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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Provokation eines Tyrannen (2280 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 27.05.2009 um 21:22 Uhr (Zitieren)
An folgende Geschichte entsinne ich mich:
Ein griechischer Tyrann auf Sizilien hielt sich für einen großen Dichter und lud zur Bestätigung seines Ruhms den bekanntesten Dichter seines Reiches ein. Nachdem der Tyrann diesem seine Gedichte vorgetragen hatte, fragte er den Dichter nach seiner Meinung. "Schrecklich. So ziemlich das Schlimmste, was ich im Bereich der Dichtung jemals gehört habe!" - "Was! Du wagst es?! Ich werde dich lehren! Wache! Bringt den Mann zur Zwangsarbeit in die Steinbrüche!" -
Nach einem Jahr ließ der Tyrann den Dichter wieder aus den Steinbrüchen holen und trug ihm erneut seine Gedichte vor.
Noch während des Vortrags bemerkte der Herrscher, wie sich der Dichter entfernte.
"Wo willst du hin?"
"Zurück in die Steinbrüche."

So habe ich es in Erinnerung. Kennt jemand diese Geschichte und weiß, woher sie stammt? Ich weiß es nicht mehr ...
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 28.05.2009 um 10:26 Uhr (Zitieren)
Χαῖρε Γραικίσκε!
Es handelt sich um die Geschichte des Dithyrambendichter Philoxenos
Zitat:

Er hielt sich eine Zeit lang in Sizilien am Hof des älteren Dionysios auf, der ihn wegen seiner freimütigen Kritik an den vom Herrscher selbst verfassten Gedichten in die Steinbrüche steckte, wofür er sich durch witzige Verspottung des Tyrannen in seinem berühmtesten Dithyrambus: „Kyklops“, rächte.


ἔῤῥωσο
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2009 um 15:09 Uhr (Zitieren)
Dafür muß ich mich bedanken. Das fand ich wirklich schwer. Wie hast Du's herausgefunden? Man kann ja nicht bei google "Steinbrüche" eingeben.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2009 um 15:37 Uhr (Zitieren)
Ich habe auch noch keine Quelle für diese Geschichte gefunden. Erhalten sind von Philoxenos anscheinend nur Fragmente.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 28.05.2009 um 15:38 Uhr (Zitieren)
Die Erklärung ist einfach: Ich habe mich, aufgrund von Menander vor kurzem mit dem griechischen Theater beschäftigt und diesen Namen und die Geschichte mit dem Steinbruch war mir in Erinnerung. Da ich aber gerade in der Praxis war, habe ich "Philoxenos" in Google eingegeben und bin gleich auf die Geschichte gestoßen ;-)

Griechisches Theater....da mache ich gleich ein neues Thema auf....
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Bibulus schrieb am 28.05.2009 um 17:17 Uhr (Zitieren)
apropos "Philoxenos",
den Namen kann man doch mit "Gastfreund"
übersetzen?
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2009 um 17:22 Uhr (Zitieren)
Im Prinzip ja; jedoch hat ξένος mehrere Bedeutungen: Gast (s.u.), Fremder, Ausländer, Söldner.
Anscheinend heißt ξένος allein schon "Gastfreund" (so der Passow), so daß "Philoxenos" eine Verstärkung ist.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2009 um 17:25 Uhr (Zitieren)
Aber die Geschichte habe ich immer noch nicht gefunden, nur eine Kürzestversion
http://encyclopedia2.thefreedictionary.com/Philoxenos
ohne die Pointe.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Bibulus schrieb am 28.05.2009 um 20:56 Uhr (Zitieren)
Auch ich habe, trotz angestrengtesten Intensivgegoogle,
die komplette Anekdote nicht gefunden...

Ich kann mich auch nicht erinnern,
in welchem Buch ich sie gelesen habe...

"Alz, oh, Alz, kommst Du mich jetzt schon besuchen?"

(Ich weiß, darüber macht man keine Scherze,
aber ...)

Re: Die Provokation eines Tyrannen
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 29.05.2009 um 15:58 Uhr (Zitieren)
Ich wollte noch ergänzen, dass Cicero sogar Philoxenos in seinen Briefen an Atticus erwähnt:
...Reliquum iam est Spartan elaches, tautan kosmei non me hercule possum et Philoxeno ignosco qui reduci in carcerem maluit...
(wen der Zusammenhang interessiert: aus Cicero ad Atticum Buch 4, VI, [2])

Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2009 um 17:26 Uhr (Zitieren)
Ja, offenbar kennt Cicero diese Geschichte.

Der Kommentar in meiner Cicero-Ausgabe schreibt: "[i]Philoxenus(/i]: er war von Dionys I., dem Tyrannen von Syrakus, wegen unvorsichtiger politischer Äußerungen in die bekannten Steinbrüche geschickt worden; Dionys versprach ihm die Freiheit, wenn er ein günstiges Urteil über seine Dichtungen abgäbe."
Leider unterbleibt auch hier die Quellenangabe.

Im Augenblick vermute ich: Diodorus Siculus, weil dessen Geschichtswerk oft lokale Ereignisse berichtet.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2009 um 17:42 Uhr (Zitieren)
ENDLICH!

Diodorus Siculus XV, 6
Dort steht die Geschichte.
Auf die Frage des Dionysios nach der Qualität seiner Verse reagiert Philoxenos:
ἄλλο μὲν οὐδὲν εἶπε, τοὺς δ' ὑπηρέτας τοὖ Διονυσίου προσκαλεσάμενος ἐκέλευσεν αὑτὸν ἀπαγαγεἶν εἰς τὰς λατομίας.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2009 um 17:54 Uhr (Zitieren)
Danke vor allem an Βοηθός, der uns auf Philoxenos gebracht hat! Zusammen mit der Diodorus-Sizilien-Assoziation war es dann letztlich ganz einfach, da meine Diodorus-Ausgabe mit der segensreichen Zutat eines Registers versehen ist.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 30.05.2009 um 18:31 Uhr (Zitieren)
Bitte sehr, Γραικίσκε!
Das nennt sich Forumsteamwork!
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 30.05.2009 um 18:34 Uhr (Zitieren)
Ich dachte erst es wäre Philistos von Syrakus (* um 432 v. Chr.; † 356 v. Chr.) war ein antiker griechischer Politiker, Offizier und Geschichtsschreiber in Sizilien, der eine Art Biographie des Lebens von Dionysios I verfasst hat......aber die Werke sind nur in Fragmenten erhalten..
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 30.05.2009 um 18:38 Uhr (Zitieren)
Dazu gibt´s ein Buch:
Felix Jacoby: Die Fragmente der griechischen Historiker, Weidmann, Berlin 1923ff.
Habe ich aber leider nicht in meiner antiken Bibliothek...
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2009 um 18:43 Uhr (Zitieren)
Diodor ist eine sehr wichtige historische Quelle. U.a. berichtet er ausführlich über die sizilischen Sklavenaufstände, die dem des Spartacus vorausgingen.
Seit 2008 ist sogar die deutsche Übersetzung komplett erschienen. Das läßt sicherlich viele Studenten der Alten Geschichte erleichtert aufatmen.
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2009 um 22:36 Uhr (Zitieren)
Die Geschichte von Dionysios I. und Philoxenos geht noch mit einem zusätzlichen Witz weiter. Hier ist die komplette Episode:
Dionysius boasted far more of his poems than of his successes in war. Among the poets in his company was Philoxenus [of Cythera] the writer of dithyrambs, who enjoyed very high repute as a composer in his own line. After dinner, when the compositions of the tyrant, which were wretched, had been read, he was asked what was his judgement of the poetry. When he replied with a good deal of frankness, the tyrant, offended at his words, found fault with him that he had been moved by jealousy to use scurrilous language and commanded his servants to drag him off forthwith to the quarries. On the next day, however, when Philoxenus’ friends made petition for a grant of pardon, Dionysius made up with him and again included the same men in his company after dinner. As the drinking advanced, again Dionysius boasted of the poetry he had written, recited some lines which he considered to be happily composed, and then asked, “What do you think of the verses?” To this Philoxenus said not a word, but called Dionysius’ servants and ordered them to take him away to the quarries.
Now at the time Dionysius, smiling at the ready wit of the words, tolerated the freedom of speech, since the joke took the edge off the censure. But when some time later his acquaintances and Dionysius as well asked him to desist from his untimely frankness, Philoxenus made a paradoxical offer. He would, he said, in his answer both respect the truth and keep the favour of Dionysius. Nor did he fail to make his word good. For when the tyrant produced some lines that described harrowing events, and asked, “How do the verses strike you?”, he replied, “Pitiful!”, keeping his double promise by the ambiguity. For Dionysius took the word “pitiful” as signifying harrowing and deeply moving, which are successful effects of good poets, and therefore rated him as having approved them; the rest, however, who caught the real meaning, conceived that the word “pitiful” was only employed to suggest failure.

(XV 6)
Re: Die Provokation eines Tyrannen
Γραικίσκος schrieb am 31.05.2009 um 00:01 Uhr (Zitieren)
pitiful: οἰκτρά
 
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