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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Bodhidharma und der Kaiser (1165 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 27.05.2009 um 22:55 Uhr (Zitieren)
In der chinesischen Tradition gibt es eine Geschichte, welche eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Dialog zwischen Diogenes von Sinope und Alexander dem Großen zeigt:
BI-YÄN-LU

Meister Yüan-wus Niederschrift
von der Smaragdenen Felswand
(1111-1115)

Das Beispiel

Wir legen vor:

[Kaiser] Wu-Di von Liang fragte den Großmeister Bodhidharma: Welches ist der höchste Sinn der Heiligen Wahrheit?
Bodhidharma sagte: Offene Weite - keine Spur von heilig.
Der Kaiser fragte weiter: Wer ist das Uns gegenüber?
Bodhidharma erwiderte: Ich weiß es nicht.
Der Kaiser konnte sich nicht in ihn finden.
Bodhidharma setzte dann über den Strom und kam nach We.
Später wandte sich der Kaiser an den Edlen Bau-dschi und befragte ihn.
Der Edle Bau-dschi sagte: Aber Eure Majestät wissen doch wohl, wer das ist? Oder nicht?
Der Kaiser erwiderte: Ich weiß es nicht.
Da sagte der Edle Bau-dschi: Das ist der große Held Avaloki-teshvara, der das Siegel des Buddhageistes weitergibt.
Da reute es den Kaiser, und schließlich sandte er einen Boten ab, um Bodhidharma zurückzubitten.
Der Edle Bau-dschi aber riet: Sagen Eure Majestät es lieber niemand, daß Sie einen Boten schicken wollten, ihn zurückzuholen! Dem könnte das ganze Land nachlaufen: er kehrte doch nicht wieder um.

Erläuterung des Beispiels

Bei der ersten Begegnung Bodhidharmas mit Wu-Di fragte der Kaiser: Wir haben Klöster gebaut und Mönche bestätigt; was für ein Verdienst wird Uns dafür? Bodhidharma erwiderte: Kein Verdienst. Also gleich zu Beginn schüttet er dem Kaiser unversehens einen Guß Schmutzwasser über den Kopf. Wenn einer von euch diese Geschichte mit dem „kein Verdienst“ durchschauen sollte: dem werde ich eine ganz persönliche Begegnung mit Bodhidharma gestatten. Sagt mir einmal: Klöster bauen und Mönche bestätigen - wie soll das alles ohne Verdienst sein? Wo steckte denn da der Sinn?
Der Kaiser liebte es, mit dem Dharmameister Lou-yüä, dem Bodhisattva Fu und dem Kronprinzen Dschau-ming Erörterungen über den Unterschied der eigentlichen und der weltläufigen, nur für die Zeit geltenden Wahrheit anzustellen. Nach den Erklärungen der Lehrschriften ergibt sich aus der eigentlichen Wahrheit die Erkenntnis, daß man den Dingen kein Sein zuschreiben kann, aus der weltläufigen Wahrheit dagegen, daß man ebensowenig das Nichtsein der Dinge behaupten kann. Daß aber diese beiden, die eigentliche und die weltläufige Wahrheit, im letzten Grund nicht zwei, sondern ein und dieselbe Wahrheit sind, das ist der höchste, letzte Sinn der heiligen Wahrheit, ist für die Schriftgelehrten der Gipfel des Wunderbaren und das tiefste Geheimnis.
Diesen allerschwierigsten Punkt also griff der Kaiser heraus, um Bodhidharma zu fragen: Was ist es mit dem höchsten Sinn der heiligen Wahrheit? Und jener antwortet einfach: Offene Weite; keine Spur von heilig. Über solch ein Wort können auch die bedeutendsten Kuttenmönche der Welt nicht wegspringen. Bodhidharma haut ihnen mit einem einzigen Schwertstreich alles ab. Aber heutzutage verstehen ihn die Leute reichlich falsch, wenn sie nun hingehen, sich über dieses Wort den Kopf zerbrechen und dann mit großen Augen wiederholen: Offene Weite, keine Spur von heilig! Freut mich! Hat mit der Sache nichts zu tun.
Mein einstiger Meister Fa-yän, der auf dem Berg des Fünften Patriarchen lehrte, hat einmal gesagt: „Es braucht nur dieses eine Wort: Offene Weite, keine Spur von heilig. Wenn dies einer richtig durchschaut und begriffen hat, dann geht er still nach Hause und setzt sich ruhig hin. Wir haben nichts dagegen, wenn eine Art Leute sich mit Rankengewirr [mit wortreichen Diskussionen] befaßt, um jenem seinen Lackkübel zu zerschlagen; aber zwischen ihnen steht Bodhidharma in einzigartiger Größe.“
Darum sagen wir: Wer im übenden Umgang mit dem Meister auch nur eines seiner Worte begriffen und durchschaut hat, dem sind dessen tausend und zehntausend Worte alle mit einem Schlag durchsichtig klar. Ganz von selbst, nur in der Stille sitzend, durchschneidest du den Knoten, und wie du zugreifst, hältst du’s fest. [...]
Gleich zu Beginn also zieht Bodhidharma vom Leder und versetzt dem Kaiser einen Hieb. Er hat sich da etwas gelockert und reichlich viel durchsickern lassen. Der Kaiser aber kommt zu keiner Einsicht. Er bleibt im Gegenteil in seiner Ansicht von einem Ich [als persönlichem Hausherrn] des Menschen befangen und richtet darum an ihn eine zweite Frage: Wer ist das Uns hier gegenüber? Und Bodhidharma in seinem grenzenlosen Mitleid und Erbarmen antwortet abermals und sagt zu ihm: Ich weiß es nicht. Da hat er’s nun, der Kaiser. Bald blickt er starr, bald rollt er die Augen und weiß nicht, was er davon halten soll. Aber was ist das auch für ein Ausspruch! Was hierzu alles an Möglichem und Unmöglichem zu sagen wäre, das ist mir zu viel; es geht über meine Kraft.

(Quelle: Meister Yüan-wu’s Niederschrift von der Smaragdenen Felswand, verfaßt auf dem Djia-schan zwischen 1111 und 1115, im Druck erschienen in Sit-schuan um 1300, verdeutscht und erläutert von Wilhelm Gundert. Frankfurt/Main – Berlin – Wien 1983, S. 37-42)
Re: Bodhidharma und der Kaiser
Γραικίσκος schrieb am 28.05.2009 um 08:00 Uhr (Zitieren)
Während der Beschäftigung mit diesem Thema ist mir deutlicher & deutlicher geworden, daß - cum grano salis - die Zen-Buddhisten sozusagen die Kyniker des Buddhismus sind. So mancher Ausspruch des Diogenes, der jeder Prätention den Stecker aus der Dose zieht, hätte auch von einem der Zen-Patriarchen stammen können.

"Wenn du den Buddha triffst - töte den Buddha!"
 
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