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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eros als Sohn des Poros und der Penia (1999 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 02.06.2009 um 20:44 Uhr (Zitieren)
Im ΣΥΜΠΟΣΙΟΝ (203a ff.) gibt Sokrates-Platon die von Diotima übermittelte Auffassung des Ἔρως wieder:
Als des Poros [Weg, Ausweg, Hilfsmittel] und der Penia [Armut, Bedürftigkeit] Sohn aber befindet sich Eros in solcherlei Umständen. Πρὦτον μὲν πένης ἀεί ἐστιν, καὶ πολλοὖ δεἶ ἁπαλός τε καὶ καλός, οἷον οἱ πολλοὶ οἴονται. - Zuerst ist er immer arm und bei weitem nicht fein und schön, wie die meisten glauben. Vielmehr rauh, unansehnlich, unbeschuht und unbedeckt schläft er vor den Türen und auf den Straßen im Freien und ist der Natur seiner Mutter gemäß immer ein Genosse der Bedürftigkeit.

Ein in sich vollkommenes Wesen liebt nicht.
Sondern weil wir, wie es im Aristophanes-Mythos des Symposion (191a ff.) heißt, jeder nur die Hälfte eines Menschen sind, lieben wir:
Ἕκαστος οὖν ἡμὦν ἐστιν ἀνθρώπου σύμβολον.
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
Γραικίσκος schrieb am 03.06.2009 um 14:26 Uhr (Zitieren)
Hegel hat diesen Gedanken, daß Liebe aus einem Mangel entsteht, für die christliche Theologie fruchtbar gemacht: Gott braucht die Welt und uns, weil er nur durch das Andere seiner selbst (durch das, was er nicht ist) ein Bewußtsein von dem erlangen kann, was er ist. Also schafft er die Welt, um werden zu können, was er der Anlage nach ist: Bewußtsein, Selbstbewußtsein (Bewußtsein von sich selbst), Geist.
Seine Definition von Liebe ist dann: das Zu-sich-Kommen im Anderen.

Rainer Maria Rilke hat einen solchen Gedanken in folgende Verse gekleidet:
Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?
Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)
Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)
Bin dein Gewand und dein Gewerbe,
mit mir verlierst du deinen Sinn.

Nach mir hast du kein Haus, darin
dich Worte, nah und warm, begrüßen.
Es fällt von deinen müden Füßen
die Samtsandale, die ich bin.
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
Γραικίσκος schrieb am 03.06.2009 um 14:27 Uhr (Zitieren)
Diese Beiträge sind natürlich vor allem John gewidmet.
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
John schrieb am 03.06.2009 um 19:45 Uhr (Zitieren)
Auch wenn ich der Pan-Frage von neulich noch nicht auf die Spur gekommen bin, fühle ich mich geehrt.:)
Wer denkt bei solchen Gedanken nicht sofort an Prometheus?! Mal sehen, was ich dazu beisteuern kann...
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
John schrieb am 03.06.2009 um 21:16 Uhr (Zitieren)
Ich habe den ontologischen Gottesbeweis Canterbury noch einmal studiert, dessen Kritik bekan(n)tlich in der Aufklärung sehr genau unter die Lupe genommen wurde. Die Frage nach dem Wesen eines Gottes setzt jedoch mit der Frage nach der Existenz eines Gottes an.
Dass selbst antike "Klassiker" wie eben Sokrates, Platon oder selbst Aristoteles (ἀκίνητος κινών) eine solche Existenz voraussetzen, verweist meiner Meinung nach auf zwei Möglichkeiten, dem Problem zu begegnen (klingt wieder ein wenig scholastisch, ich weiß):
1. Entweder verfährt man, wie bspw. Thomas von Aquin, a priori und fragt nach einer Art Erstbeweger, womit eigentlich immer noch nichts geklärt wäre, das Problem aber wenigstens auf eine nicht zugängliche Ebene verschoben würde. Andere Gottesbeweise analog.
2. Oder man bleibt bescheidener wie Kant, der den oft falsch zitierten Satz:
Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen...,

ergänzt und begründet mit einer geradezu meisterlichen Einschätzung der menschlichen Psyche:
...und der Dogmatism der Metaphysik, d. i. das Vorurteil, in ihr ohne Kritik der reinen Vernunft fortzukommen, ist die wahre Quelle alles der Moralität widerstreitenden Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist.

(Text aus dem Vorwort zur zweiten Auflage in:
Philosophische Bibliothek, Bd.505, Kritik der reinen Vernunft. Nach der 1. und 2. Originalausgabe, S. 30 bzw. B XXX)

Meine persönliche Meinung bzw. nur ein Gefühl spiegelt sich in einem schönen Gedicht von Fredric Brown auf fast romantischer Ebene wider:
http://devernay.free.fr/paradoxlost/html/imagine.html
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
Γραικίσκος schrieb am 03.06.2009 um 21:34 Uhr (Zitieren)
Das Brown-Gedicht muß ich mir nochmal in Ruhe zu Gemüte führen! (Das werde ich morgen oder übermorgen tun.)
Ob John Lennon sein "Imagine" darauf bezogen hat?

Für heute noch ein Gedicht zum Thema, diesmal von Randy Newman:
GOD’S SONG
(That’s Why I Love Mankind)
(1972)

Cain slew Abel, Seth knew not why
For if the children of Israel were (supposed) to multiply
Why must any of the children die?
So he asked the Lord
And the Lord said:

Man means nothing, he means less to me
Than the lowliest cactus flower
Or the humblest Yucca tree
He chases round his desert
Cause he thinks that’s where I’ll be
That’s why I love mankind

I recoil in horror from the foulness of thee
From the squalor, and the filth, and the misery
How we laugh up here in heaven
At the prayers you offer me
That’s why I love mankind


The Christians and the Jews
Were having a jamboree
The Buddhists and the Hindus
Joined on satellite TV
They picked their four greatest priests
And they began to speak
They said „Lord a plague is on the world
Lord no man is free
The temples that we built to you
Have tumbled into the sea
Lord, if you won’t take care of us
Won’t you please please let us be?“
And the Lord said
And the Lord said

I burn down your cities
How blind you must be
I take from you your children
And you say ‘How blessed are we’
You all must be crazy
To put your faith in me
That’s why I love mankind
You really need me
That’s why I love mankind


Jetzt können wir beide - lächelnd oder nachdenklich - ins Bett gehen!
Gute Nacht!
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
John schrieb am 03.06.2009 um 21:43 Uhr (Zitieren)
So schlimm wie dieses ist das von Brown nicht, aber genug Stoff zum Nachdenken bieten beide allemal.
Gute Nacht!
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
Γραικίσκος schrieb am 03.06.2009 um 21:47 Uhr (Zitieren)
Wir sollten einmal folgende Fragen unterscheiden:
1. Was verstehen wir unter dem Wort "Gott"?
2. Gibt es einen Gott? Oder nicht? Oder mehrere?
3. Welche Eigenschaften sollen wir Gott/Göttern zuschreiben, falls wir Frage 2 bejahen?
4. Mit Rücksicht auf die Überlegungen der Analytischen Philosophie im 20. Jhdt.: Ist 2 eine sinnvolle Frage?

Im Augenblick gehen die Fragen 2 und 3 bei uns noch durcheinander, während wir 1 und 4 bisher gar nicht gestellt haben, soweit ich das sehe.
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
Ὑληβάτης schrieb am 07.06.2009 um 22:50 Uhr (Zitieren)
:-D
das Problem aber wenigstens auf eine nicht zugängliche Ebene verschoben würde


Na, hoppla. Wenn ich auch weder Theologe noch Philosoph bin - noch sehr gewandt im Denken -, gefällt mir doch die Fragestellung ganz vorzüglich.

Ist nicht Frage 1 überhaupt die wichtigste? Als ich mich mit den vermeintlichen Polytheisten unterhalten habe, wollte ich eigentlich dazu kommen, nämlich viel mehr zu betrachten, was man eigentlich unter "Gott/Götter/Göttlich" versteht. Ich meine, erst dann kann man Frage 2 stellen.
Eine Frage, die mich schon seit geraumer Zeit umtreibt.

Soweit ich mich erinnere - habe ich das schon gesagt? - ist für Homer alles das "ein Gott", was mächtiger als der Mensch ist; also auch die Furcht, weil sie den Menschen besiegt. Dazu muss ich aber noch mal nachlesen - es war eine Stelle in der Ilias ...
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
John schrieb am 08.06.2009 um 02:10 Uhr (Zitieren)
Die Frage, was wir unter dem Namen Gott verstehen ist - meiner Meinung nach - eine rein anthropologische. Das Judentum jedenfalls reagiert auf eben diese Frage nach wie vor allergisch - am deutlichsten mit dem Bilderverbot.
Bemerkenswert für mich bleibt allerdings die Parallele zwischen Gott und Wunder... Beide sind nicht vorstellbar und - wie ein alter Lateindozent von mir vor kurzem bemerkte - genauso wenig "glaubbar", der Würdigkeit des Glaubens (πιστειν - vertrauen) daran genau deshalb aber nicht beraubt.
Wenn wir uns Wunder vorstellen könnten, wären sie ihres Wesens beraubt.
Re: Eros als Sohn des Poros und der Penia
John schrieb am 08.06.2009 um 16:42 Uhr (Zitieren)
Einen weiteren interessanten Gedanken zum Thema bietet mal wieder Peter Sloterdijk, dessen Lektüre wegen ich aus katholischen Kreisen meiner Verwandtschaft schon ins Kreuzverhör genommen wurde...

In der Tat befürwortet die Massenkultur seit langem die Übergabe der Akten des Jüngsten Gerichts in menschliche Treuhandschaft.

([i]Zorn und Zeit[i], Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008, S. 88)

Gottesbilder entstehen also entweder (wie hier) durch anthropologische Programmierung - man könnte modern "Basis- oder Werkseinstellung" dazu sagen - oder, wie Luther immer betonte, »extra nos«.
Ich lese und übersetze gerade die Ἀποκάλυψις des Johannes, bin aber, wie Ὑληβάτης auch, auf einen Abschnitt aus dem Anfang der Ilias aufmerksam geworden:

ἀλλ' ἄγε δή τινα μάντιν ἐρείομεν ἢ ἱερῆα
ἢ καὶ ὀνειροπόλον, καὶ γάρ τ' ὄναρ ἐκ Διός ἐστιν, ὅς κ' εἴποι ὅ τι τόσσον ἐχώσατο Φοῖβος Ἀπόλλων

(ΙΛΙΑΔΟΣ A 62-64)
 
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