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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Dann wäre das Nette Kunst? (615 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 31.08.2011 um 15:06 Uhr (Zitieren)
Ὦ γενναῖε, τὸ καλόν ἐστι τὸ δι' ἀκοῆς τε καὶ ὄψεως ἡδύ.

So Sokrates - ironisch - zu Hippias (Platon: Hippias I 298 a).
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 31.08.2011 um 19:41 Uhr (Zitieren)
~
Etwas ist von schöner Art, wenn es akustisch und optisch angenehm ist ...

Das liegt aber doch im Auge und Ohr des Betrachters bzw. Hörers und eignet sich kaum als Definition, oder? (12 Ton Musik finde ich nicht schön, aber manche schon)
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 31.08.2011 um 19:42 Uhr (Zitieren)
Wenn dies (Hippias stimmt eifrig zu, aber Sokrates zerpflückt ihn anschließend) wahr wäre, dann wäre sogar Pornographie schön, gelt?
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 31.08.2011 um 19:48 Uhr (Zitieren)
Zu einer subjektiven Interpretation des Schönen paßt diese Definition vorzüglich - da eben jedem etwas anderes angenehm ist.
Platon vertritt aber - im "Hippias" noch weniger als im "Philebos" - ein objektives Kriterium für Schönheit, welches freilich von dem, was Person X.Y. für schön hält, so weit entfernt ist wie ein wissenschaftliches Wahrheitskriterium von dem, was X.Y. für wahr hält.

Wer das, was jemand für schön hält, eo ipso mit dem gleichsetzt, was schön ist, der ignoriert die Möglichkeit eines schlechten Geschmacks (vulgo Banause).
Wer (ohne weitere Begründung) sagt, Geschmack sei subjektiv: desgleichen.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 31.08.2011 um 19:53 Uhr (Zitieren)
So wenig wie jede Aussage über Sachverhalte wahr ist, so wenig ist jede Aussage über Schönheit wahr.
Daß Geschmack völlig subjektiv sei, weil verschiedene Personen über Geschmack verschieden urteilen, ist ein modernes Vorurteil, auf das bei Wahrheitsaussagen (weil verschiedene Personen Verschiedenes für wahr halten) niemand so ohne weiteres käme.

Wenn jemand die Erde für eine Scheibe hält, dann irrt er.
Wenn jemand einen röhrenden Hirschen über dem Sofa schön findet, dann hat er einen schlechten Geschmack.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 31.08.2011 um 19:54 Uhr (Zitieren)
Daß es auch für Schönheit objektive Kriterien gebe, ist Platons starke These.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 31.08.2011 um 19:59 Uhr (Zitieren)

Es gibt heute wissenschaftliche Untersuchungen, welche Schönheit als Abweichung begreifen (sexuelle Evolution, Varianz, Darwin) ...

...die Evolution als Suche des weiblichen Auges nach der Abweichung zu begreifen.


http://www.sueddeutsche.de/kultur/der-ursprung-der-schoenheit-schoen-genug-um-wahr-zu-sein-1.1091868-3

Das schließt eine Festlegung aus.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 31.08.2011 um 20:02 Uhr (Zitieren)

Ob man einen röhrenden Hirschen über dem Sofa für schlechten Geschmack hält (ich teile diese Ansicht) hängt davon ab, ob man ein Mensch ist oder eine Hirschkuh.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 31.08.2011 um 20:18 Uhr (Zitieren)

Das Schönheitsideal westlicher Kulturen wird in Afrika nicht geteilt. Dürre Models und Hungerhaken sind dort nicht vermittelbar:

http://www.n-tv.de/panorama/Ein-kurviger-Hintern-muss-es-sein-article910644.html
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 19:01 Uhr (Zitieren)
1.
A: "Die Erde ist eine Kugel (ist ein Rotationsellipsoid)."
B: "Ich halte sie aber für eine Scheibe."

Ist Bs Aussage ein gültiger Einwand?

2.
Platon: "Objektive Kriterien für Schönheit sind Proportionalität und Symmetrie."
Afrikaner o.ä.: "Ich halte aber Asymmetrisches für schön."

Ist die Aussage des Afrikaners o.ä. ein gültiger Einwand?

Beachte: In (1) hat B den Augenschein für sich. Dennoch irrt B.
Kann es nicht auch sein, daß sich der Afrikaner o.ä. irrt bzw. daß er einfach einen schlechten Geschmack hat?
Diese Frage ist doch nicht einfach dadurch zu beantworten, daß manche Menschen bzw. Kulturen anders urteilen. Die ganze mittelalterliche Kultur hielt die Erde für eine Scheibe!

Notabene: Platon setzt nicht irgendwas (Schlankheit oder Fülligkeit) als Kriterium für Schönheit an, sondern (s.o.) Proportionalität und Symmetrie.
Es wäre auch noch zu fragen, ob wirklich jemand oder gar ganze Kulturen Disproportionalität (einen ein Meter langen Kopf und 50 cm lange Beine) oder Asymmetrie (ein einziges Auge auf der linken Seite) schön finden. Dies könnte sogar durch ein biologisches Programm so konditioniert sein.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 01.09.2011 um 19:13 Uhr (Zitieren)

Der Vergleich Schönheit - Kugelgestalt der Erde ist m. E. unglücklich gewählt. Die Kugelgestalt (bzw. Rotationsellipsoid) ist wissenschaftlich geklärt und eindeutig. Die Aussage ist wahr oder falsch. Im Mittelalter wusste man es nicht. Schönheit dagegen ist eine Frage der mehrheitlichen Vorlieben und nicht des objektiven Wissens, die variieren können. Hätten Afrikaner die Vormachtstellung auf dem Geschmachssektor, sähe auch die Mode für Frauen anders aus. Abstrakte Kunst ist oft symmetrisch und nimmt keine Rücksicht auf Proportionen. Dennoch mögen viele Leute abstrakte Bilder.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 01.09.2011 um 19:14 Uhr (Zitieren)

Abstrakte Kunst ist oft Asymmetrisch ...
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 19:29 Uhr (Zitieren)
1.
Schönheit dagegen ist eine Frage der mehrheitlichen Vorlieben und nicht des objektiven Wissens, die variieren können.

Das genau ist doch eine unbewiesene Voraussetzung, die in keiner Weise auf Platons Argumente - nachzulesen im "Philebos" - eingeht!
Diese Voraussetzung mag ja richtig sein, aber sie muß nicht richtig sein - hier steht sie in Frage!

2.
Abstrakte Kunst ist oft Asymmetrisch ...

Das ist natürlich zutreffend. Aber Kunst geht nicht in der Darstellung von Schönheit auf. Moderner Kunst geht es oft dezidiert um die Darstellung von Häßlichem (George Grosz z.B.). Hier ist nicht von Kunst, sondern von Schönheit die Rede. (Nebenbei: Es gibt auch Naturschönes - schon von daher sind die beiden Begriffe nicht deckungsgleich.)
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 19:32 Uhr (Zitieren)
Noch einmal: Es geht Platon nicht darum, was Menschen schön finden. τοῖς πολλοῖς πολλὰ δοκεῖ.
Es geht ihm darum, was schön ist.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 19:44 Uhr (Zitieren)
Die Frage einer möglichen Unterscheidung von dem, was Menschen meinen, und dem, was der Fall ist, zieht sich durch die ganze philosophische Diskussion des Wahren, des Schönen und des Guten. (Sie gilt also auch für die Ethik, wo ja ebenfalls viele Menschen meinen, das sei gut, was sie für gut halten.)

Daß es objektive Maßstäbe für Schönheit und Güte gebe, wird in der philosophischen Tradition mindestens bis Kant, Hegel und Schopenhauer, im Grunde sogar noch bei Nietzsche vertreten.
In der Ethik kommt dieser Standpunkt auch heute noch vor, während er in der Ästhetik tatsächlich nur noch sehr selten behauptet wird. Muß er darum falsch sein?
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 19:46 Uhr (Zitieren)
Am Rande:
Wie soll ein Lehrer im Kunstunterricht Noten geben, falls es keine intersubjektiven oder objektiven Kriterien dafür gibt? Sind Kunstnoten Lehrerwillkür?
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 01.09.2011 um 19:53 Uhr (Zitieren)

Nein. Muss nicht. Hilft aber nicht weiter. Kant bezeichnet Schönheit als "interesseloses Wohlgefallen". Nunja. Das hört sich nur objektiv an.
Form müsste mathematisch berechenbar schön sein. Aber wie kommt man auf die Formel? Man müsste Beobachter befragen und dann einen Mittelwert errechnen.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 01.09.2011 um 19:56 Uhr (Zitieren)

Wenn der Lehrer Vorgaben macht, welche Elemente und Kriterien berücksichtigt werden sollen, kann er sie auch bewerten. Er muss den Stil vorgeben u.ä. .
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 20:00 Uhr (Zitieren)
Es kommt im Grunde bei Platon, Kant &c. auf die Argumentation an. Die ist im "Philebos" ausgesprochen pfiffig. Es geht um das Gute als das, was glücklich macht. Sokrates-Platon verwirft (begründet) verschiedene Ansichten, gelangt zu einer richtigen ... und stellt überrascht fest, daß er ein gemeinsames Kriterium zugleich für das Gute, Schöne und Wahre gefunden hat. Dies nennt er das rechte Maß".
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 20:00 Uhr (Zitieren)
"das rechte Maß"
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
ανδρέας schrieb am 01.09.2011 um 21:35 Uhr (Zitieren)

M.E. hat es auch mit Gruppenzwang zu tun, der im Laufe des Lebens erlernt wird. Das "rechte Maß" ergibt sich dabei aus dem, was wir aus dem Urteil anderer lernen. Im Kern wird "Geschmack" - unbewusst - gelernt, denke ich.
Re: Dann wäre das Nette Kunst?
Γραικίσκος schrieb am 01.09.2011 um 21:58 Uhr (Zitieren)
An dieser Stelle müßten wir uns wohl mit Platons Dialog en detail auseinandersetzen.
 
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