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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Monojahwismus (1342 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 30.08.2011 um 13:48 Uhr (Zitieren)
Nun also die Erläuterungen zur religionsgeschichtlichen Deutung der Schöpfungsgeschichte:

Daß das Judentum ursprünglich keine monotheistische, sondern eine monolatristische bzw. monojahwistische Religion war, bildet die - in der Forschung inzwischen m.W. unbestrittene - Voraussetzung. Juden haben ihren Gott zunächst nicht für den einzig existierenden, sondern für den einzigen gehalten, den zu verehren ihnen als Volk erlaubt war. (Dies soll weder bedeuten, daß sie in der Praxis von vornherein eindeutig ein einheitliches Volk waren, noch daß sie es mit der Exklusivität der Verehrung immer ganz streng gehalten hätten.)

Wenn es mehrere Götter gibt, dann funktioniert die Idee, ein einziger Gott habe alles aus dem Nichts geschaffen, nicht so recht. Diese Idee muß daher später entstanden sein, als man sich schon zur Auffassung eines einzigen existierenden Gottes weiterentwickelt hatte.

Nun folgt eine Wiedergabe von Gedanken aus:
Kurt Schubert: Die Kultur der Juden im Altertum. Wiesbaden 1970, Lizenzausgabe 1980, S. 59 und 77.

Der erste Satz der Genesis "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde" stammt aus dem 6. oder 5. Jhdt. v. Chr., ist also relativ jung. Er deutet ältere mythologische Aussagen neu. Solche älteren mythologischen Aussagen finden sich z.B. in Ps 74, 13-17, in Hiob 26, 12 f., Ps 104 und Sprüche 8, 22-31.
Diese Aussagen laufen darauf hinaus, daß der "in Babylonien und Kanaan verbreitete Mythos von der Überwindung der Chaosgottheiten durch den Gott Marduk bzw. Baal auf Jahwe appliziert" wird.
Also: keine Schöpfung von allem aus dem Nichts, sondern eine Überwindung des Chaos durch eine neue kosmische Ordnung als Werk Jahwes.
Zur Zeit Davids wurde Jerusalem zur Hauptstadt der von ihm regierten Doppelmonarchie. In Jerusalem befand sich eine bekannte Kultsatätte des El eljon (= höchster El/Gott), des obersten Gottes des altkanaanäischen Pantheons; und diese El eljon galt als der Schöpfer von Himmel und Erde. (Hier stützt sich der Autor u.a. auf Gn 14, 18 f.). Im Zuge der Ausgestaltung Jerusalems als neuer Hauptstadt kam es nun zu einer von David beabsichtigten Verschmelzung von El-eljon-Kultformen mit dem alten jüdischen Gott Jahwe. So bereicherte El die Auffassung von Jahwe und machte diesen zum Schöpfer von Himmel und Erde.

Wenn ich es recht verstehe, galten von da an 'Jahwe' und 'El' als zwei Namen desselben Gottes.
Re: Monojahwismus
Γραικίσκος schrieb am 30.08.2011 um 15:36 Uhr (Zitieren)
Ja, der höchste El wurde mit Jahwe identifiziert: a.a.O., S. 79.
Re: Monojahwismus
ανδρέας schrieb am 30.08.2011 um 18:05 Uhr (Zitieren)

Die Genesis ist nicht aus einem Guss. Viele Einflüsse haben hineingewirkt. Logisch ist da vieles nicht. Wieso machte Gott z.B. Kain nach dem Brudermord ein Zeichen (Kainsmal), damit er nicht erschlagen werde? Wer hätte das denn tun sollen? Da war doch eigentlich keiner mehr. Und plötzlich tauchen Ehefrauen auf, für deren Herkunft keine Erklärung vorliegen. Man darf diese Texte nicht logisch, sondern nur religiös interpretieren, als Mythos, und im historischen Zusammenhang einer Entwicklung, die sich über lange Zeiträume vollzog, sehen.
Re: Monojahwismus
Γραικίσκος schrieb am 30.08.2011 um 18:27 Uhr (Zitieren)
Die gestern an mich gestellte Frage lautete doch: Was bedeutete der Schöpfungsglaube ursprünglich (und wie ist es zu der späteren Auffassung gekommen)?
Darauf habe ich versucht zu antworten.
Re: Monojahwismus
ανδρέας schrieb am 30.08.2011 um 18:49 Uhr (Zitieren)

Ja, Γραικίσκος, eine schöne Zusammenfassung.
Die Ausgangsfrage war doch, ob man die Aussagen wörtlich nehmen kann und welcher Zusammenhang berücksichtigt werden muss.
Erstaunlich finde ich die Auffassung, dass jeder "Haushaltsvorstand" die Bibel nach eigenem Gutdünken interpretiert, ohne Kenntnis der Hintergründe und professionelle Exegese. (wieder so ein schönes griechisches Wort).
So entstehen Sekten.
Re: Monojahwismus
Ὑληβάτης schrieb am 01.09.2011 um 12:37 Uhr (Zitieren)
daß der Schöpfungsbericht der Genesis kontextbezogen eben nicht das bedeute, was man ihm gemeinhin unterstellt.

Man unterstellt dem Schöpfungsbericht, er bedeute
Schöpfung von allem aus dem Nichts
,
er bedeutet stattdessen
eine Überwindung des Chaos durch eine neue kosmische Ordnung als Werk Jahwes.
Richtig?

Ich erinnere mich, dass ich mal einen Kommentar zum hebräischen Verb "barah" gelesen habe, das im ersten Schöpfungsbericht fleißig mit "erschaffen" übersetzt wird. Ganz überzeugt, dass es eine andere Bedeutung hatte, war ich nicht - auch wenn ich nicht mehr weiß, welche Bedeutung das war; vielleicht finde ichs ja raus.
Kann man denn bei der "alten" Lesart von "barah" als "erschaffen" von einer anderen Bedeutung der Stelle ausgehen? Die Darlegung der monojahwistischen Entwicklung klingt einleuchtend - aber schlägt sich das denn im Text nieder? "schuf; entstand; soll ... entstehen/hervorsprießen/erscheinen/wimmeln" sind gängige Verben; es scheint also so zu sein, dass hier tatsächlich eine Schöpfung von vorher nicht Vorhandenem berichtet wird.
Was habe ich übersehen?
Re: Monojahwismus
Ὑληβάτης schrieb am 01.09.2011 um 12:49 Uhr (Zitieren)
Oh, jetzt sehe ich:
Genesis 1 ist das neue, jüngere Verständnis, und zwar nur das. Die anderen Textstellen sind angeblich das alte Verständnis. Oder?
Re: Monojahwismus
Ὑληβάτης schrieb am 01.09.2011 um 13:30 Uhr (Zitieren)
Re: Monojahwismus
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 14:14 Uhr (Zitieren)
Genesis 1 ist das neue, jüngere Verständnis, und zwar nur das. Die anderen Textstellen sind angeblich das alte Verständnis. Oder?

Ja.
Re: Monojahwismus
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 01.09.2011 um 15:16 Uhr (Zitieren)
πρός Ὑληβάτην:

Sehr interessante Diskusssion; aber was ich mich bei solchen Sachen immer frage: wieso arbeitet so jemand so unphilologisch, sprich: sieht nur die eine Stelle, und läßt einen Haufen Belegstellen außer acht, die die Argumentation in sich zusammenfallen lassen? Das kann ich mir eigentlich nur mit vorgefaßter Meinung erklären. Und dann wird gleich von anderer Warte aus die Revolution (des Faches oder gar eines Weltbildes) ausgerufen ...
Re: Monojahwismus
Ὑληβάτης schrieb am 01.09.2011 um 15:49 Uhr (Zitieren)
@στρουθίον οἰκιακόν:
Wer? Ich?

@Γραικίσκος:
Aha. Danke. Wollen wirs erstmal dabei belassen? Ich möchte ja nicht - eigentlich doch - die ganze Monolatrismus-Debatte nachvollziehen.
Re: Monojahwismus
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 15:58 Uhr (Zitieren)
O.k.
Das mit dem Buch Genesis habe ich mir irgendwann einmal gemerkt: Es besteht aus verschiedenen, teils älteren Teilen und ist in der vorliegenden Form der jüngste Teil des Tanach. Das war für mich in meiner damaligen Naivität überraschend, weil es schließlich am Anfang steht.
Nun, dort steht es wegen der darin geschilderten Ereignisse.
Gut zu unterscheiden sind übrigens zwei Schöpfungsberichte: Im einen wird erst der Mann, dann die Frau geschaffen, im anderen werden sie zugleich erschaffen.
Das hat im Talmud später ein Rabbiner so rationalisiert, daß der Mensch erst zweigeschlechtlich geschaffen (1. Schöpfungsbericht) und später geteilt (2. Schöpfungsbericht) worden sei; so schienen die beiden Berichte zusammenzupassen. Da ließ wohl Aristophanes-Platon-Symposion grüßen.
 
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