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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Verleihnix' Nachschub (785 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 05.06.2011 um 16:55 Uhr (Zitieren)
In einem römischen Handelsschiff, das im 2. Jahrhundert n. Chr. vor der Adria-Stadt Grado sank, wurden die Reste einer Bleikonstruktion gefunden. Der venezianische Archäologe Carlo Beltrame glaubt, dass das 1,30 Meter lange gebogene Rohr Teil eines Pumpsystems war, mit dem lebende Fische an Bord des Schiffs mit frischem Wasser versorgt wurden. Bisher gingen Forscher davon aus, dass wegen der fehlenden Kühlmöglichkeiten Fische in der Antike fangfrisch verzehrt oder zu Fischsauce verarbeitet wurden.

International Journal of Nautical Archeology.

(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung von heute)
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 05.06.2011 um 22:08 Uhr (Zitieren)
Auf diese Weise haben die Menschen der Antike das Blei dann nicht nur übers Trinkwasser konsumiert.
Re: Verleihnix
Πέγασος schrieb am 06.06.2011 um 07:11 Uhr (Zitieren)
Verleihnix wurde bestimmt nicht von der römischen Handelsflotte beliefert; seine Fische waren deshalb ein Ärgernis für die Nase, dafür aber bleifrei.
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 17:59 Uhr (Zitieren)
Unter den hunderten von Theorien, warum das Römische Reich untergegangen ist, läuft eine auf eine kollektive Bleivergiftung der Römer hinaus.
Re: Verleihnix
ανδρέας schrieb am 06.06.2011 um 18:51 Uhr (Zitieren)

Eine monokausale Erklärung gibt es sicher nicht.
Westrom wurde m.E. durch den Druck der Völkerwanderung so lange geschwächt, bis es als Reich nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Anders als Ostrom hatte man sich auch nicht ausgerechnet von den den Völkern abhängig gemacht, die Roms größte Bedrohung waren, den Germanen. Überdehnung und Überlastung ließen es dann zusammenbrechen und germanische Heerführer übernahmen das, was übrig war. Wer alles verteidigen will, verteidigt am Ende nichts, wenn die Kräfte fehlen. Blei dürfte da kaum ein Rolle gespielt haben, denke ich.
Re: Verleihnix
ανδρέας schrieb am 06.06.2011 um 18:52 Uhr (Zitieren)

ups, ein Wort zu viel: nicht

sich auch <nicht> ausgerechnet
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 19:02 Uhr (Zitieren)
Wieder zurück? Offensichtlich!

Eine monokausale Erklärung ist gewiß nicht angemessen. Die Völkerwanderung der Germanen ist sicher ein Faktor.
Aber diskutiert werden sicherlich hunderte.
Zur Bleivergiftung: Die Spätantike ist durch einen Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet - es fehlten Menschen. So weit ich weiß, kann Bleivergiftung unfruchtbar machen.
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 19:06 Uhr (Zitieren)
Jetzt habe ich den Text gefunden, den ich suchte:
[...] Das Spektrum dessen, was [...] in der Geschichtsschreibung als „Erklärung“ oder mindestens ein „Faktor“ gilt, ist so ungeheuer breit, verschiedenartig und vage, daß man zweifeln darf, ob die einzelnen Schulen einander auch bloß im Widerspruch begegnen können. Bryan Ward-Perkins hat in seinem Buch "The Fall of Rome and the End of Civilization" im Faksimile die systematische Übersicht aller „Faktoren” abgebildet, alphabetisch geordnet, die jemals für den Niedergang des Römischen Reiches verantwortlich gemacht worden sind. Zweihundertzehn Stück sind es; und er läßt die Liste in ihrem originalen Deutsch stehen, auf die Gefahr hin, daß viele seiner englischen Fachkollegen und Leser es nicht mehr verstehen werden. (Der deutsche Leser hingegen wird wieder einmal daran erinnert, welche sinister erheiternde Wirkung von seiner Sprache für einen Angelsachsen ausgeht.)
Es hebt an mit „Aberglaube“, „Absolutismus“ und „Ackersklaverei“ und endet mit „Zentralismus“, „Zölibat“ und „Zweifrontenkrieg“. Ein Großteil der Einträge verrät sich sofort als Produkt eines denkfaulen, übellaunigen und rechthaberischen Kulturkonservatismus: „Apathie“, „Badewesen“, „Charakterlosigkeit“, „Duckmäusertum“, „Entnervung“, „Freiheit im Übermaß“, „Gleichberechtigung“, „Homosexualität“, „Intellektualismus“ und viele andere; der Übergang zur nationalsozialistischen Wissenschaft ist fließend, ihr dürften Stichwörter wie „Entartung“, „Entvolkung“, „Rassenselbstmord“, „Blutzersetzung“ zugehören. Auf eine geschmäcklerisch geistesgeschichtliche Betrachtungsweise deuten hin „Kulturneurose“, „Seelenbarbarei“ und, in seiner Schlichtheit rührend, „Traurigkeit“. Die sozialgeschichtliche Schule trägt bei „Schollenbindung“, „Arbeitsteilung“, „Bevölkerungsdruck“, „Ruin des Mittelstandes“, die marxistische „Ausbeutung“, „Kapitalismus“, „Pauperismus“, die militärgeschichtliche „unkluge Vorfeldpolitik“, die wirtschaftsgeschichtliche „Goldabfluß“, „Inflation“, „Verlagerung der Handelswege“, die christliche „Ketzerei“, „Gladiatorenwesen“, „Polytheismus“ (wobei aber auch „Christentum“ als Grund genannt wird), die medizingeschichtliche „Bleivergiftung“, „Impotenz“ und „Seuchen“, die erdgeschichtliche „Erdbeben“, die klimageschichtliche „Klimaverschlechterung“. Auch „Niedergang der Städte“, „Hunnensturm“, „Stagnation“ tauchen auf, ohne Rücksicht, daß sie der Befund sind, der zu erklären wäre, und keineswegs als Gründe für sich selbst durchschleichen sollten. Nicht fehlen darf heute der „Terrorismus“, während der ähnlich anachronistische „Kommunismus“ vermutlich schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Und: „Unglückskette“, das ist ein schöner Ausdruck, hat aber den methodischen Wert eines Händeringens.
Auffällig ist die Häufung von Substantiven, die mit Ent-, Ver- und Über- beginnen; sie weisen auf den Hang der Historiker, die Analyse des Fehlgeschlagenen mit seiner Kritik zu verbinden. Und das sind, wie gesagt, nur die Makrofaktoren; auf welche Weise die feinen Zahnräder der Mikrogründe wie das Mausloch in der Steppe und Napoleons Hämorrhoiden in sie eingreifen könnten, um das Uhrwerk der Ereignisse und Tendenzen in Gang zu setzen, muß ganz unklar bleiben.
Ward-Perkins enthält sich nach dieser Demonstration auch aller weiteren Ursachensuche und beharrt nur auf dem einen: Die allgemeine Lebensqualität sei zum selben Zeitpunkt sprunghaft zurückgegangen, als die germanischen Völkerschaften einbrachen, und hier müsse jedenfalls ein Zusammenhang bestehen. Gleichwohl heißt das Kapitel, in dem er seinen unterkühlten Spott über die Kausalforscher ausgießt, „The Road to Defeat“: Dem Reflex, jedes abgelaufene Stück Zeit sogleich als einen Weg zu deuten, entgeht auch er nicht.
[...]

[Quelle: Burkhard Müller, Die Tränen des Xerxes. Von der Geschichte der Lebendigen und der Toten. Springe 2006, S. 166-168]
Re: Verleihnix
ανδρέας schrieb am 06.06.2011 um 19:16 Uhr (Zitieren)

Es wäre interessant, Ostrom, das ja erst 1453 endgültig zusammenbrach, mit Westrom zu vergleichen. Dann könnte man zumindest grobe Unterschiede feststellen. Was hatte Westrom nicht, das Ostrom hatte. Haben z.B. die Byzantiner Blei bewusst vermieden? Und, wenn ja, warum sind die Weströmer nicht gefolgt etc.?
Die Ausgangsvoraussetzungen waren zumindest ähnlich. Das wäre doch zumindest einleuchtend. Ich kenne aber keine Vergleichsstudie.

Ah, und unser Kurztripp nach Norderney ist leider zu Ende - war sehr schön. Donnerstag muss ich dann nach Londonderry - geschäftlich. Dort soll das Wetter ja weniger schön sein, nunja.
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 19:24 Uhr (Zitieren)
Was immer die Erklärung sein mag, sie muß auf das Weströmische Reich zutreffen und auf das Oströmische nicht.

Burkhard Müller schreibt schön, nicht wahr?

In Irland wechselt das Wetter schnell & häufig.
Und hier: Katastrophen an manchen Orten.
Re: Verleihnix
ανδρέας schrieb am 06.06.2011 um 19:43 Uhr (Zitieren)

Ja, Müller bringt es auf den Punkt: jedem seine Spielwiese. Letztlich geht jedes Reich unter. Allerdings bringt auch Spenglers Werk (Untergang des Abendlandes) einen nicht weiter: zyklischer Auf- und Untergang sagt wenig über die Details. Man könnte es auch modern ausdrücken: das Reich ist ja nicht weg, nur hat es jetzt ein anderer oder mehrere Teile davon. Wahrscheinlich hat es den Untertanen nicht mehr das gebracht, was sie brauchten und sie haben sich einfach nicht mehr aufgebäumt. Wofür denn?
Re: Verleihnix
Πέγασος schrieb am 06.06.2011 um 20:32 Uhr (Zitieren)
Ich mal gelesen, dass die Bleirohre dafür verantwortlich gemacht wurden, dass das Kaiserhaus ab der zweiten Generation stets einige Verrückte hatte.

Die Normalbevölkerung hatte doch nicht den Luxus von fließendem Wasser in ihren Häusern, oder?
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 20:38 Uhr (Zitieren)
Nein, nicht in den Häusern - die mußten sich an zentralen Brunnen bedienen. Du meinst, daß die von den großen Steinröhren der Aquädukte gespeist wurden?
Hm. Da wirst Du wohl recht haben. Also keine Bleivergiftung für Quintus Romanus Normalus. Es sei denn, er war Fischliebhaber.
Re: Verleihnix
ανδρέας schrieb am 06.06.2011 um 20:45 Uhr (Zitieren)

Eine Bleivergiftung müsste doch zu Auffälligkeiten bei den betroffenen Adeligen, Machthabern, und insbesondere den Kaisern geführt haben, die in historischen Beschreibungen irgendwo beschrieben worden wären. Wenn ein Kaiser folgende Symptome aufweist:
- Blutarmut
-Herz-Kreislaufstörungen
- Verfärbung der Haut
-Darmstörungen
-Schlappheit
-Nierenversagen
-Erbrechen
-neurologische Folgen und Koma
-Fortpflanzung etc.
vgl. Bleivergiftung

Das wäre doch nicht verborgen geblieben und man hätte nach der Ursache gesucht. Mir sind keine Kaiser bekannt, die signifikant solche Symptome hatten. Da muss ja eine ganze Oberschicht krank und schlapp geworden sein!
Gibt es da Quellen?
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 20:50 Uhr (Zitieren)
Interessant!
Einige dieser Symptome hätte man, zumindest bei Kaisern, als Vergiftungssymptome identifiziert. Vielleicht hat also die Agrippina gar nicht den Claudius ...
Aber jetzt spekuliere ich.
Re: Verleihnix
ανδρέας schrieb am 06.06.2011 um 20:52 Uhr (Zitieren)
gefunden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wasserversorgung_im_R%C3%B6mischen_Reich#cite_note-8

Vitruv: de architectura VIII (de aquis) 6, 10f er verweist auf die kranken Bleiarbeiter.

Was trank die Oberschicht?
Re: Verleihnix
Πέγασος schrieb am 06.06.2011 um 21:08 Uhr (Zitieren)
Erwachsene resorbieren über den Verdauungstrakt nur etwa 10% der aufgenommenen Bleimenge in den Körper, während bei Kindern im Alter zwischen zwei Monaten und sechs Jahren bis zu 50% des Bleis in den Körper gelangen. Deshalb sind Kinder durch Blei in der Nahrung besonders gefährdet.


(gefunden in Wikipedia)

Demnach müssten diejenigen, die im Kaiserpalast aufwuchsen, besonders heftige Symptome einer Bleivergiftung gezeigt haben.
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 21:26 Uhr (Zitieren)
Die Oberschicht wurde sicher aus kleineren Brunnen, die durch kleinere (Blei-)Leitungen gespeist wurden, versorgt.
Könnte es nicht tatsächlich sein, daß die häufiger berichteten Vergiftungen durch angebliche Rivalen in Wahrheit Bleivergiftungen waren?
Bei nicht ganz klaren Todesfällen ist man ja mit Verdächtigungen rasch bei der Hand.
Re: Verleihnix
ανδρέας schrieb am 06.06.2011 um 22:06 Uhr (Zitieren)

Wie war die Wasserversorgung in Ostrom gestaltet? Hatten die auch Bleirohre? Die Technik war doch sicher ähnlich. Aber kein Hinweis dort auf Bleivergiftung.
Re: Verleihnix
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2011 um 22:10 Uhr (Zitieren)
Mir sind keine konkreten Hinweise in Ostrom (Konstantinopel) bekannt. Aber ich hänge noch meiner Hypothese nach und frage mich, ob dort häufiger hochstehende Leute 'vergiftet' worden sind.
Mir kommen jetzt freilich nur Fälle von Blendung mit anschließender Zwangseinweisung in ein Kloster in den Sinn.
Re: Verleihnix
Πέγασος schrieb am 08.06.2011 um 23:36 Uhr (Zitieren)
Gerade gefunden: das sollen die Bleirohre aus den Schiffen sein...

http://www.epoc.de/artikel/1073428&_z=798890
 
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