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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Herodot über die bestmögliche Verfassung des Staates (1315 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 09.10.2011 um 11:00 Uhr (Zitieren)
HISTORIEN
III, 80-83

Herodot läßt in der folgenden Szene einige führende Perser zur Zeit des Kambyses im Zusammenhang mit einer Verschwörung eine Diskussion über die Art der neu einzurichtenden Staatsform führen. Dies tut er vor dem Hintergrund ähnlicher Diskussionen in Athen.
[...] 80 Als sich die Erregung gelegt hatte und fünf Tage vergangen waren, hielten die Verschwörer gegen die Mager Rat über das Schicksal des Reiches; und es wurden dabei Reden gehalten, die zwar einige Griechen für unglaubwürdig ansehen, die aber doch gesprochen worden sind. Otanes riet, die Regierungsgewalt in die Hände der Gesamtheit der Perser zu legen; er sagte folgendes: „Mir scheint, ein einzelner von uns darf nicht Alleinherrscher werden; das ist nicht erfreulich und gut für uns. Ihr seht alle, wie weit der Frevelmut des Kambyses gegangen ist. Auch unter dem Übermut des Magers hattet ihr zu leiden. Wie kann die Alleinherrschaft eine wohlgeordnete Einrichtung sein, wenn es darin dem König erlaubt ist, ohne Verantwortlichkeit zu tun, was er will. Auch wenn man den Allerbesten zu dieser Stellung erhebt, würde er seiner früheren Gesinnung untreu werden. Selbstüberhebung befällt ihn aus der Fülle von Macht und Reichtum, und Neid ist dem Menschen von Anfang schon angeboren. Mit diesen Eigenschaften besitzt er aber auch schon alle anderen Laster. Aus Selbstüberhebung und Neid begeht er viele Torheiten. Freilich sollte gerade ein Alleinherrscher ohne alle Mißgunst sein; besitzt er doch alle Güter. Aber seinen Mitbürgern gegenüber zeigt er sich als das Gegenteil. Er beneidet die Besten um ihr bloßes Dasein und Leben, er freut sich über die schlechtesten Bürger und ist gern bereit, auf Verleumdungen zu hören. Und was am allerwenigsten zusammenpaßt: Wenn man ihn in maßvoller Weise bewundert, ärgert er sich, daß man ihm nicht ehrerbietig genug begegnet; erweist man ihm aber höchste Achtung, dann ärgert er sich, daß man ihm schmeichelt. Das Schlimmste aber sage ich jetzt erst: Er rührt an den altüberlieferten Ordnungen, er vergewaltigt Frauen und tötet ohne Richterspruch. Wenn dagegen die Menge herrscht, hat dieses Regiment zunächst den allerschönsten Namen: Gleichheit vor dem Gesetz (ισονομία). Außerdem aber ist sie von allen den Fehlern frei, die die Alleinherrschaft aufweist. Sie besetzt die Ämter durch das Los, die Verwalter der Ämter sind verantwortlich; alle Beschlüsse werden der Gesamtheit vorgelegt. So meine ich also: Wir schaffen die Alleinherrschaft ab und geben der Menge die Macht; denn auf der Masse des Volkes ruht der ganze Staat!“
81 Das war der Antrag des Otanes. Megabyzos aber empfahl, die Macht einer beschränkten Zahl zu geben, und sagte: „Was Otanes über die Abschaffung des Königtums sagt, ist auch meine Meinung. Wenn er aber rät, die Menge zum Herrscher zu machen, dann hat er damit nicht das Rechte getroffen. Es gibt nichts Unvernünftigeres und Hochmütigeres als die blinde Masse. Es ist aber unerträglich, dem Übermut eines Alleinherrschers zu entfliehen und in die Selbstüberhebung einer zügellosen Masse hineinzugeraten. Jener weiß doch wenigstens, was er tut; die breite Masse aber handelt ohne Einsicht. Woher auch sollte dem Volke Vernunft kommen? Es hat das Gute weder gesehen noch von sich aus; vielmehr stürzt es sich ohne Verstand einem Bergstrom gleich auf die Staatslenkung und treibt sie voran. Nur wer den Persern Böses gönnt, ziehe das Volk zur Regierung heran. Wir sollten die Regierung aus den besten Männern bilden, denen wir die Macht übertragen; zu diesen gehören wir auch selbst. Die besten Männer werden billigerweise auch die besten Entschlüsse fassen.“ Diese Meinung trug Megabyzos vor. Als dritter äußerte sich Dareios und sagte:
82 „Die Meinung des Megabyzos über die Masse billige ich, nicht aber, was er über die Oligarchie sagt. Drei Verfassungen sind möglich. Nehmen wir sie alle in ihrer vollkommensten Form an, also die vollkommenste Demokratie, die vollkommenste Oligarchie und die vollkommenste Monarchie, so überragt die letzte die anderen beiden, wie ich behaupte, bei weitem. Es gibt offenbar nichts Besseres als die Einzelregierung des besten Mannes. Bei dieser Gesinnung wird er ohne Tadel für sein Volk sorgen. Beschlüsse gegen Volksfeinde werden am besten geheimgehalten. In einer Oligarchie dagegen entstehen oft heftige persönliche Feindschaften, wenn viele ihre Tüchtigkeit vor der Gesamtheit unter Beweis stellen wollen. Jeder bemüht sich, an der Spitze zu sein und seine Meinung durchzusetzen. So geraten sie untereinander in arge Feindschaft. Daraus entstehen Parteiwirren, es kommt zum Mord. Schließlich führt das alles wieder hinaus auf die Monarchie; und daraus sieht man, um wieviel sie doch die beste Staatsform ist. Wenn aber das Volk herrscht, dann bleibt es nicht aus, daß Gemeinheit auftritt. Kommt aber diese in der Gemeinschaft auf, dann entstehen zwar keine Feindschaften unter den Schlechten, wohl aber starke Freundschaften; denn die, die das Gemeinwesen schädigen, tun es gemeinsam und stecken ihre Köpfe zusammen. Das geht so lange, bis ein Führer des Volkes ihrem Treiben ein Ende setzt. Dafür preist ihn das Volk, und der Gepriesene erscheint wieder als Alleinherrscher. Hier zeigt sich auch an ihm wieder, daß die Monarchie die beste Verfassung ist. Um alles kurz zusammenzufassen: Wie ist denn das Perserreich frei geworden? Wer hat ihm die Freiheit gegeben? Das Volk, die Oligarchie oder die Monarchie? Ich habe also die Überzeugung: Wir haben durch einen Mann die Freiheit bekommen; an ihr müssen wir festhalten. Überhaupt sollten wir die altüberlieferte Verfassung, die so gut ist, nicht abschaffen; das ist immer von Übel.“
83 So lagen also drei verschiedene Meinungen vor. Vier Männer von den Sieben aber stimmten der letzten Auffassung zu. Als Otanes sah, daß sein Vorschlag, den Persern die Demokratie zu schenken, keinen Anklang fand, sprach er zu den Versammelten: „Männer, Genossen! So ist denn entschieden, daß einer von uns König werden soll. Es bleibt die Frage offen, ob wir ihn durch das Los wählen, dem persischen Volke die Entscheidung überlassen oder ihn auf andere Weise bestimmen. Ich verzichte auf eine Bewerbung; ich will weder herrschen noch dienen. Ich verzichte nur unter der Bedingung auf das Amt, daß ich keinem von euch untertänig werde, weder ich selbst noch meine Nachkommen.“ Als sich die übrigen sechs nach seinen Worten darauf einig wurden, ließ er sich nun nicht weiter mit ihnen ein, sondern hielt sich im Hintergrund. Noch bis heute ist dies das einzige freie Haus bei den Persern, dem König nur nach eigenem Willen untertan; es darf allerdings die Gesetze der Perser nicht übertreten.

[Quelle: Herodot, Historien. Herausgeben von Josef Feix. 2 Bde. München 2. Aufl. 1977; Bd. 1, S. 435-441]

Re: Herodot über die bestmögliche Verfassung des Staates
ανδρέας schrieb am 09.10.2011 um 13:04 Uhr (Zitieren)
Otanes ist mit seiner Auffassung zwar gescheitert, hat sich seine Freiheit aber bewahrt, nicht übel.
Bei modernen Gesellschaften läuft es wohl auf eine demokratisch bemäntelte, institutionell oligarchisch organisierte Plutokratie mit wenigen Entscheidungsträgern hinaus
Re: Herodot über die bestmögliche Verfassung des Staates
Γραικίσκος schrieb am 09.10.2011 um 13:08 Uhr (Zitieren)
"Ich will weder herrschen noch dienen" - das ist ein selbstbewußtes und zugleich bescheidenes Wort.
 
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