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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die besten Bedingungen für Literatur (499 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 16.11.2011 um 20:48 Uhr (Zitieren)
Gibt es optimale gesellschaftliche & politische Bedingungen für Literatur?
Oft denke ich: in einer Diktatur - denn dann weiß man, wer der Gegner ist; außerdem wird man geschärft in den Anforderungen an raffinierte, getarnte Formulierungen, die soeben noch die Zensur passieren können.

Aber Athen im 5. Jahrhundert paßt überhaupt nicht in diese Theorie.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
ανδρέας schrieb am 16.11.2011 um 21:20 Uhr (Zitieren)

In Island schreibt fast jeder irgendwann ein Buch ... da ist es eigentlich recht friedvoll - und einsam, man hat viel Zeit, sich Geschichten auszudenken, besonders Krimis.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
διψαλέος schrieb am 16.11.2011 um 22:27 Uhr (Zitieren)
Ich denke, man muß bereit sein, mit seiner "Umgebung",
mit dem "Miliö", (wie es Zille sagt) zu kommunizieren.
Die Isländer haben ihre Edda und ihre Trolle.
Dabei geht es gar nicht darum, ob bestimmte Dinge tatsächlich
"existieren", sondern darum, einfach mal hinzunehmen.
Ein Beispiel:
Die Literatur in der islamischen Welt blüte auf und wurde
weltweit führend, als die "Ideologie" "Islam" noch im Fluß war,
sich bewegte, als sie zur "Religion" mit einem unumstößlichen Dogma
wurde, erlahmte sie.

(Anderen Kulturen ging und geht es ähnlich.
Trotzki forderte die "permanente Revolution",
heute werden wir gefordert,
ständig und selbstständig nach den "besten" Angeboten zu forschen:
Mein Stundenplan sähe nach Vorstellung der Prediger der Marktwirstschaft so aus:
8:00 h - 9:00 h: suche nach dem günstigsten Telefontarif.
9:00 h - 10:00 h: suche nach dem günstigsten Gasanbieter.
10:00 h - 11:00 h: suche nach dem günstigsten Stromanbieter.
11:00 h - 12:00 h: suche nach der günstigsten KFZ-Versicherung:
12:00 h - 12:30 h: Mittagspause
12:30 h - 13:30 h: suche nach dem günstigsen ich-weiß-nicht-was.

usw....

Den Predigern der schönen neuen Welt ist es vollkommen entgangen,
daß sich seit ca. 5.000 Jahren die Menschheit arbeitsteilig organisiert.
(jedenfalls in der uns gewohnten Gesellschaft.)
Ich MUSS nicht mehr Brot backen, Schuhe schustern oder
Werkzeuge herstellen können.

Allerdings MUSS ich bereit sein, meinem Mit-Gesellschafter den ihm gebührenden Lohn zu gönnen.

DAS ist die Crux unseres Systems!
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
διψαλέος schrieb am 16.11.2011 um 22:30 Uhr (Zitieren)
ach..
Vor lauter Tippselei habe ich vergessen:

Es war ja nicht nur Athen, wo Literatur und Wissenschaft blüte!
(bis auf Sparta, nun ja, die haben andere Vorstellungen gehabt...)
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 17:45 Uhr (Zitieren)
Ich meinte eigentlich, ob es optimale gesellschaftliche bzw. politische Bedingungen für die Entstehung guter Literatur gibt.
Natürlich sollte man Kindern eine literarische Bildung vermitteln und uihr Interesse an Literatur wecken; natürlich sollte man Schriftstellern ermöglichen, von ihren Werken auch lebebn zu können. Aber obendrein habe ich den Verdacht, daß eine Diktatur o.ä. optimale Themen für Literatur zur Verfügung stellt. Hier findet sie ein erstklassiges Betätigungsfeld jenseits der Schilderung von Mittelstandsneurosen und der 52781. Aufarbeitung der NS-Zeit.

Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausdrücke, und möglicherweise taugt mein Gedanke auch gar nichts. Athen im 5. vorchristlichen Jahrhundert paßt jedenfalls nicht in diese Hypothese, vielleicht sogar das antike Griechenland überhaupt nicht.
Rußland hingegen ist ein sehr passendes Beispiel.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Ὑληβάτης schrieb am 17.11.2011 um 18:01 Uhr (Zitieren)
Ich denke, dass man eine geistig rege Zeit braucht (s.u.). Eine Diktatur alleine taugt m.E. noch nichts, denn auch Widerstandsliteratur kann einfach platt sein.

Die Entstehungsbedingung für die Tragödie ist ein Bruch im Wertesystem der Gesellschaft. Eine homogene Gesellschaft ... bringt vielleicht interessante Geschichten hervor, Tiefe aber ...?

Dabei will ich gar keine Form von Literatur abwerten. Überhaupt nicht. Eigentlich habe ich mir vorgestellt, was Du, Γραικίσκος, wohl unter "guter Literatur" verstehen könntest (Gedankenlesen), und dazu etwas überlegt.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 18:25 Uhr (Zitieren)
Über gute Literatur gibt es vermutlich einen gewissen Konsens.

Widerstandsliteratur kann in der Tat platt sein; aber eine Widerstandsliteratur, welche die Zensur passiert, die muß schon pfiffig sein.
Jedenfalls - darin sind wir uns vermutlich einig - wachsen die Fähigkeiten mit den Hindernissen, die es zu überwinden gilt.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Ὑληβάτης schrieb am 17.11.2011 um 18:48 Uhr (Zitieren)
Welchen Konsens denn? Ich bin interessiert:
Was macht gute Literatur aus?
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
ανδρέας schrieb am 17.11.2011 um 18:48 Uhr (Zitieren)

M.E. ist die Nachfrage entscheidend: dort, wo man viele Leser findet, entsteht auch viel Literatur. Darunter ist dann – natürlich – viel Schund. Aber ein gewisser Teil ist eben sehr gut oder sogar brillant. Man kann hier sicher die Gaußsche Normalverteilung anwenden. Voraussetzung für diese Nachfrage ist wirtschaftlicher Wohlstand, Freiheit und ein hohes Bildungsniveau der insgesamt breiten Leserschaft.
Dazu gehört auch ein funktionierendes Verlegersystem, das im Wettbewerb steht. Auch autoren müssen essen. Goethe, Schiller, Th. Mann, Dickens, London , Lessing, Storm, Poe, Melville, Dumas, Twain, Defoe u.v.a. haben eher unter gesicherten Bedingungen geschrieben (Kafka ist ein Fall für sich, aber er wurde nicht verfolgt). Unter den Extrembedingungen einer Diktatur entsteht sicher auch gute Literatur, vor allem die, die sich mit den Schattenseiten der Regierungsform und ihren Folgen auseinandersetzt. Aber unter den Bedingungen der Verfolgung und des Hungers geht gewiss mancher Kopf – sprichwörtlich – verloren, der etwas hätte schaffen können, das von Wert gewesen wäre. Wir werden es nie erfahren.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 18:56 Uhr (Zitieren)
Ah, das habe ich beinahe geahnt, daß Du es mathematisch erklären würdest: Wo viel Literatur ist, wird auch viel gute Literatur sein. Sozusagen daß ein gleichbleibender Prozentsatz aller Literatur gute Literatur ist.

Aber erklärt das auch, daß relativ kleine Völker (Athener, Iren, Juden usw.) einen relativ großen Prozentsatz an guter Literatur hervorbringen bzw. hervorgebracht haben?
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
ανδρέας schrieb am 17.11.2011 um 19:14 Uhr (Zitieren)

Völker, die über weltweite Erfahrungen und Eindrücke verfügen (Iren: das britische Weltreich und Auswanderer in die USA; Juden: eigentlich überall; Athener: Verbindungen zu vielen Nachbarn, freie Weltsicht in zahlreiche Kulturen), erfahren reichhaltige Anstöße aus vielen Kulturen und erleben einfach mehr (positiv, wie negativ). Das regt die Phantasie an. Bringt der Iran derzeit viele nennenswerte Literaten hervor? Ich rede ja nicht von Einzelfällen. Das Genie kann natürlich überall hervortreten - wenn es noch lebt.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 19:20 Uhr (Zitieren)
Über iranische Literatur unter den Mullahs weiß ich nichts; die Filme sind zum Teil ausgezeichnet.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
ανδρέας schrieb am 17.11.2011 um 19:29 Uhr (Zitieren)

Mein Argument war eigentlich nicht rein mathematisch. Es ging mir um die Nachfrage. Auch das beste Saatgut kann nur gedeihen, wenn der Boden ihm Nahrung bietet. Extremophile findet man m.W. unter den Literaten kaum. Oft entsteht hier Literatur als innere Befreiung von den äußeren Beschränkungen und Bedrohungen. Was passierte unter den Nazis? Wer konnte, ging fort und schrieb in der Sicherheit der Fremde.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 19:29 Uhr (Zitieren)
Bei Juden und Iren hatte ich daran gedacht, daß es sich um unterdrückte Völker handelt. Ich muß jedoch zugeben, daß mir Deine Erklärung besser gefällt, weil sie auch auf Athen paßt.
Aber die Erklärung mit der Weltläufigkeit paßt gewiß nicht auf die sozialistische Epoche der UdSSR, die hervorragende Literatur hervorgebracht hat.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 19:32 Uhr (Zitieren)
Die Literatur der nationalsozialistischen Ära ist nicht durchweg eine Exil-Literatur; ich denke an Gottfried Benn und Hans Fallada. Die faschistische Literatur außerhalb Deutschlands ist auch nicht durchweg unbedeutend: Ezra Pound und Knut Hamsun.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 19:33 Uhr (Zitieren)
Da gab es auch noch einen stark antisemitischen französischen Autoren, dessen Name mir gerade nicht einfällt.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
ανδρέας schrieb am 17.11.2011 um 19:45 Uhr (Zitieren)

Man könnte sich auch fragen, was die Russen an Literatur noch hervorgebracht hätten, wenn sie nicht unter diesem Sowjet- Regiment hätten leben müssen...
Vielleicht wäre da einiges an kultureller Vielfalt gewesen, das befruchtend hätte wirken können. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensbedingungen ist natürlich immer ein Thema, wenn es viel Unterdrückung gibt.
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
ανδρέας schrieb am 17.11.2011 um 19:48 Uhr (Zitieren)

Louis - Ferdinad Celine ?
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
Γραικίσκος schrieb am 17.11.2011 um 19:51 Uhr (Zitieren)
Celine, genau!
Re: Die besten Bedingungen für Literatur
διψαλέος schrieb am 18.11.2011 um 01:19 Uhr (Zitieren)
Louis-Ferdinand Céline ist ein sehr tragischer Fall:
brilliant, aber egoman, vielleicht auch somatisch bedingt "verrückt".
 
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