".
Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Da habe ich wirklich Zweifel, wer da spricht.
Aber bei mir nicht!!!

Solange ich mich von anderen abgrenzen kann, ist es mein "Ich", das da spricht. Selbst der Blödsinn, den ich im Rahmen einer Bacchanalie geredet habe, ist von "mir". Die Eingebungen und der Blödsinn mögen "unkonrolliert" und frei entweichen, aber sie sind das Ergebnis von Wissen, Erfahrung, Emotion usw., das ich abgespeichert habe. Das muss mir ja nicht immer bewusst sein.
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Γραικίσκος schrieb am 31.05.2011 um 19:41 Uhr (Zitieren)
Was hältst Du von der Erfahrung, die Prof. Dieterich in seinem Leserbrief beschreibt?
"Mir" geht es manchmal ähnlich: Ich habe keine Ahnung, was in "mir" die Einfälle produziert.
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
ανδρέας schrieb am 31.05.2011 um 19:46 Uhr (Zitieren)

Doch, das ist schon nachvollziehbar. Wenn man sich lange Zeit mit einem Thema befasst, diverse Hintergründe kennt, Gedanken gesammelt hat, quasi mit einer Idee "schwanger" geht, dann bricht es irgendwann heraus. Es fügen sich die Elemente, die sich bereits gefunden haben, wenn ein Anstoß, der einem nicht mal ganz "bewußt" sein muss, zusammen. Archimedes hatte ja auch länger über das Goldkronenproblem gebrütet, bis er das überschwappende Wasser beim Bade damit verband: Heureka! - aber das was sicher Archimedes. Er hätte "ich" gesagt, denke ich.
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Πέγασος schrieb am 01.06.2011 um 07:47 Uhr (Zitieren)
Was Dieter Dieterich oben schreibt, ist ein öfter beschriebenes Phänomen; aber selten habe ich es so gut geschildert gesehen.

Sein Vorhaben, einen Artikel zu schreiben, lässt sich mit kreativem Problemlösen vergleichen: Die Fakten, das Wissen und das Ziel sind klar, nur der Weg dahin nicht und alles Grübeln führt nicht zum Ziel; Erfindern ging es auch oft so. Und dann, in in einem Moment der Entspannung (manchmal sind die Leute auch mit etwas ganz anderem beschäftigt) steht die Lösung vor dem inneren Auge, ganz plötzlich und unvermutet.

Systemtheoretiker würden das einen Phasenübergang nennen: die Einzelteile, die im Kopf rumschwirren, werden völlig neu geordnet; auch die Gestalttheoretiker haben sich damit eingehend beschäftigt:

Die Gestaltpsychologie beschäftigt sich vor allem mit der Entstehung von Ordnung im psychischen Geschehen – in der Wahrnehmung ebenso wie im Denken, Fühlen und Verhalten. Menschen werden dabei grundlegend als offene Systeme im aktiven Umgang mit ihrer Umwelt gesehen, die ihre Wahrnehmungen in bestimmten Mustern organisieren ...

Sie hat ihren Ursprung in den Erkenntnissen von Johann Wolfgang von Goethe, Ernst Mach und besonders Christian von Ehrenfels und in den Forschungsarbeiten von Max Wertheimer, Wolfgang Köhler, Kurt Koffka und Kurt Lewin. Im Rückgriff auf Aristoteles "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" wandten sie sich gegen die Elementenauffassung des Psychischen, den Assoziationismus, den klassischen Behaviorismus und die ursprüngliche Triebtheorie.


(Zitat aus Wikipedia: Gestalttheorie)


Die Frage, wer mein Gehirn besitzt, ob ich mein Gehirn bin, bleibt davon unberührt: Ich wollte/sollte eigentlich jetzt Griechisch lernen, zuvor ein Blick ins Forum ... nein, nicht nur ein Blick, ich schreibe ja! Bin ich das? Mein Gehirn? - definitiv nicht, das hat keine Hände ... Mein innerer Schweinehund, der gerade keine Lust auf Griechisch hat? ... Schwierig, schwierig ...
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Γραικσκος schrieb am 01.06.2011 um 11:31 Uhr (Zitieren)
Oft – und im Innersten vielleicht ununterbrochen – zweifle ich daran, ein Mensch zu sein.

(aus Kafkas "Briefen an Felice")

Ist das nicht seltsam? Ich glaube nicht, daß Kafka hier übertreibt oder gar lügt - so war er nicht.
Das mit dem Ich wird mir immer unklarer.

***

Paßt zu dem Eindruck von Prof. Dieterich nicht auch das Ergebnis der Experimente von Benjamin Libet? Daß nämlich unser Bewußtsein hinter den tatsächlichen Entscheidungen herhinkt? Daß in Wahrheit "Es" in uns entscheidet?
Wie einfach hat es sich Platon mit seinem Gleichnis vom Seelenwagen gemacht!
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Πέγασος schrieb am 01.06.2011 um 13:10 Uhr (Zitieren)
Na, mit Libet wären wir wiedermal bei der Diskussion um den freien Willen ...


Interessant in diesem Zusammenhang sind aber Untersuchungsbefunde von Split-Brain-Patienten: Denen wurde der Balken zwischen den beiden Gehirnhälften durchtrennt, um epileptische Anfälle daran zu hindern, auf die zweite Hirnhälfte überzugreifen (wenn keine andere Therapie funktionierte).

Im Alltag merkt man diesen Menschen nichts an; im Experiment kann man aber nachweisen, dass beide Hirnhälften unabhängig voneinander arbeiten. Wo ist dann das Ich/mein Gehirn? --- Irgendwo habe ich die Studien im Regal ... auf die Schnelle habe ich das gefunden:

In Experimenten von Roger Sperry [...] wurde Versuchspersonen mit durchtrenntem Balken (split brain) beispielsweise die Aufforderung „Gehen Sie“ in die rechte Hirnhälfte projiziert. Wenn die Forscher die Versuchspersonen, die daraufhin aufgestanden waren, fragten, wo sie so plötzlich hin wollten, gaben sie typischerweise eine Erklärung wie z.B. „Ich wollte mir nur eine Cola holen.“

Die Erklärung der Forscher für dieses Verhalten ist, dass die Begründung („Ich wollte mir nur eine Cola holen“) von der linken Hemisphäre kommt, denn nur sie kann „sprechen“. Den Befehl aber hatte die rechte Hirnhälfte gesehen, sie allein kennt den wahren Grund des Verhaltens. Da der Austausch zwischen den beiden Hirnhälften nicht möglich ist, kann die linke („sprechende“) Hemisphäre nicht darüber informiert werden. Und anstatt zu schweigen oder zuzugeben, dass sie keine Erklärung hat, erfindet die linke Hemisphäre kurzerhand eine Erklärung, die ihr im Moment plausibel erscheint.


Quelle:
http://www.shiatsu-austria.at/einfuehrung/wissen_38.htm


Einen ausführlichen Artikel (wenn auch schon ein bisschen älter) fand ich hier:
Rechtes und linkes Gehirn: Split-Brain und Bewußtsein
Jahrzehntelange Studien an Patienten mit chirurgisch getrennten Großhirnhälften haben das Verständnis für den funktionellen Aufbau des Gehirns und das Wesen des Bewußtseins vertieft.
Von Michael S. Gazzaniga
www.wissenschaft-online.de/artikel/824992


Die Sache mit dem ICH ist spannend und wird immer komplizierter, je mehr man sich damit beschäftigt; es gibt sogar eine Arbeit, in der naturwissenschaftliche Ansätze mit dem Theravāda-Buddhismus verglichen werden.
Re: Ein Problem mit dem Possessivpronomen
Γραικίσκος schrieb am 01.06.2011 um 15:44 Uhr (Zitieren)
Die Frage "wer bin ich?" empfinde ich als sehr spannend ... und in der Antike ganz unzulänglich beantwortet. Ich komme später noch einmal darauf zurück und werde bis dahin auch die Links studiert haben.
 
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