Das interpretieren die Religionen ja unterschiedlich. Vedische Religionen unterscheiden zwischen menschlicher und tierischer Seele nicht. Manche Tieranhänger in unseren Breiten auch nicht ("Tierhimmel"). Es gibt eigene Tierfriedhöfe. Empirisch ist die Seele nicht nachweisbar, denke ich. Aber als Konstrukt ist sie hilfreich, denke ich. Die Anerkennung der Seele zwingt den Menschen, von sich auf andere zu schließen und im Kern die Menschlichkeit und den Wert des Gegenüber zu sehen. Wenn es keine Seele geben sollte, wäre es sicher nicht ratsam, diese Erkenntnis zu verbreiten. Dann ist jeder nur noch das, was andere materiell nach Nützlichkeitsaspekten in ihm sehen. Der Gedanke ist schon verbreitet genug.

Die Seele als Konstrukt. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.

Vorschlag:
Ein Stein oder ein Kupferkabel sind einfach da. Sie wissen aber nicht, daß sie da sind, und sie haben auch kein Gefühl dafür. Sie spüren nichts.
Dieses Gefühl oder Bewußtsein, da zu sein: Seele.
Müde sein, traurig sein, fröhlich sein, neugierig sein, hungrig sein, satt sein ... alles seelische Zustände.

Wenn eine Billardkugel eine andere wegstößt, dann fühlt und denkt sie nicht darüber. Wenn mich jemand anstößt, ärgert mich das, und ich denke: "Kannst du nicht aufpassen, du Schlumpf?"

Ich bin jedoch nicht sicher, ob das viel zu tun hat mit dem, was antike Autoren meinten. Sie waren vermutlich beeindruckt davon, daß manche Wesen sich von alleine bewegten, und führten das auf etwas in ihnen, eine Seele, zurück.

Es kann natürlich nur um belebte Wesen gehen: Wachstum, Stoffwechsel, Empfangen und Reaktion auf Reize, Fortpflanzung ... danach sind Viren keine Lebewesen (nur eine schlechte "Nachricht").
Ob Algen, Pilze und Filzläuse eine Seele haben, dürfte vermutlich allgemein bestritten werden, aber höheren Lebewesen fühlt sich der Mensch verbunden. Wer seinen Hund/seine Katze vermenschlicht, wird ihm eine Seele zuerkennen.

Jetzt verstehe ich den Hinweis aus dem anderen Beitrag! Hier geht's um ψυχή!

Ich denke, dass die zweite Frage die wichtigste ist, nicht wahr? Was versteht man eigentlich unter "Seele". Erst danach kann man überhaupt fragen, wer eine hat.
Andersrum geht die Frage natürlich auch: Wer hat eine "Seele" - und was ist das dann? Und ich glaube, Γραικίσκος, das zeigt Dein Beispiel vom Kupferkabel. Empfehlen würde ich dieses Vorgehen nicht.

ψυχή wird ja wohl erstmal vom "Lebenshauch", vom Atem gesagt, der ja ein augenscheinliches Merkmal von Leben ist - wenn man von Tieren ausgeht. Und ja, Pape sagt hier (s.v. ψυχή):

Auch vom Leben der Thiere, Hes. Sc. 173. – Dieser Lebenshauch, der im Tode erlischt, geht nach der Vorstellung der Alten in die Unterwelt, dort mit einem Schattenkörper (der nicht mit Händen zu greifen ist, Od. 11, 207) verbunden, ohne den denkenden Geist (vgl. φρήν); dah. ψυχή die Seele des Abgeschiedenen in der Unterwelt

Nach dem "Lebenshauch" ist die nächste Bedeutung "Leben", wobei bei mir der Eindruck entsteht, dass ψυχή hier ein "Lebensprinzip" ist, das unabhängig von der Person existiert - will sagen, dass aus einem Körper raus in die Unterwelt rein kann und dort weiterexistiert. Pape nimmt explizit (erstmal) das Denken aus.
Später kommt er dann auf die wohl heute übliche Bedeutung zu sprechen:

Seele, Herz, als Sitz des Willens, der Begierden und der Leidenschaften, Gesinnung, Gemüth

Je nachdem, was wir jetzt ansetzen, muss man sagen: Kupferkabel haben keine ψυχή, Tiere und Pflanzen haben ein - oder: Kupferkabel nein, Pflanzen nein, Tiere ja - oder: Kabel nicht, Pflanzen nicht, manche Tiere, manche Menschen.

Ich denke, es ist wichtig zu differenzieren, ob man nun das Lebensprinzip meint, speziell einen Atem, den Sitz Gefühle, chemische Vorgänge im Gehirn oder das, was durch die Taufe für ein ewiges Leben gerettet werden kann.

In einem anderen Forum schockierte mal die Replik darauf, dass ja Christen mal Indianer nicht für Menschen gehalten haben, weil sie ja keine Seele hätten. Die Replik lautete: Das stimmt ja auch, Indianer haben keine Seele.
Weil es so etwas wie eine "Seele" überhaupt nicht gibt.

Alternative Idee: das Blut.
(Vgl. den entsprechenden Beitrag.)

Wenn man Seele lokalisieren will, braucht sie einen Körper (Dualismus), an den sie individuell gebunden ist. Dabei ist fraglich, ob sie überhaupt existiert und was sie sein soll. Wüßte man was sie ist, könnte man danach fahnden, aber so nicht. Es ist eine reine Definitionssache. Man könnte Seele auch einfach als Information auffassen. Da bietet sich die Genetik an. Seele als Abfolge individueller Nukleinbasen ((DNS-Bausteine: Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin/Uracil), die den Körper, seine Hormone etc. hervorbringt und damit eine gewisse Grundeigenschaft hervorbringt, die dann das Leben formt. Sie würde an die Nachkommen – verändert und vermischt – weitergegeben und überlebt nicht als individuelle Einheit. Viren wären dann quasi „reine Seelen“, denn sie tun nichts anderes, als sich zu vermehren. Und alle Lebewesen hätten eine Seele. Aber damit wäre keine Religion einverstanden, obwohl sie die Seele auch nicht definiert. Sie bleibt ein Konstrukt, das dann sinnvoll ist, wenn sie mindestens eine Bedingung erfüllt: die Seele anderer anzuerkennen und ihr einen Wert zuzubilligen. Man denke an die Würde des Menschen. Das funktioniert in der Praxis allerdings auch nicht sehr gut.