α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Kleisthenes (934 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 24.10.2011 um 18:26 Uhr (Zitieren)
Haben wir über ihn, den Begründer der attischen Isonomie (--> Demokratie) schon einmal gesprochen?
Hier ist eine Einschätzung seines Werkes:
[...] Die politische Bedeutung der Reform [des Kleisthenes] liegt auf der Hand. Durch sie wurde zunächst die Macht des Adels völlig gebrochen. Die adlige Gesellschaft war künftig in dem politischen Aufbau der Stadt nicht mehr präsent, und es waren die tausendfachen Bindungen zwischen ihr und der athenischen Bevölkerung durch die neue lokale Einteilung überall zerrissen. Darüber hinaus schloß die neue Phylenordnung auf der Ebene der politischen Repräsentation jeden landschaftlichen Sondereinfluß aus; politische Sonderinteressen einer Gegend oder wirtschaftliche Sorgen einer anderen wurden von dem Aufbau des politischen Systems nicht nur nicht reflektiert, sondern geradezu paralysiert. Die Ausschaltung des landschaftlichen Sonderwillens sollte große Konsequenzen haben; denn sie erstickte von vornherein viele politische Themen.
Die neue Ordnung war aber nicht nur zur Abwehr des alten politischen Kräftefeldes errichtet worden; sie hatte auch eine aufbauende, positive Seite. Durch sie erhielt Athen nämlich eine politische Repräsentation auf der Basis der Gleichheit der Athener (bei denen man zunächst gewiß nur an die Mitglieder der drei Klassen, die allein Kriegsdienst leisteten, zu denken hat) und eine schlagkräftige Armee, die nun eine Armee politisch gleichstehender Soldaten war. Äußerlich zeigte sich das letztere in der Phalanx. Aber die Gleichheit war den Athenern nun auch als ein abstrakter politischer Begriff bewußt geworden, und es wäre auch merkwürdig, wenn sie das nicht entdeckt hätten. Denn diese neue Organisation ist in allen ihren Gliedern von der Idee der Gleichheit durchdrungen. Der Begriff erscheint denn auch schon zur Zeit des Kleisthenes. Er wurde damals auf diejenigen bezogen, die in der Vorstellung der Athener dafür die Voraussetzung geschaffen hatten, nämlich auf die Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton: Sie hätten Athen die Gleichheit des politischen Rechts gebracht. Der griechische Begriff heißt Isonomía (von ísos, gleich, und némein, verteilen). Die Gleichheit, das íson, war die Grundidee der Demokratie, und daher sah eine spätere Zeit in Kleisthenes deren Begründer. Herodot sagt, daß Kleisthenes die 10 Phylen geschaffen und (damit) die Demokratie eingerichtet habe. Ein Demokrat war Kleisthenes zwar nicht; seine Reform diente der Abwehr der Adelsherrschaft, der Schaffung einer neuen politischen Repräsentation anstelle des Adels und der Reorganisation des Heeres zur Bannung einer von außen drohenden Gefahr. In ihren Konsequenzen aber war seine Reform mehr; in ihr lagen Möglichkeiten, die Kleisthenes weder gesehen noch beabsichtigt hatte, die vielmehr erst neue politische Bedingungen verwirklichen konnten. [...]

[Quelle: Jochen Bleicken, Die athenische Demokratie. Paderborn - München - Wien - Zürich 1986, S. 37 f.]
Re: Kleisthenes
ανδρέας schrieb am 24.10.2011 um 19:54 Uhr (Zitieren)

Allerdings galt Gleichheit nur für (wehrhafte) Männer und die Sklaverei blieb (Menschenrechte wurden erst später "entdeckt"). Wie lange hielt die attische Demokratie? 80 Jahre? Aber es war eine Revolution im Denken!
M.E. gibt es sogar heute noch weniger Staaten mit Demokratie als ohne, wenn man "westliche" Werte voraussetzt.
Re: Kleisthenes
Γραικίσκος schrieb am 24.10.2011 um 20:25 Uhr (Zitieren)
Ja, es handelt sich um eine Demokratie ohne eine Vorstellung von Menschenrechten - lediglich auf der Basis von Bürgerrechten.

Übrigens unterscheidet auch das Grundgesetz zwischen Rechten aller Menschen einerseits und Rechten aller Deutschen (= Bürgerrechte; "Jeder Deutsche hat ...") andererseits. Wie kann man das angesichts der Gleichheit aller Menschen (!) gemäß Art. 3 GG rechtfertigen?
Re: Kleisthenes
ανδρέας schrieb am 24.10.2011 um 20:44 Uhr (Zitieren)

Das Wahlrecht z.B. kann sich nur auf ein Land beziehen. Die Staatsbürgerschaft ist ja nicht abgeschafft.
Re: Kleisthenes
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 12:04 Uhr (Zitieren)
Diese Antwort befriedigt mich nicht.
Art. 3 (1) GG stellt ausdrücklich fest: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."

Nun, Kindern haben nicht die gleichen Rechte wie Erwachsene, und in Deutschland wohnende Menschen türkischer Staatsbürgerschaft nicht die gleichen wie Menschen deutscher Staatsbürgerschaft.
Daß wir beides als irgendwie in Ordnung empfinden, erklärt doch noch nicht den tatsächlichen? anscheinenden? Widerspruch zu Art. 3 (1).
Falls diese Unterschiede klarerweise richtig sein sollten, müßte man doch den Art. 3 (1) entsprechend umformulieren, oder?
Re: Kleisthenes
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 12:08 Uhr (Zitieren)
Wir machen allerlei Aufhebens davon, wie die Athener Metoiken, Sklaven und Frauen, die Spartaner Perioiken, Zeloten, Kinder und Frauen diskriminiert haben.
Merken wir vielleicht gar nicht, wen wir diskriminieren, weil es uns ebenso selbstverständlich erscheint wie esden Athenern und Spartanern seinerzeit erschien?
Re: Kleisthenes
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 18:32 Uhr (Zitieren)

„Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.“


Art. 9 (3) ... alle Deutschen (und jetzt EU Bürger)

aber ... für "Ausländervereine" gilt:

Laut § 19 - 21 der „Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz“) vom 28. Juli 1966 (BGBl. I S. 457), zu-letzt geändert durch Artikel 6 Abs. 1 des Gesetzes vom 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390) müssen Ausländervereine den örtlichen Behörden Auskunft über ihre Tätigkeit sowie über alle Änderungen der Satzung, der Vorstandsmitglieder (incl. der jeweiligen Anschriften) geben.


Und zur Kontrolle:

„(1) Ausländervereine mit Sitz im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes haben der nach § 19 Abs. 1 Satz 1 zuständigen Behörde auf Verlangen Auskunft zu geben 1. über ihre Tätigkeit; 2. wenn sie sich politisch betätigen, a) über Namen und Anschrift ihrer Mitglieder, b) über Herkunft und Verwendung ihrer Mittel.“


Der Staat will wissen, wer sich da tummelt und seine Souveränität wahren. Das ist doch vernünftig.
Re: Kleisthenes
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 18:45 Uhr (Zitieren)
Das ist mir schon klar, daß viele Artikel des GG spezielle Regeln für deutsche Staatsbürger bzw. für Ausländer enthalten.
Meine Frage lautet nur, wie das zu Art. 3, Abs. 1 paßt und ob man den dann nicht ändern müßte.

Mein Vorschlag:
- Menschenrechte gelten für alle Menschen gleichermaßen überall.
- Bürgerrechte gelten für alle Menschen gleichermaßen in ihrem eigenen Land.
Auf diese Weise hat jeder Mensch - einigermaßen - die gleichen Rechte.
Daß Ausländer hier wählen dürfen, wäre ja nur dann im Sinne des Gleichheitsprinzips, wenn umgekehrt wir im Ausland wählen dürften.

Das Problem mit den Kindern, denen die gleichen Rechte im GG stillschweigend verwehrt bleiben, wird davon nicht berührt.
Daß es für sie spezielle Gesetze gibt, beantwortet die Frage nicht, da diese ja dem GG nicht widersprechen dürfen.
Re: Kleisthenes
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 18:55 Uhr (Zitieren)

Art. 3 ist eindeutig:

... sind vor dem Gesetz gleich


In der Ausgestaltung der Gesetze hat der Staat nun parlamentarische Freiheiten. Gleiches ist gleich zu behandeln, nicht Ungleiches. Vor dem Gesetz haben sich alle ohne Ansehen der Person zu verantworten. Aber die Ausgestaltung einzelner Gesetze unterliegt schutzwürdigen Interessen.
Re: Kleisthenes
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 18:58 Uhr (Zitieren)
Gleiches ist gleich zu behandeln, nicht Ungleiches.

Also:
- Kinder und Erwachsene sind ungleich, deshalb nicht gleich zu behandeln.
- Männer und Frauen sind gleich, deshalb gleich zu behandeln.
- Deutsche und Ausländer sind ungleich, deshalb nicht gleich zu behandeln.
- Behinderte und Nicht-Behinderte sind gleich, deshalb gleich zu behandeln.

Das kommt mir etwas willkürlich vor.
Re: Kleisthenes
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:05 Uhr (Zitieren)

Demnächst müssen Versicherungen Unisextarife anbieten, obwohl Frauen länger leben und öfter krank (oder schwanger) sind. Das heißt, dass die Männer zuviel bezahlen und die Frauen zu wenig.
Politik ist immer eine Frage der gesellschaftlichen Meinungen und nicht objektiv. Der Ministerpräsident von Baden.W. ist doch Philosophielehrer? Der merkt das gerade ganz besonders drastisch - Stuttgart 21.
 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Küste

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.