Γραικίσκος schrieb am 04.09.2011 um 13:17 Uhr (Zitieren)
(Julian Apostata: Gegen die Galiläer; Quelle: K. J. Neumann (Hrsg.), Kaiser Julians Bücher gegen die Christen. 1880; zitiert nach: Karlheinz Deschner (Hrsg.), Das Christentum im Urteil seiner Gegner. Ismaning bei München 1986, S. 44 f.]
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 05.09.2011 um 09:44 Uhr (Zitieren)
Auch hier eine 'unmögliche' Zitierweise; aber ich weiß nicht, ob dieser Klassiker antichristlicher Literatur noch einmal aufgelegt worden ist.
Julian-Biographien gibt es reichlich, auch auf Deutsch.
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 05.09.2011 um 11:31 Uhr (Zitieren)
Neulich habe ich mir darüber Gedanken gemacht, ob und wie man mit/über ein ziemlich geschlossenes System diskutiert. Bei meinen Gedanken ging es um Extremisten verschiedener Religionen, besonders Salafiten und Evangelikale. Meine Frage dabei war: Kann man mit "solchen Leuten" über ihre Religion diskutieren?
Julian nun will beweisen, dass das Christentum (mein Wort) nicht von Gott ist, sondern mit böser Absicht von Menschen erfunden wurde. Als Beweis dafür dient ihm etwas, was zwischen Außen und Innen nicht richtig unterscheidet:
Entweder lästert die Lehre Gott, weil sie ihn als eifersüchtig und bösartig (missgünstig) darstellt - immerhin will er den Menschen dumm haben.
Oder es handelt sich um Mythen, die ja gar nicht wahr sind.
Sehe ich recht, dass Julian damit die inneren Widersprüche aufdeckt und als Argument nutzt? Allerdings ohne sich innerhalb des Systems zu befinden? Denn immerhin haben Christen kein Problem damit, dass Gott im beschriebenen Beispiel so handelt, wie er handelt - für sie besteht hier also kein Widerspruch.
Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob sich meine Gedanken nicht verheddert haben.
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 05.09.2011 um 11:46 Uhr (Zitieren)
Julian kritisiert, wie viele, von außen die inneren Widersprüche eines Systems (oder was er dafür hält). Damit kann man Menschen innerhalb des Systems kaum überzeugen - dafür sorgen schon die diversen Techniken zur Kritikimmunisierung.
Wie man diese[/i ] eventuell überwinden kann, habe ich in meinem Buch "Logisches Argumentieren" untersucht.
Mein Ansatz: Die Schwäche dieser Immunisierungsargumente liegt in ihrer Stärke, daß sie nämlich für [i]jede beliebige Überzeugung einsetzbar sind. Das kann nicht im Sinne desjenigen sein, der sie verwendet, da er ja nur seinen Glauben verteidigen will.
Der Schritt von außen in das System hinein besteht dann darin: "Was du sagst, das sagt doch jeder andere für seinen Glauben ebenso! Worin liegt der Vorzug Deines Glaubens?"
Wir kehren sozusagen die Situation um: Er soll mich draußen von seinem Drinnen überzeugen. Kann er das nicht, ist das eine argumentative Schwäche seines Glaubens. Möglicherweise pfeift er daraus - das ist seine Sache. Bei missionarischen Religionen funktioniert es aber ganz gut.
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 05.09.2011 um 11:48 Uhr (Zitieren)
Na, das mit dem Kursivdruck ist mir nicht ganz gelungen.
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 05.09.2011 um 12:04 Uhr (Zitieren)
Meinst Du, dass das bei missionarischen Religionen funktioniert? Die Antwort, die mir vorschwebt, könnte sehr kurz sein, besonders, wenn man nach dem "Vorzug" fragt. Geht es den Religionen nicht ehr um "Wahrhaftigkeit"? Müssen denn Offenbarungsreligionen nicht wegen des Anspruchs auf Offenbarung, d.h. Wahrhaftigkeit auf die Frage nach dem Vorzug verständnislos reagieren? Der Salafit ist dem Evangelikalen ein Bruder im Geiste, weil beide als abschließende und allein gültige Antwort haben: "Das ist Gottes Offenbarung. Und die ist so, und nur so, richtig." Es könnte nach einem "Darauf-Pfeifen" aussehen, ist doch aber logische Konsequenz.
Habe ich etwas falsch verstanden?
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 05.09.2011 um 12:37 Uhr (Zitieren)
Wenn mich jemand missionieren will, muß er mir einen Vorzug seiner Ansicht gegenüber anderen Ansichten plausibel machen. Das ist sein Problem.
Da kommen dann oft Wunder ins Gespräch, z.B. (so von Hodschas gehört, die mich missionieren wollten), daß das Kamel zusammengebrochen sei, auf dem Mohammed ritt, als ihm der Erzengel Gabriel das Wort Gottes aushändigte.
Wunder aber beansprucht jede Religion für sich. Warum sollen die islamischen Wunder glaubwürdiger & beweiskräftiger sein als andere? Ich nannte einige Beispiele. Und schon steckten die Hodschas in einer Argumentationskrise.
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 05.09.2011 um 12:40 Uhr (Zitieren)
"Nichts ist so sehr zum Scheitern verurteilt wie Erfolg", sagt ein chinesisches Sprichwort. Daß manche Argumente so 'wunderbar' zu wirken scheinen, macht sie so attraktiv auch für andere, und das wiederum macht sie unglaubwürdig für den speziellen Anspruch eines speziellen Glaubens.
der Erfolg zieht Nachahmer auf sich ... und damit Rivalen. Und so scheitert der Erfolg.
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 06.09.2011 um 11:15 Uhr (Zitieren)
Aha. Wunder sind Vorzüge? Ich wurde bisher immer dem Missionsversuch unterzogen, indem man mir sagt, ich käme nicht in die Hölle. Vorzug der Religion: Sie sei wahr und der einzige Weg in den Himmel. Eine Argumentationskrise habe ich noch nicht entdecken können. Vielleicht kennen wir andere Leute.
Re: Julian gegen die Christen
ανδρέας schrieb am 06.09.2011 um 16:09 Uhr (Zitieren)
M.E. hat Missionsarbeit praktisch nichts mit logischer Argumentation zu tun, denn es wird ausschließlich das Gefühl angesprochen. Der Denkansatz der Missionsarbeit ist auf das Gemeinschaftsgefühl, Heilserwartungen, positive Wunscherfüllung, Schutz vor Naturgewalten, Verbundenheit mit Verstorbenen, Machtvorstellungen usw. gerichtet. Mit der Fällung der Donar-Eiche überzeugte Bonifatius die Friesen ja auch nicht logisch. Die angenommene Machtlosigkeit der alten Götter beweist ja nicht logisch, dass der neue Gott machtvoller ist oder überhaupt existiert. Das ist Scheinlogik. Es werden bei der Mission Bedürfnisse bedient, die die Menschen tief emotional berühren. Im Grunde bedient sich die moderne Werbung genau dieser Mechanismen. Daher kann man GEGEN Religion auch nicht wirklich argumentieren: es verpufft an der inneren Weigerung, seine Wünsche los zu lassen.
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 06.09.2011 um 16:58 Uhr (Zitieren)
Das war die gestellte Frage, auf die ich geantwortet habe, man solle die Leute in die Situation bringen, uns von ihrer Religion zu überzeugen. Dazu werden sie dann - gemäß meinem Geschmack - wohl oder übel Argumente beibringen müssen. Auf die werde ich dann antworten, wie ich es beschrieben habe: Was macht Deine Argumente besser als die genau gleichen Argumente anderer Religionen?
Wie sie andere Leute missionieren - ob mit dem Fällen von Eichen oder dem Vermitteln von Wohlgefühl -, ist mir in diesem Zusammenhang schnurz.
Davon unabhängig mag meine Gesprächsstrategie erfolgreich sein oder nicht; das kommt darauf an.
Auf
würde ich dann klarerweise antworten: Das behaupten die anderen Religionen ebenso. Warum sollte ich gerade dir das glauben?
Damit habe ich jedenfalls gute Erfahrungen gemacht. Die 'Missionare' haben ihr Scheitern dadurch zu erkennen gegeben, daß sie ihre Versuche bei mir eingestellt haben.
Bekehrt habe ich dadurch unmittelbar niemanden. Aber Denkprozesse laufen manchmal langsam ab.
Re: Julian gegen die Christen
ανδρέας schrieb am 06.09.2011 um 19:26 Uhr (Zitieren)
@Γραικίσκος ,
ich würde ergänzen: streiche "manchmal", setze "immer". Eingefahrene Denkmuster gibt der Mensch m.E.n. nur ungern auf. Meist orientieren sich die Leute an den anderen und nicht an der Logik. Das gilt auch für Religion und Missionierbarkeit. Der Mensch bleibt ein Herdentier und verlässt sich auf die Meinung der Mehrheit. Stichwort Demokratie: man darf keine Prognosen am Wahltag veröffentlichen, weil dies das Wahlergebnis verfälschen könnte. Warum? Weil viele Leute den vermeintlichen Gewinner der Wahl wählen würden, damit sie sich selbst nicht als Verlierer fühlen müssen. Logisch gesehen ist es völlig absurd, anders zu wählen als man möchte. Aber Herdentiere wollen dazu gehören. Da zählt der Verstand wenig. Die Idee der individuellen Freiheit ist da noch recht jung. Und manche sind nur deshalb gegen Religionen, weil es im Trend liegt - und man möchte ja nicht negativ auffallen. Da fällt man lieber nicht auf, indem man mit originellen kritischen Reden auffällt - bei vollem Lohnausgleich und Rentenversicherungsanspruch. Die meisten Leute riskieren für ihre Meinung überhaupt nichts! In unserer Zivilisation (die ich gut finde, selbstverständlich) würden m.E. 90 % der Kritiker sofort den Schwanz einziehen und schnellstmöglich die Hypothek retten, wenn sie ihre Meinung was kostet. Nunja.
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 07.09.2011 um 12:10 Uhr (Zitieren)
Du warst also der eigentliche Missionar! ;-)
Meinst Du, die "Missionare" haben ihr Scheitern als Scheitern erkannt. Ich nehme an, nicht.
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 07.09.2011 um 12:50 Uhr (Zitieren)
Nicht ich bin auf sie zugegangen - sie kamen auf mich zu ... wie Jehovas Zeugen, die an der Tür läuten.
Meine Gesprächstaktik war dann allerdings eher offensiv, d.h. ich habe gezielt Fragen gestellt und infragegestellt.
Indem sie ihre Bemühungen um mich eingestellt haben, haben sie ihr Scheitern als Missionare in meinem Fall erkannt.
Etwas ganz anderes und viel Interessanteres ist die Frage, ob sie das Scheitern ihres Glauben eingesehen haben.
Meine Vorstellung von Vernunft ist die, daß sie wie ein Samenkorn wirken kann. Vieles fällt auf unfruchtbaren Boden, aber manches ...
Und Kants Ausspruch aus den "Prolegomena" gibt mir ebenfalls Zuversicht: "Wer einmal Kritik gekostet hat, den ekelt auf immer alles dogmatische Gewäsch."
Wenn dieses Samenkorn einmal Wurzeln geschlagen hat ...
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 07.09.2011 um 13:08 Uhr (Zitieren)
Wie ists wieder in der Schule?
Aber aber, der Glaube scheitert doch nicht an einem Verstockten!
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 07.09.2011 um 13:36 Uhr (Zitieren)
Er scheitert nicht an einem Verstockten, aber er kann durch ein gutes Argument erschüttert werden.
Es steht nicht so, daß ich das noch nicht erlebt hätte.
Übrigens habe ich auch meine eigene Weltanschauung schon mehrmals (unter dem Eindruck von Argumenten) geändert. Ganz früher war ich sogar ein gläubiger Christ.
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 07.09.2011 um 14:13 Uhr (Zitieren)
Soso.
Aber das ist wohl der Gesprächsstoff einer anderen Zeit.
Re: Julian gegen die Christen
ανδρέας schrieb am 07.09.2011 um 18:02 Uhr (Zitieren)
Ich hatte eine Mitarbeiter, der Z.J`s war/ist. (längst in Rente). Ein stiller, sehr zuverlässiger Mann, der beliebt war und keinerlei Missionsanstrengungen im Kollegenkreis unternahm. Viele wussten gar nicht, dass er Z.J`s. ist. In ihrem Glauben sind die Z.J`s kaum zu erschüttern, am wenigsten durch Argumente. Andere Glaubensbrüder lernte ich an der Haustür kennen. Also log ich ihnen einfach vor, ich sei Bluter und könnte mich auf das Verbot der Transfusion nicht einlassen. Andere fragte ich gleich, ob sie sich schon mein Haus aussuchen wollten, wenn der Weltuntergang erfolgt sei (es bleiben nur 30000 übrig, das reicht nur für die gläubigsten Zeugen). Dann waren sie schnell wieder weg. Meine Mutter vertrieb sie mit dem Satz: " Immer kommen Sie zur Mittagszeit. Sie meinen doch nicht, dass ich zwischen Suppe und Kartoffeln den Glauben ändere." Möge sich jeder nach seiner eigenen Facon die Welt erklären. Beim Glauben hört der Versuch einer Logik auf. Viele Religionen sagen, dass man in die Hölle kommt, wenn man einer anderen Religion angehört Da es auf der Welt mehr als eine Religion mit dieser Überzeugung gibt, und da niemand mehr als einer Religion angehört, werden wohl fast alle Seelen in der Hölle enden. Diese Seelenheillotterie ist wirklich ärgerlich. Aber nur, wenn man logisch denkt, was, wie mir scheint, unglücklich machen kann.
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 07.09.2011 um 18:32 Uhr (Zitieren)
:-D
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 07.09.2011 um 19:28 Uhr (Zitieren)
ανδρέας schrieb am 07.09.2011 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Ja, Γραικίσκος, das ist klar.
Übrigens:Die Vermeidung von Kirchensteuer ist doch eigentlich die Konsequenz der Glaubensaufgabe, nicht die Ursache, denke ich.
Ist Atheismus nicht ebenso spekulativ wie Theismus?
Re: Julian gegen die Christen
Γραικίσκος schrieb am 07.09.2011 um 19:46 Uhr (Zitieren)
Nun, manche Menschen, die ich kenne, sind aus der Kirche ausgetreten, weil sie die Kirchensteuer nicht mehr zahlen mochten oder den Papst indiskutabel fanden.
Für mich spielte dies keine Rolle. Ich bin aus der Kirche ausgetreten, weil bestimmte Argumente mich vom Glauben an Gott abgebracht haben.
Wer behauptet, Unglauben sei ebenso spekulativ wie Glauben, der kennt bestimmte Argumente nicht.
Oder, sollte er das Gegenteil meinen, so müßte er mir zeigen, was an Stanislaw Lems "Non serviam" oder Rudolf Carnaps "Überwindung der Metaphysik durch logische [sic!] Analyse der Sprache" spekulativ ist.
Wenn ich jemals einer logischen Argumentation begegnet bin, dann dort.
Notabene: Carnaps Argumentation läuft darauf hinaus, daß "Gott existiert nicht" eine ebenso sinnlose Aussage ist wie "Gott existiert", weil alle Aussagen über Gott sinnlos sind. Was Carnap wiederum begründet.
Daß manche Menschen - sofern sie sie kennen!- die Logik dieser Argumentation bestreiten, macht sie deshalb nicht gleich spekulativ, oder?
Die Gläubigen, von denen ich weiß (Jehovas Zeugen & Hodschas insbesondere), kennen diese Argumentationen nicht einmal.
Re: Julian gegen die Christen
ανδρέας schrieb am 07.09.2011 um 19:51 Uhr (Zitieren)
Diese Argumente würde mich interessieren. M.E. halten sich Beweis und Widerlegung einer göttlichen Existenz die Waage. Man weiß es nicht. Im Grunde geht es um die Frage der Beweislast: "Beweise es!" gegen"widerlege es". Damit ist aber auch nichts gewonnen. Man bleibt im Ungewissen. Nur streitet man sich darüber, wer daran Schuld ist. Nunja.
Re: Julian gegen die Christen
Ὑληβάτης schrieb am 09.09.2011 um 14:51 Uhr (Zitieren)
Durch Zufall ist mir ein Buch von R.A.Torrey in die Hände gefallen, in dem bestimmte "Schwierigkeiten", die man wohl seinerzeit mit der Bibel hatte, wegerklärt werden. Ein unterhaltsames Buch.