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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Parabel von der größten Weisheit der Welt (864 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 21.06.2011 um 18:20 Uhr (Zitieren)
Der König eines fernen Landes in einer fernen Zeit hatte einen Sohn, dem er die beste Erziehung geben wollte, die auf Erden möglich ist. So rief er die weisesten Männer seines Landes - tut mir auch leid, aber Frauen kommen in dieser Geschichte gar nicht vor -, also er rief die weisesten Männer zusammen und gab ihnen einen königlichen Auftrag: „Ihr sollt mir die Weisheit der ganzen Welt in einem Buch niederschreiben. Es soll das beste Buch überhaupt werden. Ich werde es dann meinem Sohn geben, damit er daraus lerne.“
Die Weisen brummten in ihre Bärte, steckten flüsternd die Köpfe zusammen und machten sich dann an die Arbeit. Nach einem Jahr voller Diskussionen und Entwürfe traten sie endlich vor den ungeduldigen König: „Euer Majestät, hier ist das gewünschte Buch.“
Der König nahm es, blätterte flüchtig darin und gab es dann seinem Sohn. Aber er war nicht ganz zufrieden, und er hatte wohl auch Spaß an dem Spiel bekommen. So gab er den Weisen einen neuen Auftrag: „Nun wünsche ich, daß ihr die Weisheit der ganzen Welt in einem Satz ausdrückt. Wohlgemerkt: in einem einzigen Satz. Macht euch an die Arbeit!“
Die Weisen schüttelten bedenklich die Köpfe, brummten und murrten - aber Befehl ist Befehl, bei Königen vor allem.
Diesmal brauchten sie nicht weniger als fünf Jahre, ehe sie sich vor den König zu treten wagten: „Euer Majestät, es war eine schwere, harte Arbeit; aber wir haben uns auf einen Satz geeinigt.“
„Nun, nun, kommt zur Sache! Wie lautet der Satz?“ drängte der König.
„Euer Majestät, der Satz lautet: Auch dies wird vorübergehen.“
„Ah, ja, das gibt mir zu denken“, erwiderte der König, „eine wahrhaft tiefe Weisheit. Aber nunmehr wünsche und befehle ich, daß ihr mir die Weisheit der Welt in einem einzigen Wort zusammenfaßt!“
Das Brummen der Weisen klang nun schon beinahe widersetzlich. Aber es half nichts, sie mußten sich an die Arbeit machen. Zehn Jahre dauerte es diesmal, bis sie - merklich gealtert und ergraut - neuerlich vor den König traten: „Wir haben, Euer Majestät, uns auf ein einziges Wort verständigt, das alles ausdrückt, was den Kern des menschlichen Wissens ausmacht.“
Der König vermochte sich kaum zu beherrschen: „Ja doch, ja, nun sagt es schon! Wie heißt dieses Wort?“
„Euer Majestät, dieses eine Wort lautet: vielleicht.“

(Der Folksänger Pete Seeger erzählt diese Geschichte auf seiner Platte „Waste Deep In The Big Muddy & Other Lovesongs“; woher er sie hat, ist mir unbekannt. Ich habe sie in Deutsch nacherzählt.)
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Γραικίσκος schrieb am 21.06.2011 um 18:37 Uhr (Zitieren)
Falls es einen Preis für den besten LP-Titel gibt, schlage ich diesen von Pete Seeger vor.
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Γραικίσκος schrieb am 21.06.2011 um 18:38 Uhr (Zitieren)
Um Himmelswillen! Er heißt "Waist Deep In The Big Muddy & Other Lovesongs"!
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
ανδρέας schrieb am 21.06.2011 um 19:16 Uhr (Zitieren)
Dann besteht die größte Weisheit darin, dass man sich nicht festlegt. Man vergleiche:

Οἶδα οὐκ εἰδώς. (Sokrates)

oder:

Ὁ ἄναξ, οὗ τὸ μαντεῖόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς, οὔτε λέγει οὔτε χρύπτει ἀλλὰ σημαίνει.“
(Heraklit über das Orakel von Delphi)

Also, nur andeuten, nichts als fest annehmen, Möglichkeiten offen halten … heute spricht man von „Optionen“.
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Πέγασος schrieb am 21.06.2011 um 20:33 Uhr (Zitieren)
@ ανδρέας:

Vielleicht ...

Manchmal bedeutet "Möglichkeiten offen halten", sich nicht zu entscheiden und am Ende den Zug zu verpassen. Manchmal muss man sich entscheiden.
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Γραικίσκος schrieb am 21.06.2011 um 20:40 Uhr (Zitieren)
Das war zwar nicht unmittelbar an mich gerichtet, aber ich gebe mal meinen Düsseldorfer Löwensenf dazu:
Das denke ich auch, ja. Wobei keine Entscheidung dann eben doch auch eine Entscheidung ist ... gegen die Option, den Zug zu besteigen.
Das "Vielleicht" der Parabel besagt wohl eher: Wir wissen, wenn wir entscheiden, nicht, welches die bessere Entscheidung ist; wir können es nur ahnen ... und uns irren. Das wissen wir dann nachher.

Schopenhauer hat einmal geschrieben: "Du willst wissen, was das Leben ist? Dreh' das Wort herum!"

Vielleicht noch besser der DDR-Autor Richard Leising: "Ich weiß keinen Weg / Und den gehe ich."
Diesen Satz liebe ich nun wirklich.
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
ανδρέας schrieb am 21.06.2011 um 20:50 Uhr (Zitieren)
@Πέγασος,

ja manchmal muss man sich entscheiden - eigentlich sogar immer. Aber der König, berufsmäßig ein Entscheider, wollte von seinen Weisen, dass sie ihm die Entscheidungen abnehmen! Er wollte von ihnen die Weisheitauf einem silbernen Tablett gereicht bekommen, um zu wissen, was er entscheiden soll. Zumindest deute ich es so. Die Weisen waren so weise, sich diese Verantwortung nicht aufdrängen zu lassen ...
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Πέγασος schrieb am 21.06.2011 um 20:51 Uhr (Zitieren)
Und manchmal ist auch der Weg das Ziel.

**

Leben -Nebel ... da ist Klasse!
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Πέγασος schrieb am 09.07.2011 um 16:59 Uhr (Zitieren)
An diese Parabel habe ich in letzter Zeit häufig gedacht.
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Γραικίσκος schrieb am 09.07.2011 um 17:06 Uhr (Zitieren)
Sie hilft in allem Leben-Nebel.
Vielleicht. [Augenzwinkern]
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
διψαλέος schrieb am 09.07.2011 um 17:38 Uhr (Zitieren)
heute spricht man von „Optionen“

nee,

unsere heutigen "Entscheider" sagen:
"alternativlos"...
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Γραικίσκος schrieb am 28.02.2012 um 20:56 Uhr (Zitieren)
Zur Eingangsparabel: Neuerdings warnt uns die Marlboro-Werbung: "Don't be a Maybe!"
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
Σαπφώ schrieb am 28.02.2012 um 21:24 Uhr (Zitieren)
Nicht schon wieder Tabak! -.-

Liberté toujours...
Re: Die Parabel von der größten Weisheit der Welt
διψαλέος schrieb am 28.02.2012 um 22:52 Uhr (Zitieren)
Marconi, einer der Pioniere des Radios und der drahtlosen Kommunikation,
auf die bewundernde Bemerkung und Frage eines seiner Gehilfen.
Gehilfe: "Meister, wunderbar, wie funktioniert das, das 'Radio'?"
Marconi: "Das wüsste ich auch gerne."
 
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