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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Lügen und die Folgen (553 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 18:55 Uhr (Zitieren)
Kant behauptet ("Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen"; ich korrigiere gerade eine Klausur dazu), daß man "nach bürgerlichen Gesetzen" für die Folgen einer Lüge, was immer die Absicht dabei gewesen sein mag, rechtlich verantwortlich sei. "Bist du aber strenge bei der Wahrheit geblieben, so kann dir die öffentliche Gerechtigkeit nichts anhaben; die unvorhergesehene Folge mag sein welche sie wolle."

Es geht in seinem Falle um das Beispiel, daß aufgrund meiner Aufrichtigkeit ein Verfolgter aufgespürt und ermordet wird.

Trifft das (auch heute noch) zu?
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:00 Uhr (Zitieren)

In Deutschland gilt: man darf niemanden ausliefern, dem in seinem Heimatland Folter oder Todesstrafe droht. Auch dann nicht, wenn er gegen die Gesetze des Heimatlandes verstoßen hat.
Da ist Deutschland doch sehr vorbildlich!
Re: Lügen und die Folgen
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 19:04 Uhr (Zitieren)
Das meine ich aber nicht. Es soll niemand ausgeliefert, sondern 'nur' die Wahrheit gesagt werden.
Man gibt beispielsweise auf Frage den Aufenthaltsort einer Person an, statt zum Schutz dieser Person einen falschen Aufenthaltsort zu nennen.
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:10 Uhr (Zitieren)
§ 258 StGB

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

Das Gesetz verbietet Strafvereitelung (besonders im Amt! ... § 259)
Re: Lügen und die Folgen
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 19:13 Uhr (Zitieren)
Ich danke Dir für Deine Mühe mit meiner Kant-Frage, aber das trifft es nun auch nicht. Es soll keine Strafe, sondern ein Verbrechen vereitelt werden: durch eine Lüge.
Ist man dann zu einer Lüge verpflichtet? Oder trifft Kants Behauptung zu, daß man auch in diesem Falle nicht für Aufrichtigkeit bestraft werden kann?
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:17 Uhr (Zitieren)

Wenn ich WEISS, dass jemand ermordet werden soll, DARF ich den gar nicht verpfeifen. Das wäre Mittäterschaft. Beihilfe gem. §170 StgB .
Re: Lügen und die Folgen
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 19:20 Uhr (Zitieren)
Das ist die Antwort!
Dort kann ich auch nachschauen.
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:21 Uhr (Zitieren)

korrigiere. § 25 II StGB
Re: Lügen und die Folgen
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 19:25 Uhr (Zitieren)
Ich wollte gerade sagen: § 170, Verletzung der Unterhaltspflicht.
Re: Lügen und die Folgen
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 19:28 Uhr (Zitieren)
§ 27:
Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

O nein, in Kants Beispiel gibt es keinen Vorsatz, einem Verbrecher zu helfen; der Vorsatz ist, seine Pflicht zur Wahrhaftigkeit zu erfüllen (die Kant etwas extrem interpretiert).
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:29 Uhr (Zitieren)

Ich hatte da parallel eine andere Sache im Kopf ... die Freundin meiner Frau hatte gestern eine Frage ... die hatten wir erörtert (das arme Ding)
Re: Lügen und die Folgen
Γραικίσκος schrieb am 25.10.2011 um 19:31 Uhr (Zitieren)
Macht nichts, wir haben's ja gefunden.
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:38 Uhr (Zitieren)

Rechtlich ist immer Vorsatz oder Fahrlässigkeit anzuwenden. Wenn die Folge "unvorhergesehen" war, ist man immer fein raus. Aber es gibt sogar Fälle, wo man Lügen DARF: z.B. bei Einstellungsgesprächen. Da muss die Frau nicht zugeben, dass sie schwanger ist. Sie darf lügen, wenn sie es weiß und bleibt nach Einstellung rechtlich geschützt - sogar in der Probezeit.
Re: Lügen und die Folgen
διψαλέος schrieb am 25.10.2011 um 19:44 Uhr (Zitieren)
Mal einen Einwurf mache:
Vor Gericht darf nur der Angeklagte ungestraft lügen...
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:47 Uhr (Zitieren)

Ja, aber in der Ausgangsfrage ist mir ohnehin nicht klar, wer hier wen belügen soll. Gegenüber Privatpersonen ist man nicht auskunftspflichtig, gegenüber dem Richter immer (außer dein Fall des Angeklagten, Angehörige dürfen die Aussage nur verweigern). Also braucht man hier ein konkretes Beispiel, um Kant zu verstehen und in der Gegenwart anzuwenden.
Re: Lügen und die Folgen
διψαλέος schrieb am 25.10.2011 um 19:47 Uhr (Zitieren)
Zweiter Einwurf:
In amerikanischen Gerichstfilmen sieht man ja immer wieder,
daß die Angeklagten in den Zeugenstand gerufen werden.

DA durfen sie NICHT lügen, wird ihnen ein Meineid nachegwiesen,
kann man sie auf alle Fälle DAFÜR bestrafen, wenn sie auch
in der Hauptsache freigesprochen werden sollten.

Das deutsche Strafrecht kennt dieses Verfahren nicht.
Re: Lügen und die Folgen
διψαλέος schrieb am 25.10.2011 um 19:48 Uhr (Zitieren)
irgendwie verhechseln mir heute die Buchstaben....
Re: Lügen und die Folgen
διψαλέος schrieb am 25.10.2011 um 19:50 Uhr (Zitieren)
Kannte Kant den Gewissens-Notstand?

z.B. im Falle des Tyrannenmordes?
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 19:50 Uhr (Zitieren)

In Deutschland darf man auch als Zeuge dann die Aussage verweigern, wenn man sich selbst der Strafverfolgung aussetzen würde. Das Ami-Recht ist mir ohnehin ein grausliches Stück Rechtsfindung ...
Aber die Ausgangsfrage ist zu unpräzise, denke ich.
Re: Lügen und die Folgen
διψαλέος schrieb am 25.10.2011 um 20:08 Uhr (Zitieren)
Kant geht davon aus, m.M. nach, daß die "öffentliche Gerechtigkeit" objektiv und "gerecht" ist..

Sind aber kodifizierte Gesetze "gerecht" und "objektiv"?
Bzw. sind die "öffentliche Moral" und "Rechtsempfinden" gerecht und objektiv?
Einfache Beispiele: Burka, Kopftuch, Kruzifixe in Schulen...

oder "deutsche Leitkultur"...
Drogen, legale und illegale...
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 21:50 Uhr (Zitieren)

Gerechtigkeit ist ein Konstrukt, das nicht objektiv zu beschreiben ist. 7 Mrd. Menschen ergeben 7. Mrd. Ansichten, die mit der Anzahl der Situationen zu multiplizieren ist, denen man begegnet. Unendlich viele. Es kann nur Gesetze geben, die versuchen, das in eine praktikable Form zu bringen. Warum stirbt einer früh, obwohl er ein anständiger Mensch war, während ein anderer, der 1000 Verbrechen begangen hat, 95 Jahre alt wird? Warum erwischt man immer die falschen Verbrecher? Man sollte sich hüten jenseits der Gesetze eigene Regeln aufzustellen, die der "Gerechtigkeit" dienen. Gesetze sind der Minimalkonsens und nie fertig. Man kann zwar allgemeine Regeln über Gerechtigkeit empfinden und einen gemeinsamen Nenner suchen. Aber das ist alles mathematisch und philosophisch unerreichbar. ... summum ius summa iniuria ...
Re: Lügen und die Folgen
διψαλέος schrieb am 25.10.2011 um 22:03 Uhr (Zitieren)
summum ius summa iniuria


ja,
ein Gesetz versucht, ALLE möglichen Fälle abzudecken,
dadurch wird es "iniuria", weil nicht jeder "Einzelfall" und seine Umstände,
warum, wieso, weshalb es geschah, berücksichtigt werden KANN.

Kant geht, er kann ja nicht anders, von einem Idealfall aus.

Ein Beispiel:
Ich kann 13.900.000 und paar zerquetschte Lottoscheinew ausfüllen und ahbe dann garantiert einen, der die sechs "Richtigen" hat.
Aber, der Gewinn steht in keinem Verhältnis zum Einsatz.
So ist es mit den Gesetzen:
Das Gesetz beschreibt den "Allgemeinfall", nie den "Sonderfall".

Wenn ich lüge, lüge ich wegen des im Moment herrschenden "Sonderfalls",
meine Lüge wird aber als "Allgemeinfall" angesehen...
(so oder so ähnlich, ich kann es nicht besser erklären,
ich bin nur Amateur-Philosoph)
:-)
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 25.10.2011 um 22:13 Uhr (Zitieren)
Genau, διψαλέος,

deshalb gibt es Richter, also Menschen, die Einzelfälle beurteilen und nach Recht und Gesetz, Lebenserfahrung und Gewissen Urteile sprechen. Sonst könnte man Computer nehmen.

Wenn ein Gesetz den Fall nicht erfasst, darf ein Richter dieses sinngemäß auslegen (Teleologie). Also das Ziel, die Absicht einer Regelung zum Maßstab nehmen. Kein Gesetz ist in Stein gemeißelt. Das ist vernünftig. Absolute Regelungen auf einen Einzelfall anzuwenden wäre dogmatisch. Kant scheint mir hier ein Dogmatiker zu sein.
Re: Lügen und die Folgen
διψαλέος schrieb am 25.10.2011 um 23:13 Uhr (Zitieren)
Ich behaupte mal, neben dem allgemein bekannten "ältestem Gewerbe" ist der "Beruf" des Richters auch eines der ältesten...
(Ich habe mal während meiner Studizeit in einer Juristen-WG als einziger "Nicht"-Jurist gewohnt,
das erste, was man mir sagte:
"Von einem Richter bekommt man nicht "Recht", sondern ein "Urteil".)

Ich folgere:
Ein "Urteil" muß oder kann nicht zwangsläufig "gerecht" sein.
Es ist schlicht "subjektiv".
Re: Lügen und die Folgen
ανδρέας schrieb am 26.10.2011 um 19:14 Uhr (Zitieren)

Analog möchte ich den Satz eines Arztes zitieren:
es gibt keine gesunden Menschen - nur schlecht durchdiagnostizierte Patienten.
Die Gerechtigkeit gibt es auch nicht - irgendwo wird immer etwas auszusetzen sein.
 
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